KV. Jahrgang.
Wro. So.
Amts- uml Intelligenzbkatt für äen Aezirü.
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Dienstag, äen 28. Äprik 1885.
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für Mai und Juni ladet Jedermann in Ztadt and Fand freund
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Amtliche Bekanntmachungen.
Die Gerichtsvollzieher
des Bezirks werden in Gemäßheit eines Erlasses des K. Justiz-Ministeriums vom 6. d. Mts. angewiesen, von der Benützung solcher Formulare für Versteigerungsprotokolle, in welchen sich neben dem Hinweis auf die gesetzlichen Kaufsbedingungen (Reichs-Zivilprozeßordnung§718) irgend welche weitere (besondere) Kaufsbedingungen vorgedruckt finden, im Hinblick auf die Vorschrift in § 80 Abs. 2 vergl. mit §, 81 Abs. 2 der Dienstanweisung künftighin Umgang zu nehmen.
Calw, 24. April 1885.
K. Amtsgericht.
F r ommann.
politische Wachvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 24. April. (Reichstag.) Fortsetzung der Beratung der Zolltarifnovelle. Zur Position 5, Baumwollgewebe, werden von Grad und Lohren Anträge auf Abänderung der bisherigen Klassifikation gestellt, auf die Erklärung des Staatssekretärs Bötticher hin, daß die Reichsregierung darüber zur Zeit Erhebungen anstellen lasse, wieder zurückgezogen. 6) Spitzen und alle Stickereien, bisher 250 Die Vorlage
will Erhöhung auf 350 «/L, angenommen. — Rohe Gewebe für Schmirgelleinen rc., bisher frei. .Die Vorlage will: Schmirgeltuch 6 Brömel (freis.) : Diese Industrie bedürfe des Zolles nicht, sie habe einen großen Aufschwung genommen. Geheimrat Schraut: Man wolle durch den Zoll die deutschen Tuchfabriken gewöhnen, ihren Bedarf an Schmirgeltuch aus dem Inland zu beziehen. Die Zollerhöhung wird angenommen.
Position 22. Leinengarn rc. Im bisherigen Tarif zahlt Garn Nro. 1—5 3 Nro. 5—8 5 ^ Die Novelle will: Nro. 1—8 5 Ferner eine Abänderung, wonach Kokosgarn auf Erlaubnisschein unter Kontrolle frei sein soll. Die Kommission beantragt Garn Nro. 8—20 von 6 auf 9 zu erhöhen. Witte (freis.) beantragt Rückzahlung des seit 1. Jan. 1884 bezahlten Zolls von Kokosgarn und ist gegen die Erhöhungen. Ebenso Meyer (Halle) und Graf Stolberg. Staatssekretär Bötticher: Das Haus möge sich mit den Anträgen der Vorlage begnügen und die von der Kommission beantragte Erhöhung ablehnen. Buddeberg (Freis.): Die Spinnereien stehen ausgezeichnet. Die Ravensberger Spinnerei habe ihren Export verringern müssen, um der Nachfrage im Inland genügen zu können. Die Spionereien bezahlen starke Dividenden. Staatssekretär Durch a r d: Die Rückvergütung des Kokosgarnzolles könne nur eintreten, wenn eine wirkliche Schädigung nachgewiesen sei. Die Resolution Witte kommt erst in dritter Lesung zur Abstimmung. Gefärbtes bedrucktes und gebleichtes Garn: die Zollsätze d. 1—3, 12 15 20 bleiben unverändert; o.
lautet bisher Zwirn aller Art 36 Die Novelle will: Zwirn 36 akkommodierter Nähzwirn 70 angenommen. Ebenso die Erhöhung des Zolls auf Seile rc. von 6 auf 10 -sL Für Leinwand ungefärbt, unbedruckt, ungebleicht waren im bisherigen Tarif Zollsätze von 6, 12 und 24 ^ Die Novelle will nur noch Zollsätze von 12 und 24 Die Kommission beantragt Zollsätze von 9, 18 und»24 Ferner für Dama st Erhöhung
von 120 auf 150 Ferner für Stickereien nach der Novelle Erhöhung von 100 auf 150 llL, Zwirnspitzen von 600 auf 800 Angenommen. Fortsetzung morgen.
— Nach der „Straßb. Post" hat der Statthalter von Elsaß-Lothringen, Feldmarschall Frhr. v. Manteuffel, einen Brief an den Fürsten Bismarck gerichtet, in welchem er das in Straßburg erfolgte Verbot eines Fackelzugs am Geburtstag des Reichskanzlers vom Standpunkte der Behörden aus begründet hat.
England.
— Die englischen Blätter machen jetzt mehr oder weniger verblümte Anspielungen, daß Deutschland sich in den englisch-russischen Handel mischen und Frieden stiften solle. Der „Standard" schreibt: „Kein größeres Unglück könnte Deutschland und Oesterreich befallen, als wenn England von Rußland besiegt würde; denn Rußland, welches heute schon Mitteleuropa bedroht, würde ungeheuer an Prestige gewinnen und Deutschland stünde dann zwischen dem triumphierenden vergrößerten Rußland und Frankreich, dessen Stunde zum Rachezug gekommen wäre." Das Blatt meint, der deutsche Reichskanzler
Feuilleton.
Im Abgrunde.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „Ein Vampy r.")
Fortsetzung.
Das war also die Persönlichkeit, welche eben dem Grafen Villefleur einen Morgenbesuch machte und von diesem mit einer Art Familiarität empfangen wurde, welche deutlich genug auf ältere Beziehungen schließen ließ.
Bei den Worten des Grafen glitt ein kaum bemerkbares ironisches Lächeln über Jsmaels Gesicht; er hüstelte zwei oder dreimal und sagte dann mit gezogener, näselnder Stimme:
„Ich werde sehr glücklich sein, wenn ich einmal meine Geschäfte mit dem Herrn Grafen regeln kann."
Der Graf biß sich auf die Lippe, aber, als verstehe er die Anspielung Jsmaels nicht, und fragte, indem er den Alten scharf anblickte:
„Was ist denn mit dem Diamantschmuck, den Ihr meiner Nichte verkauft habt?"
„Wunderbare Steine, Herr Graf; sind dreißigtausend Franken wert, so gut wie einen Heller, dazu ein historisches Stück; der berühmte Cordillac hat sie gefaßt und die Marquise von Brinvilliers trug sie bis zur Stunde ihrer Hinrichtung."
„Laßt das Ausschneiden MJsmael", unterbrach ihn trocken der Graf; „ich bin kein Engländer. Antwortet mir klar und ernst, wenn Ihr könnt. Was für eine verrückte Idee hat Euch denn den Kopf verdreht, daß Ihr mit Hilfe eines solch' kostspieligen Lockmittels die Eitelkeit eines jungen Mädchens in Versuchung brachtet, das, wie Ihr doch ganz gut wißt, ohne meine Einwilligung auch nicht über einen einzigen Louisd'or zu verfügen hat."
Jsmael ließ etliche Mal sein kurzes trockenes Hüsteln vernehmen und sagte dann mit einer scheinbaren Ruhe, hinter der sich seine Ränke verbargen:
„Ich weiß allerdings, daß die Comtefse minderjährig ist; auch habe ich ihr die Diamanten nur unter dem Vorbehalt der Einwilligung des Herrn Grafen verkauft; der Handel findet Ihren Beifall nicht; gut, ich bin bereit, von demselben abzustehen."
Damit hatte sich Jsmael erhoben, grüßte mit einer tiefen Verbeugung den Grafen und wandte sich nach der Thür hin. Indes war mit diesem schnellen Rückzuge dem Grafen nicht gedient, der vielmehr auf eine größere Hartnäckigkeit und Verkaufslust Jsmaels fest gerechnet hatte und darauf die Hoffnung baute, Jenem die Bedingungen des Kaufes vorschreiben zu können. Ungeduldig und halbzornig rief er dem Alten nach, als derselbe fast schon die Thür erreicht hatte.
„Aber wartet doch, alter Hitzkopf! Wer sagt Euch denn, daß ich meiner Nichte die Erfüllung dieser kleinen Laune versage? — Wahrhaftig, Jsmael, Ihr seid heute, als trügt Ihr das empfindlichste Herz von der Welt im Leibe! Ueber was für ein Kraut seid Ihr denn heute schon gegangen, daß Ihr so kurz angebunden seid?"
„Vergeben mir der Herr Graf", erwiderte Jsmael mit ironischer Unterwürfigkeit ; „ich fühlte mich von Ihren Vorwürfen getroffen; ja, jetzt, wo ich darüber nachdenke, sage ich mir selbst, daß ich Unrecht hatte, die Diamanten dem gnädigen Fräulein von Grandprö zu zeigen."
Ein unbeteiligter Beobachter wäre in diesem Augenblick betroffen gewesen, von dem Ausdrucke des Triumphgefühls, das in des Wucherers Physiognomie im grellsten Gegensätze zu seiner unterwürfigen Haltung sich malte. Graf Villefleur, ein wie scharf blickender Menschenkenner er auch war, war zu sehr mit der Schwierigkeit seiner Lage beschäftigt, als daß er jene Beobachtung machen konnte; ihm galt es, einen ehrenvollen Rückzug aus der Sackgasse