Amtsblatt sür den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 50.

Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier (ohne Trägcrlohiist 1 M. 60 Psg., sür den Bezirk S M.

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Donnerstag den 27. April.

ZnicrauouSgebuhr zur die 3spaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift lieh einmaliger Einrückung 8 Psg., bei' mehrmaliger je 6 Pfg.

1876.

TagcS'Neuigkeiten.

Calw. Gegen die von der K. Eisenbahndircktion unterm 29.Juli v. I. erlassene Verfügung, daß Wollen-Balleu unter 125 Kilogr., die ungepreßt zur Verfrachtung kommen, als Sperrgut zu behan­deln seien, hat die Handels- und Gewerbekammer dahier auf Anregung hiesiger Industrieller und des Gewerbevereins Na­gold Vorstellung erhoben und darum gebeten, es möchte das Minimal-Gewicht von 125 auf 100 Kilogr. reducirt werden. Dieser Bille ist anerkemienswerlhec Weise von der K. Eisenbahn- direklion laut Erlasses au die hiesige Handels- und Gewerbekam- wer vom 14. ds. mit Wirkung vom 1. Mai d. I. im internen württembergischen, sowie im württembergisch bairischen Verkehr entsprochen worden, was eine bedeutende Ermäßigung der Woll- frachten mit sich bringt.

Stuttgart, 24. April. (P f e rd e m a r k t. 1. Tag.) Zn Markt gebracht: 1933 Pferde, einschließlich der in den Stal­lungen eingestellten. (2. Tag, Vorm.) Bis jetzt wurden ca. 500 Käufe abgeschlossen. Handel lebhaft.

S tuttgart, 25. April. Unsere Kammer nahm gestern ihre Ar­beiten wieder auf. Aus der Sitzung ist zunächst die Beantwortung der Interpellation des Abg. Mühl Häuser, betreffend die Circulation der fremden Goldmünzen, hervorzuheben. Von Seiten des Finanzministers wurde konstatirt, daß Goldmünzen der Frankenwährung an Staatskassen angenommen werden, was wegen des lebhaften Verkehrs nicht zu um­gehen sei; in diese Circulation komme übrigens, wie ihm von mehreren Banquiers mitgetheilt werde, mehr und mehr Ordnung. Ein Antrag Mühlhäusers, dahingehend, ob es nicht möglich sei, an den würltember- gischen Staatskassen die Annahme von fremden Goldmünzen zu versagen, wird demnächst zur Verhandlung gelangen. Bei der daraus folgenden Berathung des Berichts der Finanzkommisston über dis Staatsschuld veitheidigte Schmid als Berichterstatter die Rechnungsaufstellung der Regierung in Bezug auf dis Eisend ahn schuld gegenüber den früher gemachten Ausstellungen des Abg. Pfeiffer. Schließlich wurde das Ka­pitel nach dem Regierungsanschlag genehmigt. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht die Berathung über den Etat des Kultdepar­tements. (N- T.)

Ludwigsburg, den 21. April. DieL. Ztg." schreibt: Gestern Nachmittag hatten wir in der Schorndorferltraße ein ziemlich bedeutendes Schadenfeuer unmittelbar vor dem mittleren Schlotzgartsnthor. Die mit 55 Körben mit Papierhülsen gefüllten zwei großen eng aneinander ge­hängten Transportwagen der hiesigen Lichorienfabrik hatten kurz vorher das Zuchthaus, wo die Hülsen durch Gefangene angefertigt werden, ver­lassen, als aus dem vorderen Wagen Rauch aufstieg; der Fuhrmann, von Vorübergehenden daraus aufmerksam gemacht, öffnete denselben und alsbald schlug die Flamme ihm entgegen, welche, genährt durch den gro­ßen papiernen Inhalt, so rasch um sich griff, daß in wenigen Minuten beide Wagen in hochauflodernden Flammen standen und in kürzester Zeit total verbrannten. Der Schaden, der den Herren Frank Söhne dadurch entstanden, soll sich über 1000 fl. belaufen, lieber die Entstehung des Feuers verlautet zur Zeit noch nichts Bestimmtes; die Vermnthung liegt jedoch nahe, daß eine brennende Cigarre den Brand verursacht habe.

Kirchheim u. T. Man fürchtet, daß der entwichene Kasfirer Groß, der mit dem Frankfurter Bankhause I. I. v. Weiiler und Söhne bedeutende Spekulationen in Werthpa­pieren gemacht haben soll, viele der Bank gehörige Werlhpapiere als Depot für seine Spekulationsgeschäfte gegeben habe. Die Bank hat leider selbst manche Gelder in Werthpapieren angelegt, sonst wäre der Verlust, der aus ca. 250,000 geschätzt wird, ein erheblich geringerer. Trotz dieses schweren Schlages dürfte für die Mitglieder der Bank keine weitere Katastrophe entstehen, da, wie wir hören, energische Vorsorge von reichen Geschäftsleuten und Privaten getroffen wird, um den schwer geschädigten Kredit des Kirchheimer Platzes aufrecht zu erhalten. Für die Gläubiger der Bank ist absolut nichts zu fürchten, da sich unter den circa 350 Mitgliedern mehrere befinden, von denen jedes allein die Verbindlichkeiten der Bank decken könnte und es wäre den durch- gehends braven und fleißigen Einwohnern von Kirchheim sehr zu gönnen, wenn ihnen Zeit gelassen würde, diesen Verlust all- mählig zu ersetzen.

Der Hausbursche, sog. Kohlen-Provisor eines Frankfurter Apothekers, verließ am verflossenen Donnerstag seinen Dienst. Erst am Samstage entdeckte der Principal, daß eine Cassette mit einem Inhalte von mehre­ren tausend Gulden verschwunden war. Durch diese verspätete Kenntniß- nahms des Verlustes hat der Dieb jedenfalls hinlänglich Zeit gehabt, sich und seinen Raub in Sicherheit zu bringen, denn die Nachforschungen über den Verbleib desselben haben bis jetzt noch zu keinem Resultate geführt.

Kaiserin Augusta hat eins Einladung der Königin Viktoria zum Besuch in Windsor angenommmen und wird An­fangs Mai die Reise nach England antreten.

! Berlin. Der Hungertyphus kommt. Dies schreckliche Gespenst, welches erbarmungslos die Blößen der heutigen wirth- schastlichen Verhältnisse aufdeckt, ohne daß es einem klugen Pro­fessor gelingen könnte, mit hochklingenden Phrasen die Noth des darbenden Volkes wegzndisputiren, zeigt jetzt bereits eine ernstere Gestalt. Nicht mehr in vereinzelten Fällen, welche ängstlich ver­heimlicht werden, wie dies bereits längere Zeit in Berlin der Fall ist, tritt der gefürchtete Gast auf, sondern bereits ganze Ortschaften müssen abgesperrt werden. Und zwar in unserer nächsten Nähe, nur drei Meilen von Berlin, herrscht der Hunger­typhus in schrecklicher Weise. Ein Kaufmann, welcher am Sonn­tag mit einem Fuhrwerk nach Hönow fuhr, mußte, wie dieB. fr. Pr." schreibt, vor dem Orte umkehren, weil derselbe wegen des Hungertyphus abgesperrt war und Niemand hineingelassen wurde. Andererseits darf von den Einwohnern Niemand heraus, um die Krankheit, die einen höchst gefährlichen Grad erreicht haben soll, nicht zu verschleppen. Diejenigen, welche von der Krankheit befallen werden, sollen meist innerhalb 12 Stunden ein Opfer des Todes sein.

Berlin, 25. April. Die nat.-liberale Fraktion des Abg.- Hauses berieth gestern Abend die Reichsbahnfrage in langer politischer Debatte. 5 Redner traten dafür, einer dagegen auf. 'Eine förmliche Abstimmung fand nicht statt. Fast die ganze Fraktion, ausgenommen etwa 6 Stimmen, wird voraussichtlich sür die Vorlage stimmen. In Abgeordnetenkreisen wird Del- brück's Rücktritt, welcher wegen Krankheit oder Ueberarbeitung angeblich bevorstehen soll, viel besprochen. Falls es sich bestätigt, daß Delbrück wirklich seine Entlassung nimmt, so hofft man, daß diese nicht eine definitive sein werde.

Berlin, 25. April. Der Kaiser hat die vom Präsiden­ten des Reichskanzler-Amtes Delbrück erbetene Entlassung ange­nommen; dieser tritt Anfangs Mai den bereits seit längerer Zeit in Aussicht genommenen Urlaub an und wird sodann im Anfang Juni seine Amts-Geschäfte dem bis dahin zu ernennenden Nach­folger übergeben.

Am 18. d. M. sand die Hauptversammlung des Vereins zur Förderung des Zeichenunterrichts in Berlin statt. Prof. E» Herdtle in Stuttgart wurde in Betracht seiner großen Verdienste um den Zeichenunterricht zum Ehrenmitglieds einstimmig erwählt.

In welcher Weise man bei den Fünfmarkscheinen die Richtig­keit der Fotionnmmer ans der linken Seite mit der Nummer auf der rechten Seit- prüfen kann, dürfte manchem Leser interessant sein weshalb wir in Nachstehendem das bezügliche Verfahren erläutern wol­len: Streicht man nämlich die drei letzten Zahlen der rechtsseitigen Num­mer ab, divivirt in die verbleibenden mit fünf, setzt der sich daraus er­gebenden Zahl die Ziffer 1 zu, so erhält man die richtige Foliozahl auf der linken Seile des Scheines. Znm Beispiel der Schein trägt links­seitig Fol. 114 und rechtsseitig Nr. 0565230, so streicht man die letzten Ziffern 230 ab, divivirt in die verbleibende Zahl 0565 mit fünf, ergiebt dies 113, die Zahl 1 zugesetzt, ist gleich 114, welches der richtigen Folio­nummer entspricht.

Stolberg am Harz. Ein großes oder vielmehr eine Reihe großer Verbrechen ist jetzt an das Tageslicht gekommen. Ein von Dan- ckerobe hierher gezogener Mann, der die Frau eines verstorbenen Gast- wirths geheirathet hat, steht unter der Anklage, denselben vergiftet zu haben. Es soll das Gift in der Leiche bereits gefunden sein. Aber nicht allein dieses Mordes wird der Betreffende bezichtigt, sondern er wird auch beschuldigt, seinen Vater, sowie zwei Kinder aus seiner ersten Ehe vergiftet zu habe». Die Ausgrabung dieser drei Leichen ist bereits ge­richtlich erfolgt.

Paris, 21. April. Der Begrüßung der Königin von England auf dem Bahnhofe von La Villete durch den Marschall Mac Mahon folgte eine 20 Minuten währende Unterredung zwischen der Königin und dem Präsidenten der Republik. Königin Viktoria erklärte, sowohl Kaiser Wilhelm als auch andere Für­sten hätten ihr die Versicherung gegeben, daß der europäische Friede nicht bedroht sei.

DerN. sr. Pc." geht aus Paris die Meldung zu, daß Sadyk Pascha zur Neubildung des Kabinets nach Konstantinopel berufen worden sei. Diesem Ministerium würde, derselben Nach­richt zufolge, die Aufgabe zufallen, die neuen Reformen durchzu­führen. Sadyk Pascha und Midhat Pascha sind die fähigsten Männer der Türkei. Wenn sich daher die Nachricht von der Berufung Sadyk Pascha's und als natürliche Folge hievon der Sturz des gegenwärtigen Großveziers Mahmud Pascha bestätigen