Stuttgart, 1. Juni. Die Europäische Lebens Versicherung^- und Rentendank, Tübingecslcaße 19, wurde gestern Abend gerichtlich geschlossen.
Hechin gen, 30. Juni. Gestern Nachmittag ging über dem Killerthal, dem Qucllengebiet unserer Slarzel, ein furchtbarer Wolkenbruch nieder, in Folge dessen das sonst kleine Flüßchen zum reißenden Strome anschwoll. Die Flulhen brachten Holz, Gartenzäune, Bäume, Lelegraphenstangen, Wiesenfutter rc. als Zeichen angerichteter Verheerung. Auch hier wurde das auf dem Starzelwörth abgelagerte Bauholz zum größten Lheile vom Wasser fortgerissen und sollen einzelne Bauunternehmer dadurch einen Schaden von mehreren Lausend Gulden haben.
In Eisenach hat der bekannte Pauor a. D. Rieth seine Stimme in Sachen des Kultur-Kampfes erhoben und in ferner „Stimme der Kirche" folgende Enthüllung zu Lage irrten lassen: „Was dieser sogenannte Culturkampf fei und zu seoeuien habe, und wohin er führe, das zeigen nns-die schweren Gerichte, nur denen Gott uns jetzt heimsucht, die heftigen Gewitter, die Hagel- Stürme, die Wassergüsse, die Uederschweiiimungen und Verwüstungen, die vornehmlich über unser Thüringer Laus, aber auch über ganz Deutschland gekommen sind. Das ist ein Cultur Kampf, aber nicht ein solcher, welchen die Cultur führt, sondern der wider die Cultur gehet und der Deutschland in eine Wüste verwandeln wird und muß. Daß aber der gegenwärtige Kampf wider die Kirche ein solches Resultat erzielen wird, ist sicher und gewiß."
Fürst Bismarck besitzt mit Einschluß des spanischen goldenen Lließes und des neuerdings empfangenen schwedischen Sepharinen-Ordens nicht weniger als zwei und vierzig Orden. Das erste Ehrenzeichen, das die Brust des jetzigen Reichskanzlers geschmückt hat, war die Rettungsmedaille.
Der „Dr. Anz." schreibt: Durch die Blätter ging vor Kurzem die Notiz, daß in Pirna ein Mann die Grausamkeit gehabt habe, das in einer Mauerlucke eingebaute Nest eines Rothschwänzchens mit Lehm zu verkleben und so die Jungen dem Hungertode zu überliefern. Der ,,Freib. Anz." bezeichnet jetzt als den Verüber dieser Schandthat Len — katholischen Geistlichen in Pirna! Die Aufregung über den Vorfall in Pirna und Umgebung soll so allgemein sein, daß die Rücksicht auf dieselbe jüngst den geistlichen Herrn abgehalten habe, in Lohmen (Dorf bei Pirna) zu dem Begräbniß eines italienischen Arbeiters zu erscheinen. Aus Antrag des Thierschntz-Dereins ist der geistliche unverheirathete Feind der Gatten- und Kinderliebe zu 60 Mark Strafe verurtheilt worden.
Paris, 27. Juni. Der Oberbürgermeister von Berlin, Herr obrecht, ist hier eingetroffen, um die Gemeindseinrich- tungen'von Paris zu studiren. Er wurde gestern vom Fürsten Hohenlohe empfangen, der sich beeilte, ihn mit dem -Leine- und Polizei-Präfekten in Verbindung zu setzen.
lieber eine schauerliche Unthar aus religiösem Wahn wird aus Ungarn berichtet: Müller Czabo, ein 34jähciger Mann in Vasarhely, war vor einigen Jahren zu der Secte der schwärmerischen Nazarener übergetreten und machte sich viele Gedanken, wie er seine früheren Sünden abbüßen könnte. Er bat Leute um Verzeihung, die er früher beleidigt, gab Denen Mehl, die er früher darum betrogen, aber das war ihm nicht genug, und er setzte sich in den Kopf, er müsse sich selbst oder sein Liebstes auf Erden dem lieben Gott zum Opfer bringen. Dem lieben Gott, sagte er, wird ein schuldloses, unbeflecktes Opfer das liebste sein, und er beschloß, sein 18monatliches Töchterlein Gott zu Ehren zu schlachten, wie Abraham seinen Sohn. Wenn Gott keinen Gefallen daran findet, so wird er mir Einhalt thun, erklärte er seiner Frau, seiner Mutter und seiner Schwester. Damit beruhigte er diese, die Anfangs Einsprache thaten, aber dabei sein wollten sie nicht. Er schliff sein Zimmermanns-Beil, legte das arme Kind und das Beil auf den Tisch, kniete nieder und betete, und als das Kind stöhnte, hielt er dies für ein Zeichen und hieb seinem Kinde mit zwei Streichen den Kops vom Rumpfe. In diesem Augenblick kamen die Frauen mit Nachbarn zur Hilfe, aber zu spät. Vor Gericht gestand er, seine That sei zwar ein Opfer, jedoch zugleich ein Mord. Er wurde wegen vorsätzlichen Todtschlags begangen auS religiöser Schwärmerei, zu 10 Jahren Kerker verurtheilt, seine Frau wegen Mitwissenschaft zu 1 Jahr.
Vor Kurzem kommt ein Gesandter zum Chef der Polizei in London und vertraut ihm an, es sei einem jungen Mädchen, von dem man nicht wisse, was und wo es sei, unerwartet eine Erbschaft von mehren Millionen zugesallen. Er bat, die Erbin in aller Stille suchen zu lassen, Aufsehen dürfe nicht entstehen. Der Chef der Polizei war Feuer und Flamme und beauftragte seinen geriebensten Beamten mit der Aufsuchung. Nach sechs Wochen stattete der Beamte seinem Vorgesetzten Bericht ab. — Nun, haben Sie das Mädchen gefunden? — Ja wohl, schon vor einem Monat als Nähterin. — Aber wo ist sie denn? — Bei mir zu Hause! — Bei Ihnen? — Ja; denn ich habe sie geheirathet. —
Durch Zufall ist in der Nähe vom Cap S. Marco in Sardinien eine große und reiche Korallenbank entdeckt wor
den, über deren Ausbeutung es zwischen sicilianischen und neapolitanischen Corallenfischern beinahe zu ernstlichen Tätlichkeiten gekommen wäre. Schließlich gelang es der Behörde, beide Theile zu einer Gesellschaft zu vereinigen, die den Gewinn nach Ver- hältniß der geleisteten Arbeit unter sich theilt. Der Werth der Korallenbank ist so bedeutend, daß am Ende der Saison, wie man annimmt, einige 100,000 Lire zur Verkeilung kommen werden.
Der Ring der Mutter. (Fortsetzung.)
^ Die Freunde und Nachbarn wurden im Schlosse bewirthet, FahrcnschmiR führte Leonie, ihren Gatten und die Gerichtsbeamten in das Sterbezimmer zurück.
Die Wachskerzen wurden hinausgebrachl, die«Fensterläden geöffnet und Joseph beauftragt, Wein zu holen.
Jetzt fand auch Frau von Weinheim sich wieder ein, der Gerichtsdirektor hatte sie bitten lassen, bei der Durchsuchung der hinterlassenen Papiere anwesend zu sein. Sie erwiderte den Gruß des Rektors kalt und gemessen, warf einen forschenden Blick auf den Rechtskonsulenten und nahm dann in dem Sessel Platz, den ihr Fahrenschmidt hingeschoben hatte.
„Sie wünschen also die sofortige Eröffnung des Testaments, wenn ein solches vorgesunden wird, gnädige Frau?" fragte der Direktor , nachdem er sich durch einen Zug aus seinem Glase zu den ihm bevorstehenden Beschwerden gestärkt hatte.
„Es war der Wunsch des Verstorbenen," erwiderte Frau von Weinheim, „zudem ist die Familie versammelt, ein Aufschub also unbegründet."
„Gut, wollen Sie die Güte haben, mir den Sekretär oder Schrank zu bezeichnen, in welchem Herr von Weinheim seine wichtigeren Schriften bewahrte."
„Er steht hier," sagte Fahrenschmidt.
„So bitte ich um die -Schlüssel."
„Ich glaube, wir können die Mühe sparen," nahm Frau von Weinheim das Wort, „mein Gatte hatte das Testament in meine Hände nieder gelegt, ohne mir indes) den Inhalt desselbe mitzutheilen."
Sie überreichte dem Direktor das gut versiegelte Schriftstück, der Rechtskonsulent wechselte mit dem jungen Ehepaar rasch einen bedeutsamen Blick.
Der Gertchtsdirektor prüfte die Aufschrift und das Siegel und öffnete darauf das Couvert.
Es war ein Testament zu Gunsten der Frau Henriette von Weinheim und ihres Sohnes, Leoniens wurde nur vorübergehend gedacht.
Kein Zug in dem Antlitz der gnädigen Frau verrielh den Triumph, den sie feierte, als der Gerichtsdirektor den Inhalt des Dokuments langsam und vernehmlich vorlas, gleich einer Statue saß sie an dem Tische, und nur das Zittern ihrer mit Brillanten geschmückten Hände verrieth eine große Aufregung.
„Ich protestier im Namen meines Klienten, des Herrn Rektors Hammer, gegen dieses Testament," sagte der Rechtskonsulent, „natürlich in der Voraussetzung, daß sich kein Kodizill unter den Papieren des Verstorbenen vorfindet, welches meinen Protest unnöthig macht."
Frau von Weinheim zuckte die Achseln, als ob sie andeu- ten wollte, dieser Protest werde ihr nicht eine einzige unruhige Stunde bereiten.
Der Gerichtsdirektor erhob sich, nahm den Schlüssel von dem Tische und öffnete den Sekretär.
„Ich glaube nicht, daß ein Kodizill sich vorfinden wird," sagte Frau von Weinheim mit schneidender Kälte, „Sie müssen diese Ansicht begreiflich finden, Leonie."
„Wir finden Sie heute allerdings begreiflich, nachdem wir erfahren haben, daß unsere Briefe an meinen Vater unterschlagen worden sind," erwiderte Leonie scharf. „Dennoch kann ich nicht glauben, daß es eine unfehlbare Ansicht sein soll, ich weiß, daß mein Vater mir trotz alledem seine Liebe bewahrt hat."
„Sie wissen das?" spottete Henriette. „AuS welcher Quelle, wenn ich fragen darf?"
„Joseph wird seine Ansichten über diese Angelegenheit geäußert haben," warf Fahrenschmidt ein.
„Bah, albernes Geschwätz," sagte Frau von Weinheim.
„Diese alten Diener betrachten sich gewissermaßen als ei» Stückchen Vorsehung im Hause ihres Herrn. Wenn Sie es auS dieser Quelle haben, dann werden Sie sich in Ihren Hoffnungen getäuscht sehen, Leonie. Sie haben mich stets angefeindet, aber ich nehme das nicht übel, an das Wort „Stiefmutter" knüpfen sich so viele Schreckgestalten, daß man beim besten Willen eine gewisse Abneigung nicht überwinden kann. Nun, ich trage keine Schuld an Ihrem Zerwürfnisse mit dem Vater, im Ge- gentheil, ich darf mich mit dem Bewußtsein beruhigen, daß ich stets auf eine Versöhnung bedacht gewesen bin; krönte der gewünschte Erfolg meine Bemühungen nicht, so kann man nur den Verhältnissen die Schuld beimeffen."
Sie hatte diese Worte langsam, mit einer salbungsvollen Ruhe gesprochen, der unbefangene Zuhörer würde gewiß mit dieser so sehr verkannten und ttefgekränkten Dame einiges Mil-