würde, so wäre dies immerhin ein Lichtpunkt in der so desperaten Lage des osmanischen Reichs.
Die Me tzger'sche Erb schuft in Holland spukt immer noch in vielen Kopsen und leert die Taschen. Der deutsche Reichskanzler hat diese Erbschastsache auf Veranlassung eines erdlustigen Comites eingehend prüfen lassen und erklärt, Laß längst Verjährung eingetreten und jeder Heller zum Fenster hinaus geworfen ist.
Madrid, 23. April. Der Fluanzminister Salaverria gab in den Cortes ein Expose über die Finanzlage. Dasselbe spricht die absolute Unmöglichkeit aus, sojorl und ohne Abzüge die Zinsen der Staatsschulden zu bezahlen. Um jür Erfüllung dieser heiligen Verpflichtung alle verfügbaren Einnahmequellen heranzuziehen, soll nicht nur die außerordentliche Kriegssteuer beibehalten, sondern es sollen auch die Grundsteuer um 2 Proz. und die Verzehrungssteuer um ein Viertel vermehrt werden. Es soll ferner das Ergebniß der Tabaksregie erhöht und aus die Gehälter und Bezüge gewisser Beamten, einschließllch der Geistlichen, eine Abgabe in Höhe von 2b Proz. gelegt Werden. Bei alledem kann die regelmäßige Verzinsung der Staatsschulden vor dem 1. Januar 187? nicht ausgenommen werde». Das Kapital der Gläubiger wird, wenn sie Lies Reglement anuehmen, in keiner Weise verkürzt werden.
Die „Agence Russe" versendet folgendes Telegramm: „Nachdem General Rodich die Insurgenten in Folge der Antwort Wassa Pascha's direkt an die Pforte gewiesen hat, kann auch Rußland ihre Forderungen erst dann aus ihre Annehmbarkeit hin einer genauen Prüfung unterziehen, wenn die türkischen Behörden ihre Geneigtheit darlhun, überhaupt zu unterhandeln. Heutigen Nachrichten aus Konstanlinopel zufolge hat die Pforie das Prograamm Andrassy's als erfolglos verworfen und hat Mahmud Pascha aus Furcht, von der Kriegsparlei gestürzt zu werden, nun alles der Entscheidung der Waffen überlassen. Die Aufgabe der Diplomatie ist es nun, daß die Kabinette so schnell wie möglich über die gemeinsamen Schritte einig werden, um dieselben Europa zur Pazifizirung des Orients unter Aufrecht- erhaltiing des allgemeinen Friedens vorzuschlagen." — Die Wiener „Presse" sagt hierüber: „Von alledem weiß man hier in Wien nichts, im Gegeiitheil widerspricht die Meldung unseren Informationen, daß über die Forderungen der Insurgenten-Skupsch- tina thatsächlich verhandelt wird. Sollte es der Pforte wirklich einsallen, an die Entscheidung der Waffen zu appelllren, so dürfte diesem Unternehmen nach der Schlappe im Duga-Paß ein schlechtes Horoskop zu stellen sein."
Konstantinopel, 23. April. Nach Konferenzen Jg- natieff's und Elliott's (des russischen und englischen Gesandten) mit dem Großvezier erklärte die Pforte, eine Kriegserklärung gegen Montenegro sei nicht in Frage. Man hofft, einen neuen Waffenstillstand zur Regelung der Ausführung der Andrassy'scheu z Reformen zu Stande zu bringen. (Nach den Pol. Corr. unterhandelt Baron Rodich dm öder mit Le» Insurgenten.)
K onftantinopel, 25. April. Alle Vertreter v-c Großmächte haben der Pforte den Rath erlheilt, Nichts gegen Montenegro zu unternehmen, indem sie versprachen, ihre Bemühungen in friedlicher Weise fortzusetzen. Die Pforte hat von dieser Zusage Kenntniß genommen, wird aber ihre militärischen Vorbereitungen nicht unterbrechen.
Der Kriegsminister in Lonstantinopel hatte m seiner Herzensangst — woher Soldaten nehmen und nicht stehlen? den Einsall, Bataillone aus Mesopotamien, namentlich aus Bagdad und Hillah, herüber zu kommandiren. Da wüthet aber die Cholera so fürchterlich, daß täglich 2-300 Menschen sterben. Die Constantinopolitaner machten daher fürchterlichen Lärm über den Einfall des Ministers und steckten sich schließlich hinter den Sultan und seine 100 Weiber, die alle nicht an der Pest sterben wollen. Der Beseht wurde widerrufen. Die Constantinopolitaner haben Recht, wir haben in Europa der Uebel gerade genug und die bloße orientalische Frage ist wie die berüchtigte Wasserpest, jenes böse Schlinggewächs, das fürchterlich wuchert und unausrottbar wird und alles in seine Schlingen zieht und zuletzt den Fischer sammt Kahn.
London, 19. April. Der Mörder des neunjährigen Mädchens Emily Holland hat jetzt ein theilweises Geständ- niß abgelegt. Nachdem das Kind ihm Tabak geholt hatte, lockte er daß Kind in seinen Barbierladen und brachte es dann nach einem Zimmer im oberen Stockwerke, wo ec der Kleinen nach Verübung eines schändlichen Verbrechens mit einem Rasirmesser die Gurgel durchschnitt. Er zerstückelte sodann die Leiche, verbrannte Kopf und Arme und wickelte die übrigen Körpertheile in Zeitungspapier ein, um sie bei günstiger Gelegenheit aus dem Hause zu schaffen. Alsdann begab er sich wieder in seinen Laden, um mit dem Mordinstrumente seine Kunden zu barbieren. Abends besuchte er in aller Gemüthsruhe ein Theater. Ob er selbst oder der ebenfalls verhaftete Vagabund Taylor die Leiche aus der Stadt geschafft hat, ist noch nicht aufgeklärt. Nachträglich bemerken wir noch, daß der Mord nicht in London, sondern in Blackburn (Lancasters geschehen ist.
Der Ammeister von Strastburg.
(Fortsetzung.)
„Gottes Gericht ereilte ihn schon im selben Jahre, fuhr Ammeister fort — er wurde bei St. Leonhard mit fünf Schüssen gelüdtet. Und so hoffe ich auch, wird es früher oder später alle diese wälschen Räuber ereilen und sie züchtigen für alle Sünden, die sie an der Mensch
heit schon begangen, — doch sollten wir untergehen, sollte auch Straßburg das Schicksal der elsässischen Schwesterstädte theilen müssen, so mögen es unsere Nachkommen dereinst lesen, wie tapfer wir um unsere deutsche Freiheit gekämpft und den Muth daraus schöpfen, trotz der wälschen Ketten deutsch zu bleiben und die Hoffnung festzuhalten, noch einst wieder mit der Mutter vereinigt zu werden, denn nicht möchte ich den Gedanken mit in'S Grab nehmen, daß Straßburg, die uralte deutsche Stadt, dereinst so verwälscht würde, daß ihr ehrliches deutsches Antlitz nicht mehr zu erkennen wäre."
„Das verhüte Gott!" rief Adrian, „so lange Deutschland noch solche Herzen zählt wie das Eure, Herr Dominikus, wird Frankreich seine listigen Künste vergebens an uns versuchen. - Und nun Gott besohlen, mein theurer, väterlicher Freund!" setzte er, ihm dtt Hand reichend, hinzu, „ich will noch einige Gänge durch die Stadl machen, und vor allen Dingen meinen trauten Freund, das Münster besuchen."
Der Bürgermeister drückte ihm die Hand, und Adrian verließ rasch das Haus. Er sah es nicht, wie zwei schöne Augen ihm mit sichtlichem Wohlgefallen nachschaulen, sonst hätte er es wohl nichl so eilig gehabt.
Herr,Dominikus schien über den lieben Besuch Alles Andere ganz und gar vergessen zu haben; er halte sich einmal ganz ausgesprochen und das that ihm innerlich so wohl, daß er sich ordentlich erleichtert fühlte und die Geschichte mit der Katharina ihm, als er sich derselben erinnerte, schon lange nicht mehr so erschrecktich erschien als vorhin.
Während somit der überraschende Besuch eine Art Blitzableiter für Katharina geworden war, hatte die Mutter sie desto eifriger unter vier Augen in's Gebet genommen.
Die jüngste Tochter des regierenden Bürgermeisters von Straßburg, welche nach der Miltheilung des Stadtfchreibers Günzer den Sohn jenes enthaupteten Verräthers Obrechl lieben sollte, war 18 Jahre alt und der älteren Schwester Armgard so durchaus unähnttch, daß man versucht werden mußte, sie nicht für Schwestern zu halten.
Eine fast königliche Erscheinung mit dunklen Locken und kühn blitzenden Augen, die stolz und herrisch jeden sich ihr Nahenden zur Unleriverfung anfzusordern schienen, harmonine auch ihr Charakter vollständig mit diesem Aeußeru und beherrschte seit der zartesten Kindheit die sanfte, stets zum Nachgeben und Dulden bereite Armgard aus die tyrannischste Weise.
Katharina war unbestritten des Vaters Liebling von Kindheit an gewesen; ihm hatte der energische Charakter des Kindes stets gefallen, eine Energie, die leider durch die bis zur Schwäche nachgiebige Liebe eine gefährliche eigenwillige und allzu selbstständige Richtung erhalten mußte.
Umsonst Halle die verständige Mutter, umsonst die beiden ältern Sühne, welche jetzt verheirathet waren und sich, der eine ais Kaufmann, der andere als Arzt einen eignen Heerd gegründet halten, den sonst so klugen einsichtsvollen Vater auf diese Schwäche ausmerlsam gemacht und derselben enlgegenzuardeiten gesucht. — Herr Dominikus Dietrich schien von dieser tyrannischen Liebe ebenso sehr unterjocht zu sein, als die übrigen Hausgenossen, und konnte nichts Gefährliches in dem Charakter seiner stolzen Katharina erblicken.
Große Männer werfen große Schatten, und dieser Schatten war sicherlich bei dem edlen, verdienstvollen Bürgermeister, dem Märtyrer deutscher Selbstständigkeit verzeihlich, wie man die Vaterliebe wohl niemals verdammen wird.
Und diese stolze Jungfrau, das Kleinod seines Hauses, sollte sich so weit vergessen haben, den Sohn des Todfeindes und Ber- räthers zu lieben, das greise Haupt des Vaters durch eine solche entehrende Neigung mit Schmach zu bedecken?
„Es ist nicht, kann nicht sein," sprach Herr Dominikus, den entsetzlichen Gedanken von sich abwehrend, „Haß und Eifersucht haben dem Stadtschreiber die schnöde Verleumdung eingegeben; Gott verzeihe dem Unseligen diese Sünde."
Er wollte die Gattin aussuchen, da trat sie schon in's Zimmer, bleich und zögernd wie eine Angeklagte. Der Büigermei- ster schaute sie erschrocken an, als wollte er aus ihren kummervollen Zügen sein Todesurtheil lesen. Dann strich er sich hastig über die Stirn und fragte anscheinend ganz ruhig: „Du hast mit unserer Tochter geredet?"
„Ja, mein theurer Dominikus I" erwiderte die Gattin tonlos.
„Es ist nichts als Verleumdung, eiende Lüge!" fuhr Jener
fort.
„Katharina verweigerte mir trotzig jegliche Auskunft."
„Weil sie die Beleidigung nicht zu fassen vermochte, weil sie es für unerhört findet, "daß ihre Ellern so Entehrendes von ihr denken mögen?"
„Möglich, daß es so ist, wie Du sagst, Dominikus!" nickte Frau Brigitta, einen Seufzer zurückdrängend.
Der Bürgermeister erblaßte und blickte sie starr an.
„Nur eine Möglichkeit setzest Du voraus?" fuhr er empor, „so werde ich selber mit ihr reden, mir soll sie die Auskunft nicht verweigern."