60 . Jahrgang.

Mo. 58.

Amts- uaä Jatekkigenzbkatt für äen Kezirk.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12

Samstag, äen 16. Mai 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 »L 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 ^ 30 sonst in ganz Württemberg 2 70

ArrrtLiche Mekcmntrncrchurrgerr.

'FoLitifchs Wactzvrchterr.

Bekanntmachung der K. Centralstelle für die Landwirt­schaft, betreffend die Aufnahme von Zöglingen in die Ackerbauschulen.

Mit dem Ablauf des Schuljahres 1884/85 wird eine Anzahl von Zög­lingen in die Ackerbauschulen zu Hohenheim, Ellwangen, Ochsenhausen und Kirchberg ausgenommen. Es werden daher diejenigen Jünglinge, welche in die eine oder die andere Ackerbauschule einzutreten wünschen, aufgefordert, sich innerhalb 4 Wochen, von heute an gerechnet, je bei dem Vor­st eheramt der betreffenden An st alt zu melden. Die Aufzu­nehmenden müssen das 17. Lebensjahr zurückgelegt haben, vollkommen gesund, für anhaltende Feldarbeiten körperlich erstarkt und mit den gewöhnlichen landwirtschaftlichen Arbeiten bekannt sein, die Kenntnisse eines guten Volks­schülers und die Fähigkeit besitzen, einen einfachen Vortrag über Landwirt­schaft und deren Hilfsfächer aufzufassen. Kost, Wohnung und Unterricht er­halten die Zöglinge für die von ihnen zu leistenden Arbeiten, woneben sie nach Maßgabe ihrer Leistungen und ihres Verhaltens je am Schluß des Schuljahrs noch mit besonderen Prämien bedacht werden können. Etwaigen Bedürftigen kann außerdem eine Unterstützung in Aussicht gestellt werden.

Mit dem Eintritt in die Schule ist die Verpflichtung zu übernehmen, den vorgeschriebenen Lehrkurs, welcher in Hohenheim, Ellwangen und Ochsen­hausen 3 Jahre dauert, in Kirchberg zunächst auf 2 Jahre bestimmt worden ist, vollständig durchzumachen, und zu diesem Zweck im Fall der Aushebung zum Militärdienst von der Vergünstigung, sich zurückstellen zu lassen, Ge­brauch zu machen.

Den Eingaben, in welchen die bisherige Laufbahn des Bewerbers dar­zulegen ist, müssen ein Geburtsschein, Impfschein, ein Zeugnis des Gemeinde­rats über das Heimatrecht und das Prädikat des Bewerbers, über den Stand und den etwaigen Grundbesitz des Vaters und das dem Bewerber etwa von seinen Eltern anfallende Vermögen, sowie eine schriftliche Einwilligung des Vaters, beziehungsweise Vormunds zum Besuche der Ackerbauschule beiliegen.

Die Bewerber, welche nicht durch besonderen Erlaß zurückgewiesen werden, haben sich am

Montag, den 13. Juli d. I., morgens 7 Uhr,

zur Erstehung einer Vorprüfung in Hohenheim einzufinden.

Stuttgart, den 9. Mai 1885. Für den Präsidenten:

S ch i t t e n h e l m.

Feuilleton.

Im Abgründe.

Roman von LouiS Hackenbroich. (Verfasser des Romans:Ein Vampy r.-)

Fortsetzung.

Ein leichtes Gefährt hielt vor dem Gasthause von Pierresitte, der letzten Station vor Cauterets in wundervoller Lage am Fuße der Pyrenäen und am Zusammenflüsse von zwei kräftigen Bergbächen, welche aus den Schluchten von Bareges und Cauterets herabeilen. Dort lag auch die äußerste fran­zösische Poststation nach der spanischen Grenze hin. Ein Mann kroch aus dem Wagen hervor und betrat das Gasthaus; wir erkennen in der bizarr und altmodisch kostümierten Erscheinung ohne Weiteres Jsmael Gantz, der trotz der sommerlichen Wärme am ganzen Körper zu frieren schien und sein Gesicht halb in ein ehemals rotes Wollentuch steckte, als wäre es Mitte De­zember gewesen. Er rannte fast den Wirt über den Haufen, als derselbe ihm höflich entgegen kam, und stürzte in voller Hast auf den Herd zu, auf welchem eben ein Auerhahn briet ; jedoch war es nicht der duftige Braten, der ihn anzog, sondern die Wärme des Platzes. Der Gastwirt trat von Neuem mit aller Höflichkeit auf ihn zu und fragte ihn als einen alten Bekannten nach seinem Befinden.

Schlecht, schlecht", antwortete Jsmael Gantz, indem er seinen ewigen Husten hören ließ;ich bin halb erfroren."

O", versetzte der Wirt,das Wetter wird heute noch warm werden, und wenn Sie ihren Weg nach Cauterets fortsetzen, Herr Gantz denn ich nehme an, daß Sie nach Cauterets gehen"

Freilich gehe ich nach Cauterets", erwiderte Jsmael mürrisch, denn dort finde ich einzig die Quellen, die meinem Zustande ein wenig Linderung verschaffen."

Deutsches Reich.

Stuttgart, 12. Mai. Das Resultat der zweitägigen Debatten in unserer Kammer über die Malzsteuer ist ausgefallen wie vorauszu­sehen war. Trotz der heftigen Angriffe gegen die Steuer, ist dieselbe mit 47 gegen 34 Stimmen zum alten Satze von 10 M. pr. 100 Kg. angenom­men worden. Von dem Oberfinanzrath v. Moser wurde gegenüber den gegentheiligen Behauptungen klar und deutlich nachgewiesen, daß in den weit­aus meisten Bezirken des Landes die Ueberwälzung der Steuer auf den Biertrinker eine ausgemachte Sache ist, und daß der Rückgang des Brauerei­gewerbes in Württemberg nicht auf die Malzsteuer, sondern auf den Maschi­nenbetrieb, der den großen Brauereien ihre Ueberlegenheit über die kleinen sichere, zurückzuführen sei. Es war kaum nötig, daß der Finanzminister schließlich noch mit dem schweren Geschütz vorrückte, indem er Namens des K. Staatsministeriums eine Erklärung verlas, in welcher es hieß, daß die k. Regierung für den Fall der Nichtbewilligung des vollen Malzsteuergesetzes genötigt sein werde, die Erhöhung der Grund- und Gebäudesteuer in Erwä­gung zu ziehen, und außerdem die außerordentlichen Exigenzen für als dring­lich bezeichnet«» Bauten an der Universität Tübingen u. s. w. im Betrage von etwa 650,000 M. zu sistiren. Wer noch schwankte, wurde durch diese Erklärung inne, daß die Malzsteuer schließlich das einzige annehmbare Mittel ist, um den Etat zu balancieren, und so kam eine verhältnißmäßig große Majorität zu Gunsten des alten Malzsteuergesetzes heraus. Versuche, eine Ermäßigung der Steuer wenigstens vom I.Äpril 1886 an herauszuschlagen fanden unter diesen Umständen auch nur ein sehr mäßiges Entgegenkommen. Jetzt werden seit drei Etatsberatungen die Versuche wiederholt, die Malz­steuer herabzusetzen, immer vergebens.

Berlin, 12. Mai. Im Reichstag kam heute die Konvention mit Madagaskar zur Beratung. Richter spricht gegen dieselbe; dieselbe habe keinen Wert, da nur Schnaps dorthin ausgeführt werde. Das Klima sei für Europäer mörderisch. Reichskommissar v. Kusserow : Der Handel nach Madagaskar sei sehr erweiterungsfähig, deutsche Kolonien wolle man dort keine gründen. Die Konvention wird genehmigt, ebenso diejenige mit der Transvaal-Republik und Birma, sowie der Vertrag über die Be­strafung der Jagdfrevel zwischen Belgien und Deutschland. Sodann wurde der Nachtragsetat in zweiter Lesung angenommen. Es folgt Fort­setzung der dritten Lesung der Zolltarifnovelle. Haber. In zweiter Le- fung wurde ein Zoll von 1 beschlossen. Frege beantragt 1'/, Frhr. Hans v. Ow 2 Die Freisinnigen wollen Beibehaltung von 1

Womit kann ich Ihnen denn aufwarten?" fragte der Wirt und zitierte in geläufiger Rede den ganzen Küchen, und Weinzettel, den sein Haus für den Tag vermeldete. Aber Jsmael versetzte noch mürrischer:

Ich denke, ich habe weder Durst noch Hunger, und will blos warten, bis mein Kutscher sein Tier getränkt hat."

Der Wirt sah ein, daß er seine Höflichkeit nutzlos verschwendet hatte und ließ den Alten sitzen, indem er bei sich über den schmutzigen Geizhals schimpfte, der jedes Jahr in seinem Hause einkehrte, ohne jemals mehr zu beanspruchen, als die Wärme seines Küchenherdes. Als Jsmael sich einiger­maßen erwärmt fühlte, erhob er sich, um nach seinem faulen Kutscher zu sehen, der keine Eile zur Weiterreise zu haben schien; in diesem Augenblicke gewahrte er, daß dicht in seiner Nähe zwei Männer standen, die darauf warteten, daß er sie erkannte. Der Eine war groß und stark, mit braunem, hartem Gesichte, ein wirklicher Kraftmensch des Hochgebirges; der Andere klein und hager, mit pfiffigem, lachendem Schelmengesicht; beide trugen das Kostüm der Basken, des spanischen Gebirgsvolkes, dem sie nach ihrem ganzen Typus auch angehören mußten. Als sie sich von Jsmael erkannt sahen, grüßten sie ihn mit einer Höflichkeit, in der ein starkes Maß Ironie lag.

Ei, Du Biaritz und Du Juan!" sagte Jsmael Gantz mit erstauntem Tone.Was führt Euch denn nach Pierresitte?"

Wir haben blos eine kleine Promenade gemacht", antwortete mit Schel- menton Juan, der Kleinere der Beiden,das hält uns die Beine wacker, die uns in Cauterets steif werden wollen, weil keine Badegäste mehr in das Ge­birge geführt sein wollen; die haben eine Heidenangst vor den Banditen, und kein Mensch hat mehr den Mut, sich hinauszubegeben."

Die Memmen I" sagte verächtlich der Andere, den Jsmael mit dem Namen Biaritz angeredet hatte, und strich seinen martialischen Schnurrbart.

Man hat ihnen ins Ohr gesetzt, daß Jnigo Torreguy, der famose Banditenhauptmann, wieder in den Pyrenäen aufgetaucht sei", nahm Juan wieder das Wort, indem er mit blinzelnden Blicken auf den nicht weitab