Amtsblatt für den OtzeraNtstzezirk Nagold.

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Dienstag dm 11. Mai

Amtliches

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Nagold.

An die Ortsbehörden.

Dieselben werden hiemit aufgesordert, über die in ihren Gemeinden in der Zeit vom 1. Juli 1870 bis l. Januar 1875 vorgekommenen hervorragenden Leistungen im gesummten Gebiel der Verwaltung unter Angabe der verursachten Kosten unfehl­bar innerhalb 8 Tagen Bericht zu erstatten.

Den 9. Mai 1875.

K. Oberau;:.

G ü n t n e r.

LageS-Nrnigk-iteu.

Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Ent­schließung vom 6. Mai die erledigte Sttaßenbauinjpeklorsstelle dem Ingenieur Feldweg von Calw gnädigst übertragen. . ^

Die Betriebstrgebnisse der Kgl. Würtl. Staats- Eisenbahnen im Jahr 1873/74 sind in einem soeben un Staats-Anz. abgcdruckten Bericht an den König niedergelegt. Hienach waren am Anfang dieses Jahrs 1123,57 Kilom., am Schlüsse 1177,61 Kilom. im Betrieb. Neu hiiMgekommen sind im genannten Jahre die Bahnstrecken Scheer-Sugmaniigen mit 6,64 Kilom., Horb Nagold mit 23,56 Kilom. und Brötzingen- Calw mit 23,84 Kilom. Die Baukosten mit 178,044,864 fl. haben einen Reinertrag von 3,33°/o abgeworsen gegen 3,90°/» im Jahr 1872/73. Der Reinertrag ist also zmückgegangen, doch nicht wegen verminderter Frequenz, sondern wegen gestiegener Betriebskosten durch Erhöhen von Besoldungen, Steigerung von Matcralienpreisen u. dergl. Die Gesammteinnahmen belaufen sich nämlich auf 18,014,281 fl. 11 kr., die Gesammtausgaben auf 12,139,203 fl. 22 kr., was eine Reineinnahme von 5,875,077 fl. 49 kr. ergibt. Personenbillete wurden verkauft 9,349,267 (117,522 mehr als 1872/73) und zwar 280,387 der 1., 2,517,932 der 2., und 6,450,948 der 3. Klasse. Fracht­güter wurden 1873/74 befördert 56,261,117 Centner, um 5,536,208 Clr. mehr als 1872/73. Von Personen und Reise­gepäck wurden erhoben 5,063,581 fl. 45 kr., von Fahrzeugen und Thieren 301,169 fl. 24 kr. und von Gütern 7,639,030 fl. 12 kr. An Transportmitteln waren vorhanden: 281 Loko­motiven und 260 Tender; 548 Personenwagen mit 1645 Achsen und 28,296 Sitzplätzen, nämlich 870 1., 7398 2. und 20,028 3. Klasse; 8 Gefangenen- und Krankentransportwagcn mit 16 Achsen, 48 Bahnpostwagen mit 96 Achsen, 91 Gepäckwagen mit 298 Achsen und 4103 Güterwagen mit 8890 Achsen, zusammen 4798 Wagen mit 10,945 Achsen. Zur Feuerung der Lokomo­tiven wurden .an Heizmaterial verwendet: 4313 Kubikmeter Holz, 1,201,03 6 Ctr Steinkohlen und 38,704 Kubikmeter Torf.

In Butzbach wurde dieser Tage ein Ziegen-Lamm mit 2 Köpfen, 2 Ohren, 5 Beinen, 1 Schwanz und 4 Augen geboren. Das Thier kam lebend aus die Welt, wurde aber von dem Ei- genthümer getödtet und ausgestopft.

Am Boden see stehen die Kirschenbäume in voller Blüthe und versprechen reichlichen Ertrag. Weniger gut steht es dort mit den Apfelbäumen. Um so mehr läßt sich von den Birnbäumen erwarten.

Aus Verzweiflung über erlittene Mißhand­lungen ist bei Mainz neulich ein Soldat der dortigen Gar­nison in den Rhein gesprungen und hat in den Wellen seinen Tod gefunden. Nichts ist rührender, als der Abschiedsbrief, den er in der letzten Stunde seines Lebens an seine jetzt tief gebeug­ten Ellern geschrieben hat. Dieser Brief macht die Runde durch alle Zeitungen und lautet:Mainz, den 23./4. 75. Liebe Eltern! Wenn Ihr diesen Brief erhaltet, bin ich nicht mehr unter den Lebenden, denn mit dem heurigen Tage habe ich für dieses Leben abgeschlossenst Bis jetzt habe ich Alles mit Geduld ertrage» und immer gedach, daß nach dieser taurigen Zeit wieder eine andere folgt. Aber was zu toll ist, ist zu toll. Heute Mit­tag hatten wir Turnen und Bajonettiren, und ich sollte heute zum ersten Mal schon pariren und stoßen wie ein Dreijähriger; weil das nicht Alles klappte, wurde ich von Lieutenant Götz II. so geohrseigt, wie es mir während meiner Rekrutenzeit noch nicht vorgekommen ist. Ich kann das nicht länger überleben und muß

der Sache ein Ende machen. Liebe Müller, ich bitte Dich viel tausendmal um Verzeihung für das, was ich jetzt lhuc, aber cs ist nun nicht zu ändern. Tröste Dich und bete zu Gott, daß er meine arme Seele gnädig anfnimmt. Du hast mich unter dem Herzen getragen, hast mich mit Schmerzen großgezogen, und nun muß ich zum Dank so traurig enden. Liebe, gute Mutter, weine nicht zu viel um Deinen Sohn und denke, daß er eines natür­lichen Todes gestorben sei, und daß Alles nichts ist auf dieser Welt. Ich kann nicht mehr schreiben, denn mein Her; strömt über vor lauter Schmerz. Ich wollte auch Onkel und noch so Vielen schreiben, sage ihnen lausend Küsse und Grüße von Deinem treuen Sohn Theodor."

München, 5. Mai. Der deutsche Kronprinz wird näch­sten Samstag hier einlreffen, bei dem preußischen Gesandten diniren und Abends die Reise nach Berlin fortsetzcn.

In Lands Hut haben die Schuhmachergcsell eu zu strikcn begonnen. Sie verlangen Höhen, Arbeitstaris und ab­gekürzte Arbeitszeit. Was die Meister zu thun gedenken, ist noch nicht bekannt; im laufenden Jahr aber dürste das Slrikemachen als ein sehr wirksames Mittel zur Durchsetzung vermehrter An­sprüche sich schwerlich erweisen.

In der bayerischen Oberpfalz wissen die Dummen ganz genau, was gegen die Krätze Hilst: man braucht sich nur am Charfreitag oder in einer den Geistern besonders geweihten Ranhnacht in einem Wasser zu baden, über welches Leichen ge­fahren und Kinder zur Taufe getragen werden. Ein Bauer brauchte dieses kalte Bad mit seiner ganzen Familie und wurde die Krätze richtig los, aber auch sein Leben; denn er starb an Erkältung und seine Kinder liegen schwer darnieder.

Kassel, 7. Mai. Der Circus Car,«' ist heute früh sannnt Restauration und Inventar total niedergebraunt, nachdem Carrs gerade abgezogen. Der Schaden ist groß.

Berlin, 6. Mai. Der russische Botschafter in London, Graf Schuwaloff, wurde gestern von beiden Majestäten empfangen und hat sodann mit denselben allein gespeist. Gestern Vormittag hatte derselbe Conferenzen mit dem Fürsten Bismarck und dem russischen Botschafter am hiesigen Hofe, dem Grasen Gabreli, Abends wiederum mit dem Fürsten Bismarck. Heute Mittag trat Gras Schuwaloff die Rückreise nach London au.

Berlin, 7. Mai. DieGermania" publicirt ein päpst­liches Dekret vom 31. März, wodurch die Wahl Heykamps zum Erzbischof von Utrecht annullirt wird. (N. B.)

Berlin, 7. Mai. Das Herrenhaus beschloß, die Gesetz- Entwürfe, betreffend die Vermögensverwaltung der katholischen Kirchen-Gemeinden und die Aufhebung der Verfassungs-Artikel 15, 16 und 18 durch Plenar-Berathung zu erledigen und geneh­migte die Ectheilung von Corporations Rechten an die Baptisten- Gemeinden.

Berlin, 7. Mai. Abgeordnetenhaus. Erste und zweite Berathung des Klostergesetzes. Der Cullusminister erklärt: Man sei schwach und langmüthig genug gewesen, zuzugeben, daß die Bischöfe sich Rechte anmaßten, die sie in Wirklichkeit nie besaßen; konnte man daraus Rechte herleite», nachdem der Ernst der Ver­hältnisse »ns gezwungen, den früheren Standpunkt aufzugeben? Man habe sich gegen die Lösung der Frage durch die Reichs- Gesetzgebung entschieden. Das Gesetz, welches keineswegs ver­fassungswidrig sei, stelle einen Nothwehr-Akt des Staates zur Aufrechthaltnng seiner angegriffenen Autorität dar. Die Kloster- Orden seien willige Werkzeuge jener Potenzen, die den Umsturz des Staates mit allen Mitteln betrieben. Die Ueberziehung des protestantischen Nordens mit Klöstern sei systematisch erfolgt zu dem von den katholischen Partei-Führern 1851 ausgesprochenen Zwecke, den Protestantismus zu ersticken und die Hohenzollern zu stürzen.

Gera. Eine hiesige Familie hat ihr zweijähriges Kind, welches am 4 April starb, über 14 Tage lang nicht begraben lassen und den Todesfall der Behörde geradezu verheimlicht, weil sie auf die Auferstehung des Kindes warten wollte. Auch sagt man, den Eltern sei geweissagt worden, sie würden Großes an dem Kinde erleben! Doch ist es dem Seelsorger gelungen, die Leute von ihrer religiösen Verirrung abzubringen.