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Der Antrag Frege wird angenommen. — Hülsenfrüchte 1 vkL; angenommen. — Gerste. In zweiter Lesung ist beschlossen 1 Frege beantragt: Gerste 1'/- Malz 3 Zeitz beantragt: Malz 2 ^75^,. Der Antrag Frege wird mit 206 gegen 135 Stimmen angenommen. — Raps, Rübsat u. s. w. Die zweite Lesung beschloß 2 ^ Frege beantragt für Leinsaat, Baumwollensamen, Palmkerne, Ricinussamen und Kopra Zollfreiheit. Angenommen. Oele. Frege beantragt für Speiseöle 10 für Baumwollsamenöl und Oelsäure 4 vfL Angenommen. Zum Schluß der Sitzung erscheint Noch der Reichskanzler. — Nächste Sitzung morgen: Russischer Auslieferungsvertrag. Spanischer Handelsvertrag.
— Graf Herbert Bismarck, der älteste Sohn des Reichskanzlers, der bisher Gesandter im Haag war, soll zum Unterstaatssekretair im Auswärtigen Amt ernannt worden sein, weil sein Vater ihn um sich zu haben wünscht. So berichtet die „National-Zeitung", die in derselben Nummer mitteilt, daß über das Vermögen der Witwe des verstorbenen bekannten Abgeordneten Dr. Schulze-Delitzsch der Konkurs eröffnet worden ist.
Gcrges-Weirigkeiten.
Stuttgart, 13. Mai. Während der Kaisermanöver, welche in der Nähe von Ludwigsburg sich abspielen und in dreitägiger Dauer kriegsmäßige Uebungen der Divisionen gegen einander, ferner ein Manöver des ganzen Armeekorps gegen einen markierten Feind, endlich die große Parade dem obersten Kriegsherrn vorsühren, sollen die Kompagnien auf volle Friedensetatstärke komplettiert werden. Zu diesem Behufs gelangen Mannschaften des Beurlaubtenstandes Heuer in um so größerer Menge zur Einstellung, als neben dem üblichen Wachkommando von 180 Mann per Regiment über die Zeit der Anwesenheit des Kaisers in Stuttgart noch eine besondere Verstärkung abkommandiert wird, welche den Ehrenwachdienst im Königlichen Schlöffe zu versehen hat.
Stuttgart, 13. Mai. (Strafkammer.) Heute Vormittag wurde der Beleidigungs-Prozeß der evangelischen Geistlichkeit contra „Beobachter" verhandelt. Die Klage ist vom K. Konsistorium und den Generalsuperintendenten des Landes gestellt, und bezieht sich auf einen Artikel des Beobachters vom 28. November v. I., welcher gegen die evangel. Geistlichen des Landes gerichtet ist. Angeklagt ist der verantwortliche Redakteur des „Beobachters", E. Binder. St.-Ä. Degen beantragte eine Gefängnisstrafe nicht unter 2 Monaten; die Verteidigung (N.-A. Kapp) Freisprechung eventuell Geldstrafe. Das Urteil wird nächsten Mittwoch 11 Uhr verkündigt.
Reutlingen, 12. Mai. Laut telegraphischer Nachricht wurde der mit unterschlagenen Geldern durchgebrannte Kemmler, samt der mitgenommenen weiblichen Begleitung, in Antwerpen von der Polizei angehalten. Ueber die Auslieferung desselben wird mit den zuständigen belgischen Behörden noch verhandelt.
Aus Rheinhessen, 12. Mai. Das Jahr 1885 hat dem Winzer viel versprochen und scheint wenig zu erfüllen. Die Eis-Heiligen Pankratius und Servatius machten empfindlichen Hagelschlag und Eis; in den Weinbergen von Oppenheim, Nierstein, Nackenheim, Bodenheim u. s. w. hat der Frost bedeutenden Schaden angerichtet. Ein großer Theil der Gärten ist total erfroren und von den Landorten laufen die traurigsten Nachrichten ein.
London, 12. Mai. Im Central-Criminalgerichtshofe begann gestern die Schwurgerichtsverhandlung gegen die der Urheber- s ch a f t d e r Dynamit-Explosionen im Tower und im W e st m i n st e rp a l a st beschuldigten Irländer James Gilbert und Henry Burton. Die Anklageakte bezichtigt Gilbert und Burton des Hochverraths zweiten Grades, welches Verbrechen seit 1848 nicht mehr mit dem Tode bestraft wird. Die Verhandlung wird voraussichtlich mehrere Tage in Anspruch nehmen.
beschäftigten Gastwirt deutete, „und das hat allen Badegästen sofort eine Gänsehaut gegeben. Ach, es ist wirklich ein Jammer und ein Unglück für uns arme Bergführer!"
„Soll denn wirklich dieser Jnigo Torreguy wieder in den Bergen sein?" fragte Jsmael mit allen Zeichen des Entsetzens.
„Freilich ist's nur zu wahr", mischte sich der Gastwirt in die Unterhaltung, „aber er mag sich diesmal hüten; es liegen Truppen in allen Dörfern an der Grenze entlang, um die Bewegungen der Carlisten zu überwachen ; sie werden sich angelegen sein lassen, zu gleicher Zeit diesen Banditen bas Handwerk zu legen."
Jsmael atmete erleichtert auf.
„Gott, wie beruhigt mich das, was Sie da sagen, Herr Wirt; ich habe einen wahren Graus vor den Banditen und namentlich vor diesem fürchterlichen Jnigo."
„Nun, so ein reicher und sparsamer Mann wie Sie, Herr Jsmael Gantz, hat auch wohl einigen Anlaß zur Furcht vor den Wegelagerern, obwohl eine kleine Erleichterung Ihres Geldbeutels Sie gerade nicht unglücklich machen würde."
Jsmael warf dem Wirt einen giftigen Blick zu und wollte eben eine bissige Antwort geben, als von der Straße her das Rollen eines Wagens hereindrang, den Wirt veranlaßte das, an die Thür zu eilen, um zu sehen, ob Gäste seiner bedürften. Kaum sah sich Jsmael mit den beiden Gebirgs- führern allein, als er plötzlich Ton und Verhalten änderte und mit gedämpfter Stimme fragte :
„Was habt Ihr mir zu melden? Habt Ihr mir etwas zu übergeben? Warum seid Ihr hier?"
Juan wiegte sich leicht in den Hüsten und antwortete spöttelnd:
„Das sind drei Fragen auf einmal. Ich werde mich bemühen, sie der Reihe nach zu beantworten. Zunächst aber habt Ihr uns wohl Mitteilungen zu machen, und zwar denke ich recht gute Neuigkeiten."
WevmifchLes.
— Ein bemoostes Haupt. In einem Alter, welches die uns von der Bibel zugemessene Frist übersteigt, hat ein Student der Berliner Universität vor einiger Zeit die medizinische Doktorwürde erlangt. Der Nestor der Berliner Studentenschaft, der csnä. mcä. Schultheiß, steht im 74. Lebensjahre. Schon im Jahre 1833 ließ er sich zuerst an der Berliner Universität immatriculieren, studierte bis 1837 Theologie und bestand das Staatsexamen. Dann ging er hinaus in die Weltj die Heiden zu bekehren und wirkte von 1837 bis 1881 in Südafrika als Missionar. In den sechs- ziger Jahren war er der Begleiter des Professors Fritsch auf dessen Forschungsreisen in Afrika. Im Jahre 1881 kehrte Schultheiß nach Berlin zurück und ließ sich hier zum zweitenmale inskribieren, um Medizin zu studieren. Nachdem er nunmehr nach vierjährigem, mit dem Eifer und der Frische eines Jünglings betriebenem Studium sein Doktorexamen bestanden, gedenkt er zu promovieren und sich sodann in Südafrika, seiner zweiten Heimat, als praktischer Arzt niederzulassen.
— Unsere braven Seeleute fangen schon an, sich in Kamerun zu langweilen. Einem von der Rhede von Kamerun und von Bord der mittlerweile nach Kapstadt abgegangenen Kreuzerfregatte „Bismarck" in die Heimat gesandten Privatbriefe, datiert vom 20. März, entnimmt die „N.Stett. Z." Folgendes: „Rings herum nichts als Wasser und dichter Wald, kurz Gegend, lauter Gegend. Drei Monate liegen wir nun bereits in dieser öden und toten Ecke, alle Tage dasselbe Schauspiel; nicht einmal Neger bekommt man zu sehen. Die Lebensnahrung ist fast ausschließlich auf Konserven bestimmt; selten erschachert man unter kolossalen Anstrengungen einen Ochsen oder eine Ziege, wobei sich der Preis für ein Pfund Fleisch auf 1 ^ bis 1 20 stellt. Die Ochsen sind überaus klein von Gestalt. Außer
dem müssen sie ebenso wie die Ziegen erst im Walde aufgesucht und eingefangen werden, was zuweilen nicht leicht ist. Wenn man lange hier liegen würde, würde man schließlich ganz abstumpfen und eines schönen Tages selbst Neger sein. Alles bleibt sich hier gleich: die Gegend, die Beschäftigung, die Langeweile, die Gewitter, welche sehr stark sind, die Hitze, durchschnittlich 29 bis 30° Celsius, und — der Durst. Jede Abwechslung, das Erscheinen eines Dampfers, der nach kurzem Aufenthalt wieder von dannen fährt, der zeitweilige Besuch eines Europäers u. s. w. wird mit gespanntem Interesse verfolgt. Das Interesse und die Aufregung steigen, wenn eine Post in Aussicht ist und endlich eintrifft. Jeder will einen Brief haben und vor dem Bureau sammeln sich ganze Haufen von Leuten. Und mancher geht enttäuscht von dannen, wenn nichts für ihn eingetroffen ist. Man sagt: Nach dieser Zeit kommt eine andere, und diese andere Zeit dürfte auch demnächst für uns an- brechen. In Kamerun herrscht unter dem straffen Regiment des Admirals Knorr Ruhe und Ordnung. Ab und zu werden Neger, welche lange Finger machen, oder sonst etwas ausfressen, vor ihn geführt und im Beisein von Dr. Büchner, mehrerer deutscher Kaufleute und Negerhäuptlinge zu 25 resp. 50 Hieben verurteilt, welche Strafe sofort vollzogen wird." _
LiLtevcrrisches.
— Die Stenotachygraphische Gesellschaft, über ganz Deutschland und Nordamerika verbreitet, lehrt eine Geschwindschrift, die es ermöglicht, achtmal schneller zu arbeiten als mit der gewöhnlichen Schrift. Etwa 40 Schriftzeichen und 18 Regeln dienen zu Trägern der ganzen deutschen Sprache, weshalb man im Stande ist, sich diese Kunst durch Selbstunterricht in wenigen Stunden anzneignen. Da dieses System wissenschaftlich und schnellschristlich die bisherige Stenographie bedeutend übertrifft, hat es in Lehrerund Predigerkreisen wie auch beim Militär rc. schnell Eingang und die größte Anerkennung uud Stütze gefunden. Es sind bereits zwanzigtausend Schüler in gegen achttausend Orten vorhanden; dreihundert Lehrer wirken für die fernere Ausbreitung und zwei Zeitungen zu Berlin in dieser Schrift erscheinend, sorgen für die Belehrung und den Zusammenhang der Kunstgenossen.
Der vorzüglich bearbeitete Leitfaden mußte bereits in 12 starken Auflagen gedruckt werden und kann dieses sauber ausgestattete Werk mit 16 Seiten Typendruck und 8 Seiten photographischer Wiedergabe der Uebungen Jedermann nur empfohlen werden. Dian bezieht das Buch direkt durch den Erfinder Herrn A. Lehmann bl, große Hamburgstraße 381 franko bei Einsendung von M. 1. —
„Noch nicht, noch nicht", wehrte Jsmael ab; „erst in Cauterets werde ich selbst die näheren Mitteilungen erhalten."
„Gut denn also; bis in Cauterets können wir warten", bemerkte gravitätisch Biaritz.
„Was Eure Frage angeht, ob wir Euch etwas zu übergeben haben, so bedaure ich, daß wir auch nicht den armseligsten Piaster für Euch haben. Die Ernte war verteufelt schlecht, und seit acht Tagen haben wir uns keinen Schluck Wein mehr gönnen dürfen, weil die Mittel uns fehlten."
„Und das Gewächs aus dem vorigen Herbst ist so vortrefflich", seufzte Biaritz, indem er sehnsüchtig sich die Lippen leckte.
„Wir sind deshalb ganz glücklich, daß wir Euch trafen, Herr Jsmael; wir wissen, daß Ihr ein rechtes Herz habt, und uns gern zu einer guten Flasche
Jsmael Gantz ließ den Spanier nicht ausreden; er zog die Augenbraunen zusammen und antwortete mit finsterem Gesichte:
„Holla, für was siehst Du mich an? — In Deinem Geschäfte solltest Du gerade so wenig als möglich an die Flasche denken, damit Dir der Kopf klar und die Füße sicher bleiben, wenn Du an den Abgründen herumkletterst —
„Dank Euch für den guten Rat, alter Schmutzfink", knurrte Biaritz, indem er Jsmael mit scheelen Augen maß.
Wahrscheinlich hatte Jsmael diese freundlichen Worte deutlich verstanden, und er mochte schnell bei sich überlegt haben, daß es nicht gut sei, sich einen solchen Herkules in den wilden Pyrenäen zum Feinde zu machen; denn er bezwang schnell die Einreden seines Geizes und sagte zu Juan, daß derselbe für seine Rechnung eine Flasche Wein kommen lassen möge.
(Fortsetzung folgt.)