212
wisse dies wohl und wünsche heimlich England den Sieg. „Es ist Sache des Zaren und seiner Ratgeber, diese Dinge zu erwägen. Wenn Sie England zum Kampfe zwingen, werden wir Freunde, Rußland aber keine haben, denn wir werden für Freiheit und Zivilisation gegen eingefleischte Militärtyrannei, soziale Korruption und politisches Sklaventum kämpfen." Die „Köln. Ztg." meint dazu: Wir möchten unfern britischen Vetter im Interesse des Friedens ernstlich bitten, sich derlei Hirngespinste auszureden. Wir würden eine gänzliche Besiegung Englands schon deshalb bedauern, weil dieselbe ein allgemeines Kesseltreiben auf englische Kolonien zur Folge haben würde, aber wir glauben nicht, daß sich in Deutschland auch nur ein Arm regen würde, das selbstverschuldete Unheil von England abzuwenden. England wird den Krieg allein ausfechten müssen, und zwar vorwiegend in Mittelasien, wo Rußland nur gewinnen, England nur verlieren kann. Je klarer sich die Engländer über diese Aussicht werden, um so höher werden die Friedensaussichten steigen. Soll England wegen der galligen Laune eines verbitterten Offiziers, den man über die persische Grenze gejagt hat, sich der Gefahr des Verlustes Indiens aussetzen?
Hlcrges-Weuigkeiten.
Stuttgart, 25. April. Gestern Nachmittag kurz vor 4 Uhr drohte in einem Hause in der Hirschstraße im 2. Stock in einem Magazin aus bis jetzt unbekannter Ursache ein Brand auszubrechen, welcher aber ohne Feuerlärm durch die Hausbewohner gelöscht wurde. Der entstandene Schaden an Waren beträgt etwa 150
Freudenstadt, 24. April. Die Eröffnung der Eisenbahnlinie Freudenstadt-Schiltach wird statt im Herbst 1885, wie in Aussicht genommen war, erst im Frühjahr 1886 stattfinden können, da auf badischem Gebiet einige Schwierigkeiten sich ergeben haben.
Glatten bei Freudenstadt, 21. April. Letzten Sonntag kam die Familie Franz von Sigmarswangen, O.A. Sulz, freudigen Herzens zur Konfirmation eines Verwandten nach Lombach, O.A. Freudenstadt, und jubelnd gings abends wieder der Heimat zu. Aber in der Nähe von hier scheuten die Pferde, weil ihnen das Wägelein zu nahe kam, und rasten im Galopp die Steige herab. An einer Wegbiegung wurde das Gefährt mit solcher Wucht umgeworsen, daß der Vater augenblicklich tot war, die Mutter schwer verletzt und in bewußtlosem Zustand aufgehoben werden mußte, und ein Mitfahrender leichtere Kopfwunden davontrug. Nur der 8jährige Knabe wurde vor jedem körperlichen Schaden bewahrt. Zu Hause aber warteten seine Geschwister umsonst der Heimkehr der geliebten Eltern.
Gündringn, O.A. Horb, 20. April. In dem Hause des Maurers Johannes Epple brach heute Mittag Feuer aus, welches, durch den herrschenden Wind angefacht, trotz sofortiger Hilfe durch die Feuerwehr nicht mehr bewältigt werden konnte und das Haus total einäscherte, wobei sämtliches Mobilar verbrannte. Die in großer Gefahr gewesenen Nachbarhäuser gelang es zu retten, deren Bewohner haben aber teilweise geflüchtet.
Vaihingen a. E., 20. April. Infolge der mehrtägigen herrlichen Frühlingswitterung beginnen bereits die Birnbäume zu blühen. Der Weinstock ist gut aus dem Winter gekommen. — Korbmacher Schank hier bekam die Mißgeburt einer Geiße mit 2 Hälsen und 5 Füßen. Das Tierchen lebte nur kurze Zeit. — Unter dem Federvieh ist die Diphterie und unter den Schafen der hiesigen Schäfer die Egelkrankheit verheerend aufgetreten. Der Schaden letzterer soll sich auf mehr als 6000 belaufen.
Biber ach, 21. April. Die Waldbrände in unserem Oberamtsbezirk häufen sich, begünstigt durch eine bald 5 Wochen andauernde gänzlich regenlose Witterung. Sonntag nachmittags gegen 3 Uhr brannte bei Jngoldingen eine Fläche von beinahe 40 Morgen Staatswaldungen nieder.
Das vor dem Feuer flüchtende Wild rannte mitten unter die Menschen hinein. Zu gleicher Zeit brannten zwei Waldstellen bei Erlenmoos und bei Steinhaufen. Der eine der beiden letzteren Brände ist durch zwei kleine Knaben veranlaßt worden, der andere durch eine alte Frau, welche die Wurzeln vom Unkraut verbrannte, es wurden hiedurch 5 Morgen junger Anwuchs zerstört. Ueber die Entstehung des großen Brandes bei Jngoldingen ist noch nichts Näheres bekannt.
Neresheim, 20. April. Bei Utzmemmingen, diesseitigen Oberamts, brannten letzter Tage rund 3 Morgen Waldkultur nieder, welche Eigentum des Spitals Nördlingen ist. — Schwere Feuersbrünste sind von dem benachbarten Baiern zu melden: In Steinheim brannten 22 Gebäude ab, 6 Stück Vieh gingen zu Grunde. Die Abgebrannten sind mit rund 52,000 versichert. Brandstiftung wird als sicher angenommen. In Stillnau sodann fielen dem Feuer 29 Gebäude zum Opfer; ein Knabe verlor das Leben und zehn Personen erhielten teils leichtere, teils schwerere Brandwunden. Auch hier scheint das Feuer gelegt worden zu sein. Von dem ganzen Ort stehen nur noch 10 Gebäude. Die Not ist sehr groß.
Laupheim, 24. April. Vom Mittwoch auf Donnerstag Nacht wurden hier zwei Läden erbrochen und dabei in dem einen die Summe von 700 gestohlen. Trotz energischer Fahndung konnte bis jetzt der Thäter nicht ermittelt werden.
Gaildorf, 23. April. Ueber einen schrecklichen Unfall, der vor einigen Tagen in Hirschfelden passierte, berichtet der „Kocherbote": Ein Restaurateur hatte vor seinem Hause ein Schwein geschlachtet und aufgehängt und wurde davon abgerufen, während dessen sein Hofhund zur Bewachung zurückblieb. Da kam ein 6jähriger Knabe des Wegs an das geschlachtete Schwein. Der Hund springt auf den Knaben los, reißt demselben die Kinnlade weg und zerfleischt sonst noch das Gesicht des Knaben, so daß an dessen Aufkommen schwerlich zu denken ist.
Ravensburg, 21. April. Ein Schutzmann erfuhr gestern durch einen Handwerksburschen, daß in einer hiesigen Wirtschaft ein Fremder sich aufhalte und falsche Stempel fabriciere. Bei angestellter Nachforschung stellte sich diese Angabe als Wahrheit heraus. Der „Fabrikant" wurde festgenommen und auf die Polizeiwache geführt, um daselbst in Gegenwart seines Angebers verhört zu werden. Das war aber kein frohes Wiedersehen für die beiden; sie überhäuften sich mit Schimpfreden, und ehe man sich's versah, ergriff der Stempelmacher einen zufällig daliegenden Hammer und schlug damit den andern auf den Kopf. Nur mit Mühe konnte man dem Wütenden den Hammer entreißen. In den Arrest gebracht, äußerte er sein Bedauern, daß er den „Kerl" nicht totgeschlagen habe. Der Angreifer wurde dann ins Amtsgefängnis gebracht; der Verletzte liegt im Spital.
WevmifchLes.
— Mitgeteilt von dem konzessionierten Bezirksagenten Ernst Schall in Calw: Der Postdampfer „Eider" vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welcher am 15. April von Bremen abgegangen war, ist heute den 25. April 2 Uhr morgens wohlbehalten in New-Iork angekommen."
— Rabeneltern. Ein Schornsteinfegerjunge, der bei einem Hause in Hainbach bei Polkwitz einen kastenartigen Raum zu fegen hatte, sah hinter dem Kasten in einem unsäglich schmutzigen, stallartigen Gebäude ein etwa 16jähriges Mädchen, welches sich in einem schrecklich verwahrlosten Zustande befand. Das Mädchen war die Tochter eines Arbeiters namens Senft- leben, der vor mehreren Jahren als Witwer und Vater eines Kindes, dieses Mädchens, eine zweite Ehe mit seiner jetzigen Frau einging. Die Polizei veranlaßte sofort die Ueberführung des unglücklichen Geschöpfes nach Glogau, wo es jedoch bald verschied. Das Ehepaar soll zur Haft gebracht worden sein.
zu finden, in die er sich verrannt hatte; mit herablassendem Wohlwollen und in familiärem Tone antwortete er:
„Freilich, freilich, Unrecht hattet Ihr, Jsmael, aber das Uebel ist nun einmal geschehen, und alle Klagen der Welt können es nicht mehr ungeschehen machen, vielleicht hat schon in diesem Augenblicke meine Nichte Euer verfluchtes Diamantenkollier am Halse; glaubt Ihr denn, sie erlaubte, daß Ihr es ihr mit Euren schmutzigen Händen wieder auszöget? Und ich selbst, könnte ich ihr diesen Schimpf bieten lassen? Denn ich bin ein Edelmann, mein Lieber, und kenne meine Pflichten als solcher gegen Damen. Ich werde Euch also Euren Diamantschmnck bezahlen, obwohl ich finde, daß zwanzigtausend Franken ein heidenmäßiger Preis sind. Ihr werdet den Betrag zu den tausend Louisd'or schreiben, die Ihr mir vergangenen Winter geliehen habt, und ich erstatte Euch beide Summen zusammen am gleichen Tage."
Diesesmal näherte sich Jsmael, statt der majestätischen Handbewegung des Grafen zu folgen, die ihm den Weg nach der Thür anzudeuten schien, nicht dieser letztem, sondern, dem Sessel, den er vorhin verlassen hatte, und statt wie vorher, sich in aller Bescheidenheit auf den Rand desselben zu setzen, nahm er nun mit aller Bequemlichkeit Platz darauf, die im auffallenden Gegensatz zu seinen sonstigen unsicheren Gewohnheiten stand.
„Der Herr Graf wollen mir vergeben", sagte er, indem er mit großer Bestimmtheit dem Grafen in's Gesicht schaute; „das sind die Bedingungen nicht, die ich mit der Comtesse vereinbart habe. Zwanzigtausend Franken in Bar und zwar heute am Tage, andernfalls . . ."
„Geht mir zum Henker!" fiel ihm der Graf ins Wort, indem er heftig von seinem Sessel aussprang und denselben zurückstieß. „Hat man jemals solchen goldgierigen Menschen gesehen!"
„Ware um Geld!" antwortete Jsmael, und begleitete diese weise Sentenz mit einem kleinen Hustenanfall; für denselben habe ich zu den gleichen Bedingungen noch einen zweiten Liebhaber. Bedenken Sie doch, Herr Graf,
es ist ja fast geschenkt; ein Meisterwerk des berühmten Cordillac, getragen von der Ärinvilliers. . .";
Diesmal entging dem Grafen das höhnische Lächeln nicht, womit Jsmael seine Reklame begleitete. Er trat dicht vor Jsmael hin und sagte mit einem Blicke voll Impertinenz, die indes kaum seine innerliche Unruhe verbarg.
„Ihr spottet meiner, Jsmael! Nehmt Euch in Acht und versucht nicht das Spiel mit mir! Dankt mir vielmehr, daß ich Euch Euer Mißtrauen nicht schlimmer verübele!"
„Es geschieht nicht aus Mißtrauen, Herr Graf, daß ich Ihnen den Kredit verweigere, den Sie von mir verlangen", erwiderte Jsmael mit erheuchelter Gutmütigkeit; „ich erkläre Ihnen vielmehr, Herr Graf, daß ich mit meiner Börse trocken sitze, wie der Jordan im Augustmonat. Gestern erst habe ich dieselbe bis auf den Grund geleert, um einen Wechsel einzulösen."
„Was geht mich das an!" sagte der Graf in schlechter Laune.
Jsmael ließ noch einmal ein hohnvolles Lächeln über sein Gesicht gleiten, ohne sich durch den hochmütigen Blick einschüchtern zu lassen, den ihm der Graf zuschleuderte; langsam stand er von seinem Sitz auf, zog aus seiner Tasche ein altes Portefeuille, das mit einer dicken Schicht Schmutz und Fett bedeckt war, und entnahm demselben einen Wechsel; mit einem gewissen Zeremoniell faltete er das Papier auseinander, nahm die beiden Enden in die Hände und hielt es dem Grafen unter die Augen.
„Ist Ihnen dieser Fetzen Papier bekannt, mein verehrter Freund?" fragte er impertinent, und seine glühenden Augen schienen sich in die Seele des Grafen einbohreu zu wollen.
Dieser ward beim Anblicke des Wechsels furchtbar bleich; zuckend streckte er, wie um sich des Papiers zu bemächtigen, die Hand danach aus; aber schon hatte Jsmael dasselbe mitsamt dem schmutzigen Portefeuille wieder in die Tasche seines langen, altmodischen Rockes verschwinden lassen.
(Fortsetzung folgt.)