Der Gesellschafter.

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 46.

Erscheint wöchentlich 3mal und kostet, halbjährlich hier (ohne Trägerlohn) 1 M. 60 Pjg., für den Bezirk 2 M. außerhalb des Bezirks 2 M. 45 Psg.^

Samstag den 15. April.

Inseralionsgebühr für die^ Zspaltige Zeile aus gewöhnlicher vchrist bei einmaliger Einrückung d Pfg., bei mehrmaliger je 6 Pfg.

Amtliches

Nagold.

An die Ortsvorsteher.

Diejenigen Wege Visitations-Protokolle, deren Vorlage ver­fallen ist, sind mit Erledigungs-Nachweis binnen 8 Tagen zuver­lässig einzusenden.

Den 13. April 1876.

K. Oberamt.

G ü n t n e r.

Tages-Neuigkeiten.

In Folge der vom 13.-20. März vorgenommenen Vorprüfung evan­gelischer und israelitischer Schulaspiranten sind u. a. folgende Schüler zur Vorbereitung für den Volksschullehrerberuf mit Aussicht auf Staals- unterstützung ermächtigt worden: Benz, Johann Georg, von Nagold, Bi bl er, Andreas, von Pfrondorf, Temmler, Carl, von Calw, Deuschle, Friedrich, von Calw, Dongus, Friedrich, von Deckenpfronn, Mitfchele, Karl, von Herrenberg, Renz, Christian, von Emmingen, Staiger, Christian, von Calw, Vetter, Friedrich, von Bondorf, Weber, Paul, von Wildberg.

Die zweite Schulstelle in Waldenbuch, Bezirks Plieningen, wurde dem Schulmeister Holder in Ettmannsweiler, Bez. Altensteig, übertragen.

Stuttgart, 8. April. DerKöln. Zlg." wird von hier berichtet:Es bestätigt sich, daß im September d. I. der Kaiser unser Land besuchen und Truppen-Schau zwischen hier und Ludwigsburg halten wird- Der Besuch des Kaisers erfolgt auf ausdrückliche Einladung des Königs von Württemberg. Die Truppen-Uebungen, welche in Oberschwaben hätten gehalten werden sollen, werden in hiesiger Nähe stattsinden; die königlichen Schlösser hier und in Ludwigsburg werden den Kaiser und sein Gefolge aufnehmen. Das württembergische Armee Corps soll in einer Stärke von 25,000 Mann zusammengezogen werden."

Stuttgart, 9. April. Die staatsrechtliche Commission der Kammer der Abgeordneten hat in Betreff der Bitte der Ver­treter der freireligiösen Gemeinden zu Stuttgart und Ulm um Beseitigung jeder Beziehung auf das dogmatisch-religiöse Bekennt- niß aus der Eidesformel, Uebergang zur Tagesordnung beantragt.

Stuttgart, den 11. April. Der gerstern nach kurzem Krankenlager erfolgte Tod des landwirthschaftlichen Inspektors Fritz wird gewiß auch in weiteren Kreisen, insbesondere in landwirthschaftlichen, vielfache Theilnahme finden.

Hölder Vater und Sohn. DerTrib." wird fol­gender kleine Beleg für die Wandelbarkeit menschlicher Dinge mitgetheilt:Vor etwa dreißig oder mehr Jahren war der längst verstorbenealte Hölder", damals Direktor im Kriegsministerium, an der Reihe, das Comthur-Kreuzdes Kronenordens zu erhalten, mit dem der persönliche Adel verknüpft ist. Er wurde mit vielen Andern auf die Liste der zu Beglückenden ge­setzt. König Wilhelm, der sich auch über die geringsten Details, namentlich aber über politische Personalien zu insormiren pflegte, strich den Namen Hölder's von der Liste. Vergeblich stellte man ihm des Mannes große Verdienste vor.Das ist wahr," sagte der König,aber er kann den Orden doch nicht bekommen; weshalb haterseinenSohnsoschlechterzogen, den Julius, den Justizassessor, der ein eingefleischter Liberaler ist!" Es blieb dabei. Jetzt ist derselbe Sohn damals derjunge Hölder" zwar immer noch liberal, aber er ist Präsident der Ständekammer und hat vor Kurzem das Comthurkreuz des Kronenordens erhalten, das vormals seinem Vater desliberalen Sohnes" halber entging. (N. T.)

Böblingen, 11. April. Die hiesige Zuckerfabrik, die neben einer ausgedehnten Oekonomie sich auch der Viehmastung widmet, hat dieser Tage wahre Ochsenkoloffe in die Rheinlande und Schweiz versendet, per Stück zu 22 Ctr. Gewicht und 900 Erlös. Im Laufe des vergangenen Winters sollen gegen 400 Stück Mastvieh abgesetzt worden sein. (N. T.)

Der Realanstalt zu Göppingen ist laut Bekanntmachung des Reichskanzleramts hinsichtlich derjenigen ihrer Schüler, welche der obersten Klasse mindestens ein Jahr angehört und eine, in Gegenwart eines Regierungskommissärs zu haltende Entlassungs- prüsung wohl bestanden haben, provisorisch gestattet worden, gül­tige Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst auszustellen.

Von der Jagst, 11. April. Vor 4 Wochen wurde eines Abends das 7 Jahre alte Kind eines Taglöhners in Crails­heim vermißt und seine Angehörigen machten nicht einmal Anzeige. Man glaubte, es habe sich das Kind, obgleich im Herzen der Stadt wohnend, verlausen und sei vielleicht in der Jagst ver­unglückt. Durch Anzeige Dritter wurde aber ermittelt, daß das Kind zu Hause mißhandelt worden sei, und es erhob sich reger Verdacht, es feie das Kind von seinen Angehörigen beseitigt worden. Das Gericht sah sich veranlaßt, zuerst den Pflegevater und später auch die Mutter des Kindes in Haft zu nehmen. Trotz der angestrengtesten Forschungen konnte noch nichts über den Verbleib oder das Schicksal des Kindes ermittelt werden. Heute Vormittag nun wurde das Kind in der Jagst aufgefunden und zwar am Rechen der Heldenmühle, eine Viertelstunde von hier; es soll am Kopse über dem Auge eine Schramme haben.

Die Prüfung im Dresdener Cadetten Hause mit dem Schlußergebnisse, daß die ganze oberste Classe dieser Anstalt noch ein volles Jahr länger darin verbleiben muß, um sich nach­träglich die fehlenden Kenntnisse anzueignen, bildet noch immer das Gesprächsthema in ganz Sachsen. Bisher erfolgte die Ab­leistung des Examens der Dresdener Cadetten vor den eigenen Lehrern der Anstalt und man hörte da nichts von einem Durch­falle. In Berlin scheint man aber doch die Wahrnehmung gemacht zu haben, daß das nicht in Ordnung sei und zum ersten Male erschien eine aus preußischen Officieren und preußischen Professoren zusammengesetzte Examinations-Commission in Dresden, welche ihr Urtheil dahin abgab, daß diejenigen Cadetten, welche demnächst als Fähndriche in die Armee eintreten sollten, eine durchaus ungenügende Ausbildung besäßen. Es werden jetzt eine Menge Thatsachen bekannt, welche dies erklärlich machen, und daß die jungen Herren Cadetten, nicht zum Nutzen ihres Berufs, bei Hofseiten und sonstigen Gelegenheiten zu Pagen- diensteu und anderen fern liegenden Dingen verwendet worden sind.

Königin Victoria wohnt in Coburg in dem Palais ihres Sohnes, des Herzogs von Edinburg. Am Tage nach ihrer Ankunft machte sie eine Rundfahrt durch die festlich geschmückte Stadt und Abends wurde ihr von der Bürgerschaft ein glänzender Fackelzug gebracht. Die deutsche Kronprinzessin Victoria ist am 12. April, Abends 8 Uhr 20 Min., in Coburg eingetroffen.

Bei dem in der mechanischen Baumwollspinn- und Weberei von Stölker und Cie. (Eigenthümer Hr. Gmür) zu Sigmaringen­dorf ausgebrochenen Brande wurden sämmtliche Gebäude ein Raub der Flammen. Der Eigenthümer ist bei der Magdeburger Feuerversicherung und beim französischen Phönix, versichert, und wird es sich hauptsächlich um die Unterstützung der durch den Brand verdienstlos gewordenen 80 bis 90 Arbeiter handeln. Es sollen Vecdachtsgründe der Brandstiftung vorliegen, was die eingeleitete Untersuchung sestzustellen hat. (N. T.)

Der Kaiser wird nach einer uns soeben zugegangenen Nachricht am zweiten Feiertag und zwar in Begleitung des Kronprinzen die erste Reise nach Koburg antreten, um dort der Königin von England einen Besuch abzustatten. Die Kron­prinzessin ist dorthin bereits abgereist. (Bert. T.)

Einen entsetzlichen Selbstmord beging der frühere Organist und Lehrer Thomson zu Elmshorn, welcher sich in der letzten Zeit vielfach mit der Leichenverbrennungsfrage beschäftigte und Spuren von Geistesstörung zeigte. Am vergangenen Donnerstag machte er seinem Leben durch den Feuertod ein Ende. Er tränkte sein Bett mit Petroleum, wickelte sich ein, mit derselben Flüssigkeit stark benetztes Tuch um den Leib, und verschluckte zur Hälfte einen Petroleumdocht. Sodann legte er sich nieder und zündete das Bett an, welches bald einen Scheiterhaufen bildete. Die Leiche wurde später fürchterlich entstellt aufgefunden, und war ein Theil seines Baarvermögens, welches der Verstorbene in Werthpapieren bei sich trug, ebenfalls verkohlt.

Berlin, 11. April. DerN. Stett. Ztg." wird von hier geschrieben, daß Graf Holstein (bekannt aus dem Arnim- Proceß), der nächstens als Hülfsarbeiter in das auswärtige Ministerium eintritt, sich seit langer Zeit des ganz besonderen