ANtsblülL für deL OderaMtsbezirl Nagold.

Erscheint wöchentlich 3mal unv lostet Ni'. 88. !halbjährlich hier söhne Trägerlohn)

!l M. 60 Psg., iür den Bezirk 2 M.

Samstag den 30. Mi.

Inscrationsgebühr für die Zspaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 Psg., bei mehrmaliger je 6 Pfg.

Amtliches.

Nagold.

Postsache.

Die Wahrnehmung, daß die an die Behörden des Bezirks hinausgcgebenen besonderen Wrrthzeichen für den amtlichen Bezirks-Verkehr sowohl für Sendungen, die an sich portofreie Dienstsache sind, wie Militär-, Kirchen-, Stiflnngs- und «chul- sachen, als auch für Sendungen an Behörden außerhalb des Oberamtsbezirks verwendet werden, wodurch in beiden Fällen der Amtskorporation unnöthige Kosten erwachsen , und daneben im letztgenannten Fall die Behandlung der Postsendungen als unsrankirter eintritt, gibt dem Oberamt Veranlassung, die be­treffenden Behörden unter Hinweisung aus die im Amtsblatt Nr. 67 bekannt gemachten Ansführungsbestimmungen' zu der zwischen der Postverwaltung und der Amtskörperschaft Nagold abgeschlos- senen Uebereinkunft hinsichtlich der Landpostanstalt, insbesondere Punkt 3, Abs. 4 und 5 und Punkt 4, Abs. 7 und 8 wiederholt darauf aufmerksam zu machen, daß

1) die für den amtlichen Post-Verkehr des ganzen Landes bestehenden Portofreiheiten auch innerhalb des Oberamtsbezirks gelten und durch die Aufhebung des Bezirkslandpostboten-Vertrags in nichts geändert wurden und

2) die für den portopflichtigen amtlichen Verkehr innerhalb des Oberamtsbezirks geschaffenen besonderen Werthzcichen nicht zu Sendungen außerhalb des Oberamtsbezirks verwendet werden dürfen.

Den 28. Juli 1875.

K. Oberamt.

Güntne r.

LageS-Nenigkeiten.

Tagesordnung derStraskammer des K. Kreisgericht s- bofs Tübingen. Freitag den 30. Juli, Vormittags ll Uhr: An­klagesache gegen Michael Stockinger, lediger Taglöhnec von Altenstaig Dorf, wegen Diebstahls-Rückfall.

Die 1. Knabenschulstelle in Dettingen u./U. wurde dem Schul­meister Wendel in Wildberg übertragen. ^

Vom 1. August d. I. an findet bei der ersten täglichen Personenpost von Herrenberg nach Nagold der Abgang aus Herren­berg um 4 Uhr 45 Min. Morgens und die Ankunft in Nagold um 6 Uhr 30 Min. Morgens (zum Anschluß an den ersten Zug nach Calw rc ) statt. In umgekehrter Richtung, sowie bei dem zweiten täglichen Postkurs zwischen den genannten beiden Städten, tritt eine Aenderung nicht ein.

Stuttgart. Der Generalpostdirektor des Deutschen Reichs, Herr v. Stephan, ist gestern hier angekommen und hat mit mehreren höheren Beamten der König!. Eisenbahndicektion und der Postdirektion verkehrt.

Wie diePresse" mittheilt, hat der Kardinal Fürst Hohen­lohe vor einigen Monaten direkt an den Papst geschrieben und ihn gebeten, seine Rückkehr nach Rom nicht zu verlangen, da ihm das dortige Klima nicht zusage; hiefür berief er sich auf ärztliche Zeugnisse und der h. Vater hat ihm dieser Tage mittelst eines Breves seinen Wunsch gewährt.

Unter den im verflossenen Jahre aus dem Großherzogthum Hessen nach Bremen ausgeführten Gegenstände befinden sich 197 , Kilo Menfchenhaare mit einem declarirten Werthe von 10,244 Mark.

Berlin, 23. Juli. In der Prenzlauer Straße hat ge­stern eine Frau Horst aus Nahrungssorgen sich und ihre drei kleinen Kinder durch Kohlendunst erstickt. Es ist das während 8 Tagen der zweite derartige Schauerfall.

! Mayen, 20. Juli. Der 15jährige Sohn der Wittive Busch verfolgte gestern Abend, so schreibt die ,Mayer Vztg.", den Lauf des Blitzes am Firmament, als plötzlich ein Blitzstrahl sdas Gewölk durchzuckte und mit greller Helle die Finsterniß durch- fdrach, um eine noch größere Dunkelheit folgen zu lassen. Der 'Zunge tappte nach Hause und bat dann plötzlich die Mutter, doch "Acht anznzünden, es sei ja stockfinster in der Stube. Die Mutter, die Anfangs glaubte, der Junge wolle Scherz treiben, gab ihm keine Antwort, da er offenen Auges ihr gegenüber stand und

gerade in das brennende Licht hineinschaute. Erst auf wieder­holtes Bitten um Licht, denn er habe Schmerz in der Dunkelheit an den Augen, erkannte die Mutter zu ihrem Entsetzen, daß der Junge stockdlind war. Einsender will sich persönlich davon über­zengt haben, daß die Blindheit in demselben Maße noch heute vorhanden ist, trotzdem die Augen klar und hell sind.

Halle, 2>. Juli. Der königliche Staatsanwalt veröffent­licht unter dem Titel:Ei n Wurf mit d em Tin ten f asse", Folgendes : Ein hiesiger Arbeiter fühlte sich durch Zuschickung des üblichen Steuerzettels unangenehm berührt, weil er, wenn auch nur kurze Zeit, in Amerika verweilt hatte und deshalb von der Lteuerpflicht mehr oder weniger eximirt erachtete. Die Vorder- und Rückseite des Steuerzettels füllte er mit beleidigenden Bemer­kungen, klebte einen in gleicher Weise beschriebenen Wisch noch auf und setzte dem Magistrate auf Grund seiner überseeischen Erfahrungen auseinander, daß Besteuerung eben so viel sei wie Diebstahl. Außerdem fügte er noch das Andenken des Königs Friedrich Wilhelm III. beschimpfende Aeußerungen hinzu und schickte dann Alles an den Magistrat zurück, natürlich ohne Bei­fügung der von ihm geforderten Steuerquote. Der Magistrat nahm keine Veranlassung, von den ihm ertheilten Rathschlägen und Belehrungen Gebrauch zu machen, übergab vielmehr die Sache dem Staatsanwalt. Bei der mündlichen Verhandlung am 8. v. M. meldete sich der Angeklagte nicht; es wurde daher das Contumatialverfahren eiugeleitet und mit Rücksicht auf den hohen Grad dummdreister Frivolität des Angeklagten und dessen inzwischen ermittelter, unter seinem wahren Namen wegen schweren Dieb­stahls erfolgter Bestrafung mit mehrjährigem Zuchthanse, von dem Staatsanwalt eine 6monatliche Gefängnißstrafe beantragt. Kaum hatte sich das Kollegium zur Berathung zurückgezogen, so erschien Angeklagter, der bisher im Zuschauerraum verweilt, und trat mit dem Verlangen, daß die Verhandlung wieder aus­genommen werden solle, an den Staatsanwalt heran. Dieser, dem sein brüskes Wesen auffiel, verwies ihn zur Ruhe unter dem Hinzusügen, daß er nichts mehr mit ihm zu sprechen habe. Desto mehr habe ich mit Ihnen zu sprechen, Herr Staatsanwalt", entgcgnete selbstbewußt der Steuerverweigerer und ließ sich, die Arme untergeschlagen, dem Staatsanwalt seine Kehrseite zuwendend, in der historischen Napoleonsstellung von dem versammelten Pub­likum bewundern. Das Auftreten des Angeklagten war so her­ausfordernd, daß der Staatsanwalt und der dienstthuende Gerichts­bote ihn scharf im Auge behielten, ein im Zuschauerraum befind­licher Gendarm aber durch Aufsetzen des Helmes und Herab­lassung der Schuppenketten zur Beistandleistung sich rüstete. Nach dem Wiedereintritt deS Collegiums und nach Ablehnung des vom Angeklagten gestellten Antrags erfolgte die Verkündigung des Strafurtheils. In dem Moment der Publikation des vom An­träge des Staatsanwalts entsprechenden Strafantrags ergriff Angeklagter blitzschnell das vor dem Staatsanwalt stehende höl­zerne Tintenfaß, schwang es um sein Haupt, wobei die Wand, die Akten des Staatsanwalts selbst und ein Richter mit Tinte besudelt wurde, warf es dann in der Richtung nach dem Vor­sitzenden und traf einen der Beisitzer vor die Brust. Von da

! sprang das Tintenfaß ab auf das an der Rückwand befindliche Oelgemälde des vom Angeklagten noch im Grabe beschimpften Königs Friedrich Wilhelm III. Von Gerichtsboten, Staatsan- j malt und Gendarm, welch' letzterer die Barriöre übersprang, fest- , gehalten, sollte er in Folge richterlichen Beschlusses zur Haft ab­geführt werden. Hiebei zeigte sich der Verurtheilte äußerst unge- derdig, traf, um sich schlagend, den Gerichtsboten und versetzte dem Gendarmen mehrere Stöße auf Brust und Arm. Dieses

Verhalten führte ihn am 16. d. Mts. von Neuem auf die An­

klagebank. Seine Ueberhebung, die unter anderem in der zum Gefängniß-Jnspektor gethanen Aeußerung:Die Gartenlaube" und der Reichstag würden sich mit seinem Fall zu beschäftigen haben", hervorgetreten, war noch nicht gewichen; nur daß der Wurf einen Beisitzer getroffen, schien er zu bedauern und bestritt, nach dem Vorsitzenden geworfen zu haben.Warum auch", er­klärte er trocken, wenn ich einen treffe» wollte, hätte ich ja den Staatsanwalt viel näher." Bezüglich des Widerstandes meinte er, daß,wenn vier Hunde über Einen kämen, dieser sich wehren