n Gcscllslhafttt.

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 41.

Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier (ohne Trägerlohns ! 1 M. 60 Psg., sür den Bezirk 2 M. j außerhalb des Bezirks 2 M. 45 Psg.

Dienstag den 4. April.

Jnseralionsgebühr für die Zspaltige Zeile aus gewöhnlicher vchrijt bei einmaliger Einrückung 9 Pfg., bei^ K)IV. mehrmaliger je 6 Pfg.

Amtliches.

Nagold.

A» die Ortsvorsteher.

Den Ortsoorstehern werden zur Aushändigung an die Militärpflichtigen die Loosungsscheine und Gestellungs-Atteste zugehen.

Vor der Aushändigung der Loosungsscheine der Militär­pflichtigen der Altersklasse 1876 sind die Rekrutirungsstammrollen durch Eintragung der Loosuummern in denselben zu ergänzen.

Den 2. April 1876.

K. Oberamt.

G ü n t n e r.

Tages-Neuigkeiten.

** Nagold, 3. April. Am gestrigen Sonntag wurde in der hiesigen Kirche unter zahlreicher Letheiligung, namentlich aus­wärtiger Freunde der Sache, ein Fest für innere Mission gefeiert. Der Sekretär der ev. Gesellschaft in Stuttgart, Pfarrer Hofacker, begann die Feier mit einer ergreifenden Rede über Luk. 24, 29 und Ofsenb. 3, 2 und legte den Zuhörern ver­schiedene Zweige der inneren Mission ans Herz. Er theilte mit, wie man in Stuttgart bemüht sei, mancherlei zum Theil schreien­den Nolhständen abzuhelfen durch Errichtung und Leitung folgender heilsamen und segensreichen Anstalten: der Krippe sür ganz kleine Kinder, deren Eltern den ganzen Tag in Fabriken und dergleichen arbeiten müssen, um ihren Unterhalt zu erwerben, der Herberge für Lehrlinge und Handwerksgesellen, der Mägde­anstalt und Herberge für Fabrikarbeiterinnen. Pfarrer Schuster, dessen Lebensaufgabe schon längere Zeit ist, der inneren Mission mit seinen reichen Gaben zu dienen, legte seiner feurigen Ansprache Matth. 9, 3538 zu Grunde und richtete die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf weitere Gebiete der inneren Mission. Er sprach von den Anstalten zur Heranbildung von Kleinkinderleh­rerinnen und Krankenpflegerinnen. Was letztere betrifft, so sind im deutschen Reiche 40 Diakonissenhäuser mit 3000 Arbeiterinnen, während z. B. Frankreich 30,000 barmherzige Schwestern hat. Dann gieng Redner über auf die Kinderrettungsanstalten, deren in Deutschland 400 sind, in denen 12,000 der Verwahrlosung preisgegebene Kinder sorgfältig erzogen worden. Schließlich folgten Mittheilungen über die Stadtmission in größeren Städten (Stuttgart hat deren nur 2) und über eine erst ins Leben tretende Anstalt (Karlshöhe" bei Ludwigsburg) zur Heranbildung von Arbeitern für die innere Mission.

Stuttgart, 30. März. Ja der Abendsitzung der Abgeordneten­kammer sprachen v. Wöllwarth, Elben (Cannstatt), Oesterlen, Uhl und Schmid sür den Antrag des Letzteren, Pfeiffer und Wächter für den Antrag Elben (Böblingen). Der Finanzminister v. Renner trat den Berechnungen Pfeiffer's, welcher meint, daß der Staat mit der Ab­tretung ein großes Geschäft machen werde, entgegen. Der Antrag Elben (Böblingen) ward sodann bei Namens-Aufruf mit 80 gegen 6 L-timmen abgelehnt und der Antrag Schmid mit 73 gegen 6 Stimmen angenom­men. 21 ultramontane und demokratische Abgeordnete motivirten ihre Abstimmung folgendermaßen: sie vermißten in dem Anträge Schmid einen Hinweis auf die politische Seite des Reichseiscnbahn-Projekts und seien Gegner des Reichseisenbahn-Gesetzes, aber mit dem zweiten Absätze des Antrages: die Regierung wolle dem Ankäufe der preußischen Bahnen durch das Reich entgegenlreten, einverstanden. Der von der Kammer angenommene Antrag Schmid lautet: Die Abhilfe der Mißstände der Eisenbahn-Verhältnisse im deutschen Reich sei durch Erlaß eines Reichseisenbahn-Gesetzes anzustreben, nicht aber durch Erwerbung deut­scher Eisenbahnen sür das deutsche Reich: die Regierung möge solchem Erwerb und solchen Maßnahmen die Zustimmung versagen, welche die württembergischen Eisenbahnen in die Hände des deutschen Reiches bringen würden. (Fr. I.)

Hin und her wogen die Meinungen über den großen Plan Bismarcks, die Eisenbahnen so oder so für das deutsche Reich zu erwerben. Man hat diesen Plan das Testament Bis­marcks an das deutsche Volk genannt und durch die Vorlage an das preußische Abgeordnetenhaus hat er greifbare Gestalt ange­nommen. Schnell fertig mit seinem Urtheil ist nur, wer die verschiedenen Seiten des Unternehmens, die politische, die volks- wirthschaftliche und die finanzielle und deren Bedeutung verkennt. Auf drei Interpellationen antwortete der Minister Mittnacht im Landtage ungefähr Folgendes: Württemberg hat durch seinen Gesandten in Berlin erklärt, daß es für den Ankauf deutscher

oder preußischer Bahnen durch das Reich seine Stimme aus po­litischen, finanziellen und volkswirthschaftlichen Gründen nicht abgeben könne. Der Minister führt daun aus, daß die Eisen­bahnen nicht wie die Post und der Telegraph dem Reiche zuge­sprochen seien und daß durch den Plan die Reichsversafsung geändert werden würde. Er halte es nicht für wünschenswerth, daß Württemberg neben seinem eigenen Bahndefizit auch noch das Reichsbahnendefizit trage» helfe. Mau sehe häufig an dem Be­stehenden nur die Schattenseiten, bei Zukünftigem nur die Licht­feiten ; auch in der Reichseisenbahnfrage liefen manche Täuschungen unter. Die Regierung werde in dieser Frage nichts unternehmen ohne die Zustimmung des Landtags. Wenn Preußen die Eisen­bahnen für sich kaufe, dann werde es eine gewaltige Ei seubahnmacht; er sei jedoch überzeugt, daß Preußen diese Macht nicht mißbrauchen werde. Wolle Preußen rücksichtslos sein, so könnte es mit oder ohne eigene Eisenbahnmacht oder Reichsbahnen alles durchsetzen. Wenn der Reichskanzler dem Reiche, das er über Preußen stelle, denAnkaufder p r eußi s ch e n B a hn eu anbiete, dann müsse Jedermann annehmen, daß er dem Reiche nützen wolle, andere Annahmen seien ausgeschlossen. Württemberg werde hiervon ausgehend die Sache wiederholt prüfen und seinen Standpunkt in bescheidener bundesfreundlicher Weise im Bundesrathe bis zum Ende entschieden vertreten.

Stuttgart, 1. April. Die Kammer der Standesherren nahm heute mit allen anwesenden Stimmen folgenden Antrag an: 1) Die Kammer der Stanvesherren wolle Angesichts des Gesetzentwurfs, betref­fend die Ueberuahme der preußischen Staatsbahnen durch das Reich, der k- Regierung gegenüber die Erwartung aussprechen, dieselbe werde ihre eifrigsten Bemühungen darauf richten, das Zustandekommen eines Reichs-Zisenbahn-Gesetzes in Ausführung der Bestimmungen der Reichs- Verfassung (Art. 4 Ziffer 8 und Cap. 7) zu bewirken; dieselbe wolle jedoch der Ueberuahme von Bahnen einzelner deutscher Staaten durch das Reich in keiner Weise zustimmeu; 2) im Hinblick auf die officielle diesbezügliche Aeußerung des Ministers im andern Hause von einer weiteren Interpellation an dieselbe Umgang nehmen. (Fr. I.)

Rottweil, 31. März. In voriger Nacht erhängte sich auf der Bahnstrecke Spaichingen-Rottweil in derGefange- nenzelle des Eisenbahnwagens, nachdem er sich kurz zuvor noch mit dem Landjäger unterhalten, der frühere Schiffwirth Pfeifslevon Tuttlingen, welcher im vorigen Jahre vom Schwur­gerichtshose hier wegen gefährlicher Mißhandlung seiner Ehefrau zu Ist, Jahren Gefängnis; (in Hall) verurtheilt worden war. Von dort hatte er letzter Tage wegen des Gantverfahrens gegen ihn beim O.A.Gerichte in Tuttlingen zu erscheinen. (Sch. K.)

Entgegen der vielfach verbreiteten Nachricht bezüglich der Reise der Exkaiserin Eugenie durch Mittel-Deutschland hat das Bad.Bade-Blatt" die zuverlässigste Mitiheilung aus London erhallen, daß die Exkaiserin und ihr Sohn seit Wochen Chislehurst nicht verlassen haben.

Berlin, 29. März. Zum Direktor des Reichsgesund­heitsamts ist nunmehr definitiv der Oberstabsarzt Dr. Struck berufen.

Berlin, 31. März. Das Hülfs-Cassen-Gesetz wurde nach den Beschlüssen des Reichstages vom Bundesrathe ange­nommen. (Fr. I )

Aus Bremen wird jetzt amtlich bestätigt, daß Thomas ein geborener Amerikaner war und Alexander Keith hieß. Sein Vater und Oheim besaßen daselbst eine Brauerei. Nach vieler­lei Schwindel betrog er seine Geschäftsfreunde um 200,000 Doll, und verschwand. Im Jahr 1866 tauchte er in Deutschland auf.

Es ist schändlich, der Königin Victoria nachzusagen, sie strebe nach dem indischen Kaisertitel, um dereinst ihrer Tochter, der deutschen Kronprinzessin, nicht nachzustehen. Eltern freuen sich, wenn's ihre Kirder noch höher bringen als sie selber ; dem Herrn Rath macht's eine Freude, wenn sein Sohn Geheimer Rath, und dem Herrn Kirchenrath, wenn sein Sohn Generalsuperinten­dent wird. Der Königin Luise von Preußen wars f. Z. eine große Freude, auch nur zu ahnen, daß ihre kleine Tochter Char­lotte eine große Zukunft haben werde, und diese Ahnung ging in Erfüllung, denn Prinzeß Charlotte wurde Kaiserin. Nicht die Kronprinzessin Victoria, sondern ihre heimischen Töchter und Schwiegertöchter stecken hinter dem erstrebten Kaifertitel, weil sie sich um den Vorrang und Vortritt zanken. Die Gemahlin des