Der Gesellschafter.

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 40.

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Samstag den 1. Upril.

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Tages-Neuigkeiten.

Stuttgart, 28. März. In der ersten Sitzung der Abgeordnetenkammer befanden sich außer der fchon milgetheilten Interpellation der Volkspartei und Ultramontaneu unter den eingelaufenen Gegenständen noch folgende Anträge und refp. Fragen bezüglich der Übertragung der Eisenbahnen an das Reich. Erstens der Antrag der deutschen Partei und Regiernngs-Parler, Schund, Sarwey und Genossen, welcher lautet: Die Kammer möge aussprechen, es sei zwar Abhülfe der Mißstände im deutschen Eisenbahnwesen anzustreben, nicht aber die Erwerbung der deutschen Eisenbahnen durch das Reich. Die Kammer möge daher ihre Zustimmung zu dem Uebergang der würtlembergijchen Bahnen in die Hände des Reiches versagen. Zweitens, der Antrag der Minorität der deutschen Partei, Elben und Genossen, dahin gehend: die Regierung zu ersuchen, auf Erlaß eines wirksamen Reichs-Eisenbahn-Gesetzes hinzuwirken. Wenn nur die Wahl zwischen dem Uebergange der preußischen Bahnen an das Reich oder dem Uebergewicht des preußischen Eisenbahn-Systems bleibe, so wolle die Regierung sich für Reform des Eisenbahnwesens durch das Reich erklären. Die Tagesordnung führt nun zu verschiedenen den Etat betreffenden Gegenständen. Lerwilligt wurden: Für Civilliste 1,836,686 12 L; Appanagen,-

lhume rc. 262,976 38 Renten 467,00? ak 20 ^>;

Entschädigungen 62,782 <^° 65 ^>; Pensionen 1,218,220 «ck; Quiescenzgehalte 19,000 stk; Gratialicn 295,000 stk; Geheimer­rath 73,175 -Hr Oester len erinnert den Herrn Minister an die versprochene Verfassungsänderung der Abschaffung des Geh.Raths, welches Gesetz, wie Minister v. Mittnacht bemerkt, bereits aus- gearveitel und im Referat und Correserat fertig, also noch an den Landtag gelangen kann. Mo hl hält die Abschaffung des Geh.Raths für kostspielig und zweckwidrig, v. Mittnacht erwiderte, die Kammer habe das Gesetz mit überragender Mehrheit verlangt und die Regierung willfahre also nur einem Kammerbeschlutz. Der Etat des Justizdepartements wurde mit 3,333,001 -ck 43 L verwilligt. Schließlich legt Minister v. Mittnacht noch einen Gesetzentwurf über die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes und über den Bau von Eisenbahnen im Etatsjahr 1876/77 vor. Außer­dem Ausbau der begonnenen Bahnen erscheinen als neu 1) Bahn von Heilbronn nach Eppingen und 2) von Kißlegg nach Wangen.

Eßlingen, 28. März. Unter großem Zusammenlaus von Neugierigen erfolgte heute Mittags 1 Uhr der Transport des Hezel in die Eisenbahn und dessen Ueberbringung in das Pönilentiarhaus zu Stuttgart, nachdem er heute Vormittag auf die Nichtigkeitsklage verzichtet hatte. Es herrschen im Publikum vielfach Zweifel darüber, ob nun in Hezel's Verurlheilung zu 15 Jahren Zuchthaus die Strafe für sein nächstes Attentat auf den Untersuchungsgefangenen Zeeh mit inbegriffen sei. Nach den Erkundigungen, die wir an maßgebender Stelle eiugeholt, ist diese Frage zu bejahen, sofern nicht die dem Zeeh von Hezel zugefügte Verwundung einen tödtlichen Ausgang nimmt. In letzterem Falle, d. h. wenn Zeeh stirbt, würde eine abermalige Verhandlung gegen Hezel erfolgen und ohne Zweifel auf ein Tode s-U rtheil erkannt werden. In Zeeh's Befinden hat eine Aenderung sich noch nicht ergeben. (N. Tagbl.)

Ueber die Rei ch s eis en b a h n e n wird sich der preußische Landtag znnächst zu entscheiden haben, da ihm die betreffende Zulage zngegangen ist. Was die andern deutschen Staaten betrifft, so ist die Lage vorläufig folgende: Bayern will nicht nur gegen Veränderungen in seinem Eisenbahnwesen, sondern auch gegen den Erwerb der preußischen Bahnen durch das Reich eintreten. Württemberg will seine eigenen Bahnen erhalten wissen, beobachtet aber in Beziehung auf die Abtretung der preußischen Bahnen an das Reich vollkommenes Stillschweigen. In Hessen-Darmstadt ist das Bedürfniß nach Opposition gegen den Reichskanzler wesentlich geschwunden, seitdem der Staat die ober-hessischen Bahnen erworben hat. In Sachsen find neuerdings, wie es heißt, auf Betreiben des Königs Albert, mit den Verwaltungen mehrerer Privat-Eisenbahn-Ge. sellschaften, namentlich der Leipzig-Dresdener Bahn, Verhand­lungen wegen Ankaufs dieser Bahnen für den Staat eingeleitet worden, und dieses Unternehmen hat auf die Gegner der Reichs­

eisenbahneu abtuhlend gewirkt. Wenn das Prinzip in Sachsen richtig und ausführbar ist, so wird man sich schwerlich gegen das Reich ereifern könne», falls dieses, soweit Umstände und Verfassung es erlauben, dasselbe Prinzip für sich in Anspruch nimmt. Von Seiten Badens endlich ist nach der neuesten Sach­lage Widerstand nicht zu erwarten.

Wien, 25. März. Hier ist soeben eine interessante Brosch ü re erschienen, me nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als eine feierliche Kriegserklärung der ö streich i s ch e n ll ltra m o n tan en gegen die deuyche Zenrrumsfraktion und die süddeutschen Patrioten. Der Per,asser dieser Schrift der bekannte ultramonlane Geschichts­schreiber Baron Helfert, der sich hinter oem Pseudonym:Ein öst- relchycher Katholik" verbirgt. Den Anlaß zum Familienzwiste boten die Auslassungen der historisch-politischen Blätter über Oestreich und die Orient,rage. Die hiesigen Ultramontanen und diesmal darf man hinter den Freunden Lev Thuns die ganze Partei suchen konstatiren mit großer Entrüstung, daß in Deutschland lediglich di» Römlinge auf eine Annexion Deutsch-Oestreichs sinnen. Zahlreiche Belege und Zitate in der Broschüre erhärten dies, während auf der anderen Leite die Rede Treitschkc's im deutschen Reichstag, in welche er u. A. sagte: . . . Ich würbe es für das gräßlichste Unglück halten, wenn jemals Oegreich zusammendräche . . ." als Beweis dafür gilt, daß der Kaiser- jtaat vom liberalen Deutschland nichts zu fürchten habe. Dieses merk­würdige Geständnis; versetzt aber unsere Ultramontanen in eine um io größere Aufregung gegen ihre Gesinnungsgenoffen im Deutschen Reiche uno sie tlagen sie daher auchdes vochverraths an dem Sittengesetz und der revolutionären Gesinnung" an. Insbesondere die süddeutschen Ul- lcamontanen kommen in der Helfcrt'schen Lchcift übel weg. Jörg's Aus­lassungen werden einefreche Anmaßung" und einverblüffendes Zeugniß politischer Impotenz" genannt; der ganzen Partei wird der Borwurf derFntvnsequ.nj, oec Deukunsähigkeil und der politischen Gewissenlosig­keit" gemacht; in vielen scharfen Ausfällen wettert der Autor gegen seinelieben Brüder" mit einem Nachdruck, daß man den Radikalsten aller Radikalen zu hören glaubt und schließlich kündigt er an, daß seine Parteiangesichts solch' ruchlosen Beginnens von kirchlicher Seite" sofort mit den Liberalen Oestreichs sich vereinigen wolle zu einer erbitterten Gegenwehr gegen ein Treiben, das unerhört und vernunftwidrig sei. Baron Helserl verfügt über ein Material in der beregten Richtung, das man sich kaum reichhaltiger denken kann. Ec scheint die Reden und die Lchristen der deutschen llltramontanen seit langen Jahren gesammelt zu haben, um endlich eine ausführliche Anklage gegen sie zu erheben.

Paris, 27. März. Die Königin von England, welche, auf der Durchreise nach Deutschland, heute in Cherbourg erwar­tet wird, hat sich bei der französischen Regierung jeden offiziellen Empfang oerbete», da sie das strengste Jncogimo zu beobachten wünsche. Ist bereits in Baden Baden angekommen.

Versailles, 29. März. Die Kammer bewilligte ein­stimmig einen Kredit von 1,750,000 Fr. für die lleberschwemmten.

Der Culturkampf d. h. der Conflict zwischen der rö­mischen Hierarchie, welche die staatlichen Gesetze nicht als verbindlich für sich anerkennen will, und dem modernen Staat, welcher darauf besteht, daß innerhalb seiner Rechtssphäre keine andere Autorität gelle als die seine, wird bald nicht mehr auf Deutschland be­schränkt bleiben. Der Antrag des neuen französischen Unterrichts­ministers Waddington, die Ertheilung der academischen Grade dem Staate vorzubehalten, d. h. die Universitäten der Jesuiten der staatlichen Controte zu unterwerfen, hat einen heftigen Wuth­ausbruch der klerikalen Organe zur Folge gehabt.Der Krieg ist erklärt!" rufen sie aus, und drohen schließlich mit dem äußersten Widerstande des katholischen Gewissens.

Das schon erwähnte Breve des Papstes, worin er gegen die Duldung nichtkatholitischer Kulte in Spanien protestirt, ist vom 4. März daürt. Es schließt mit folgendem Proteste:Noch einmal prolestiren wir im Verein mit den Bischöfen und dem größten Theile der Gläubigen Spaniens dagegen, daß die Tole­ranz der nichtkatholischen Kulte Gesetzeskraft erlangt, wir prote- stiren dagegen als gegen eine Verletzung der Wahrheit und der Rechle der kath. Kirche. Würde diese Duldung zur Thatsache, so wäre damit der Verbreitung des Jrrthums und in zweiter Linie der Verfolgung der kath. Kirche Thür und Thor geöffnet. Eine Unzahl von Nebeln würde sich über diese erhabene Nation ergießen, welche von jeher diese Religionsfreiheit mit Unwillen von sich zurückgewiesen hat, welche mit ganzer Seele an der von den Vorfahren ererbten Religionseinheit hängt, die so innig mit den Denkmälern und Ueberlieferungeu der Geschichte, der Sitten und des Ruhmes dieser Nation verflochten ist." Der Ruhm der spanischen Nation beruht wohl nach päpstlicher Ansicht vor­nehmlich auf der löblichen Sitte der Ketzerverbrennung.