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tung eines glänzenden Gartenfestes in seiner Villeggiatur an der Feier beteiligt ; in Rio war es die dortige deutsche Gesellschaft „Germania", welche die Festlichkeit veranstaltete, und in Porto Allegre wohnten der Fest- frier Herr Konsul Hellwig, Herr Konsul ter Brüggen und der österreichisch-ungarische Konsul Herr Teltscher bei.
Hannover, 27. April. Eine große Volksversammlung wurde heute hier aufgelöst und mit blanker Waffe auseinander getrieben. Der Soz.- Demokrat Schwennhagen aus Berlin sprach über Arbeit, Freiheit und Bildung und bezeichnete zunächst jede Arbeit als eine verwerfliche, welche nicht auf notwendige Bedürfnisse des Lebens gerichtet ist. Auch die Arbeit der Schulen und Universitäten verurteilte er, daraufhinweisend, daß ein unter großen Kosten herangebildeter Richter nicht immer ein Anwalt des Rechts sei. Schließlich sprach er über die religiöse und politische Erziehung des Volkes durch die Schulen, und darauf folgte die Auflösung. Mehrfache Verhöhnung der Polizei gab dieser Veranlassung, von der Waffe Gebrauch zu machen.
England.
— Seit mehreren Tagen bringen englische Blätter die Nachricht, daß ein zweiter Zusammenstoß zwischen Afghanen und Russen stattgefunden hätte, bei welchem die Russen schwere Verluste erlitten. Ein Petersburger Korrespondent der „Daily News" will sogar wissen, daß dabei eine russische Abteilung von 1700 Mann nahezu aufgerieben sei. Dementiert sind diese Gerüchte von russischer Seite bisher nicht.
Hlcrges-WeuigkeiLen.
— Infolge der an den Seminaren zu Nagold, Nürtingen und Eßlingen vorgenommenen ersten Dienstprüfung sind nachstehende Schulamtszöglinge zur Versehung von unständigen Lehrstellen an Volksschulen für befähigt erklärt worden: Nonnemann, Georg, von Althengstett. Mien- Hardt, Jakob, von Würzbach. Mienhardt, Wilhelm, von Würzbach. Lehrer, Gottlieb, von Dachtel. Ehmert, Adolf, von Simmozheim. Heinz, Albert, von Deckenpfronn.
Hildrizhausen, OA. Herrenberg, 28. April. Nicht geringes Aufsehen verursachte gestern nachmittag die plötzliche Verhaftung unseres Schultheißen auf dem Rathause durch Amtsrichter Del in und den Stationskommandanten von Herrenberg. Die gesamte Einwohnerschaft war auf den Beinen, als derselbe durch den Stationskommandanten und einem Landjäger an das Amtsgericht Herrenberg abgeführt wurde. Falsche Beurkundungen und Unterschlagungen sollen ihm zur Last fallen.
Riedlingen, 27. April. Vergangenen Donnerstag traf in dem benachbarten Altheim ein Frauenzimmer, das mit ihrem Vater auf dem Hopfenacker gearbeitet hatte, beim Nachhausekommen ihre Mutter entseelt am Bette lehnend an. Es schien anfangs, als sei die Frau, die seit mehreren Jahren leidend war, eines plötzlichen natürlichen Todes gestorben; aber der herbeigerufene Wundarzt konstatierte einen gewaltsamen Tod, worauf sofort gerichtliche Untersuchung eingeleitet wurde. Nunmehr sind Vater und Tochter selbst verhaftet und ins hiesige Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert worden.
Rottenburg, 27. April. Eine ungewöhnliche Zufuhr erregte diesen Vormittag die Neugierde der hiesigen Bevölkerung. Aus dem Hohen- zollernschen her gelangte eine Karawane von fünf mit dürren, kleinen Pferden bespannten Wagen hierher, angefüllt mit Zigeunern und bepackt mit dem zum Aufschlagen von Zelten nötigen Geräte. Landjäger und Polizeimannschaft waren alsbald zur Stelle und der Zug wurde vor das K. Oberamt gebracht. Da die Reisegesellschaft sich hier nicht einmal über ihre Nationalität legitimieren konnte, so wurde ihr vorläufig ein freier Platz außerhalb der Stadt (beim Turnplatz) zum Aufenthalt angewiesen, wo sie nun polizeilich bewacht wird. Die aus 36 Personen beiderlei Geschlechts und aller Altersklassen bestehende Gesellschaft scheint nicht ohne Mittel zu sein und
verköstigt sich selbst. Die Kinder sind sehr verwahrlost, trinken Branntwein und rauchen Tabak. Ein Weib befindet sich dabei, das große Sehnsucht nach ihrem Manne hat, welcher sich als Gefangener im hiesigen Landesgefängnis befindet.
Ulm, 28. April. Heute vorm, brach in einem Schulzimmer der Knabenvolksschule im früheren Realschulgebäude während des Unterrichts ein Stück Decke herab und verletzte 3 Knaben erheblich am Kopfe, andere erhielten Hautabschürfungen. Zum Glück fiel der größere Teil des dicken und festen Materials auf einen freien Platz zwischen den Schulbänken, sonst hätte ein Unglück von Bedeutung geschehen können. Der Fall rief unter den Schülern und Lehrern große Bestürzung hervor, umsomehr als die Decke ohne irgend einen vorausgegangenen Laut plötzlich sich löste und herab- stürzte.
Pforzheim, 28. April. Die Errichtung eines Telephon- Netzes in hiesiger Stadt ist nun gesichert und werden die definitiven Verhandlungen betreffs der alsbaldigen Ausführung mit der kaiserl. Postbehörde beginnen. Zwanzig Teilnehmer sollen es mindestens sein. Bereits haben aber 23 durch ihre bindende Unterschrift sich zur Beteiligung verpflichtet und zweifellos werden noch manche der Einladung des Präsidiums der Handelskammer zum Abonnement Folge geben. — In diesem Sommer wird hier die Baulust wieder eine regere werden, als in den letzten Jahren.
Karlsruhe, 24. April. Als Seitenstück zu dem jüngst auch von uns aus Ebingen berichteten Fall erzählen badische Blätter; das hiesige Schöffengericht hat jüngst einen Fall verhandelt, bei welchem der Ankläger moralisch der Angeklagte und auch der Verurteilte war. Der Prokurist einer Schweizer Firma hatte, wie seinerzeit gemeldet, den Reisenden eines Bruch- saler Geschäfts bestechen wollen, daß er ihm zum Nachteile seines Prinzipals Geschäftsgeheimnisse verrate, von denen der Schweizer sich als Vertreter einer konkurrierenden Firma Vorteile versprach. Der Reisende machte seinem Prinzipal Anzeige, und dieser wandte sich an das Gericht, welches aber in dieser Angelegenheit keinen Rechtstitel hatte. Nun wurde der Versucher in ein Zimmer eines hiesigen Gasthofs bestellt und dort von dem Bruchsaler Fabrikanten und seinem Reisenden weidlich durchgeprügelt. Statt seine Tracht Prügel ruhig nach Hause zu tragen, klagte er wegen Körperverletzung, und der Gerichtshof mußte dem verletzten Gesetzesparagraphen gerecht werden. Der Staatsanwalt beantragte das gelindeste Strafmaß (5 Geldstrafe) und bezeichnete das Gebühren des Schweizers als ein schamloses und unmoralisches, dabei bedauernd, daß bei dem Mangel eines Gesetzes gegen Veruntreuung von Geschäftsgeheimnissen der Ankläger straflos bleiben müsse. — Die hiesige Handelskammer hat beschlossen, wegen Schaffung des betr. Gesetzes zu petitionieren.
WevrrrifcHtes.
— Ein Reklameheld. Barnum, der berühmte Mann des Humbugs und der Reklame, betreibt sein Geschäft in einem Maßstab, der es wirklich verdient, Aufsehen zu erregen. Er beschäftigt ständig nicht weniger als 7000 Personen, Akrobaten, Kunstreiter, Riesen, wilde Männer, Diener, Kontroleure u. s. w. Ferner hat er 400 Pferde und 30 Elephanten. Seine Menagerie besteht aus einigen hundert Tieren, darunter 18 Löwen, 20 Ka- meele, 18 Dromedare, Tiger, Bären, Panther, Giraffen, Zebras rc. Im Winter ist Barnum in New-Aork, im Sommer reist er herum und gibt in 150 Städten Vorstellungen. Von welchem Umfang sein Geschäft ist, davon mögen folgende Zahlen einen Begriff geben. Im vorigen Jahr nahm er in Boston an einem Tag 70,000 ^, in 10 Tagen 437,500 ein. In der Reisezeit betragen seine täglichen Ausgaben durchschnittlich 17,500 die Einnahmen 40,300 sodaß ihm ein täglicher Verdienst von 22,800 bleibt.
Franken davon ab, betrachtete dann aufmerksam die hingezählten Scheine einen nach dem andern, und steckte dieselben, ohne eine Erlaubnis des Grafen abzuwarten, in seine weite Brieftasche zu dem fatalen Wechsel. Der Graf sah ihm mit fast gleichgiltiger Miene zu und that keinen Schritt, um feinen Schatz zu raffen; er hatte nicht mehr den Mut, einen neuen Kampf mit diesem schrecklichen Gegner aufzunehmen; was thaten ihm auch, abgesehen von seinen verschwenderischen Gewohnheiten, in diesem Augenblicke zwanzigtausend Franken mehr oder weniger, da eine ungleich größere Summe, ein ganzes Vermögen dazu erforderlich war, ihn vom gänzlichen Untergang zu retten! Außerdem aber sagte ihm seine*Geistesgegenwart, daß er in diesem Momente, wo ihm von Seiten des Wucherers die schrecklichste Katastrophe drohte, nicht auch noch Schwierigkeiten von Seiten seiner Nichte heraufbeschwören dürfe, daß er vielmehr all' seine Kraft zur Bekämpfung dieses einen Gegners zusammen- halten müsse; er ließ also Jsmael schweigend die Hälfte seines Schatzes an sich nehmen. Ein kurzes Schweigen trat ein, welches der Alte mit den Worten brach:
„Ich sehe, daß Ihnen also nur noch ein einziger Ausweg bleibt."
„Welchen meint Ihr?" fragte der Graf und sein Blick verriet seine
Angst.
„Das Vermögen der Frau Gräfin ist noch sozusagen unberührt; wenn Sie Ihre Bitte mit einem annehmbaren Vorwände versehen, so zweifle ich nicht, daß die Frau Gräfin Ihnen helfen wird."
„Nie. nie! Nein, das ist das Unmögliche!" rief außer sich der Graf aus. „Ihr kennt die Gräfin nicht, mein lieber Jsmael; sie ist die Güte und Selbstverleugnung selbst, wo sie dem freien Zuge ihres Herzens folgt; sie ist unerbittlich fest, wenn sie glaubt, ihr Gewissen verlange Widerstand; oft genug schon hat sie die Kosten von Thorheiten für mich bestritten, aber sie hat mir erkärt, daß sie an der Grenze dessen angekommen sei, was sie für mich thun könne. Ihr väterliches Erbe wird sie ganz und unversehrt
ihrem Sohne bewahren, denn sie betrachtet dasselbe als ein ihr anvertrautes geheiligtes Depot, und nicht Bitten noch Thränen vermöchten sie in dieser Auffassung zu beirren. Nein, an ihrem Entschlüsse würde ich mir den Kopf einrennen, wie an einer ehernen'Mauer!
„Freilich, wenn Sie sie im Glauben lassen, daß ihre Opfer nur dazu dienen, in Gestalten von Spitzen und Juwelen in die Hände der einen oder andern Florimonde zu wandern", warf nachlässig Jsmael ein. „Aber wenn Sie ihr anvertrauen, daß es sich darum handelt, Ihre Ehre, Ihren gräflichen Namen loszukaufen, daß Sie einen Schandfleck auszuwaschen haben, der nur im Zuchthause —"
„Nie, nie, gestehe ich ihr das!" rief der Graf aus und rannte wild im Gemache auf und ab. „Nein, ich würde sie mit dem ersten Worte töten, wenn ich ihr erzählen wollte, daß der Mann, den sie einmal geliebt, dessen Namen sie und ihr Sohn tragen, der menschlichen Gerechtigkeit verfallen ist! Dazu habe ich nicht den Mut und nicht die Grausamkeit!"
Er blieb mitten im Zimmer stehen und sein vorhin aschfarbenes Gesicht hatte sich gerötet und zeigte wieder den von ihm gewöhnlichen Ausdruck von Vornehmheit. Jsmael beobachtete ihn aufmerksam und wartete geduldig ab, bis sein Opfer sich einigermaßen gesammelt und beruhigt hatte; als er glaubte, daß der Graf wieder sich seiner Lage bewußt genug sei und das Verständnis für den ihm auferlegten Zwang wiedererlangt habe, näherte er sich ihm langsam und sagte kalt:
„Hunderttausend Franken, Herr Graf! Ich gebe Ihnen einen Monat Bedenkzeit; vergessen Sie nicht, daß die Galeeren darauf stehen!
Mit einer linkischen Verbeugung wandte er sich zur Thüre und verließ das Gemach und das Haus.
(Fortsetzung folgt.)