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in Anspruch nahmen, werden aufgesordert, die Kostenverzeichnisse nach dem in Nr. 75 des Calwer Wochenblattes von 1875 bekannt gemachten Formulare gefertigt hieher einzusenden.
Bei Gemeinden, von welchen solche Verzeichnisse innerhalb 10 Tagen nicht einkommen, wird angenommen, daß keine derartigen Kosten aufgewendet worden sind.
Den 20. April 1885. K. Oberamt.
Flaxland.
Calw.
An die Schnltheißerramler.
Den betreffenden Schultheißenämtern gehen heute die Quittungen über die bis 1. Febr. d. I. für Prüfung und Äbhör der Gemeinde- und Stiftungsrechnungen pro 1. April 1883/84 angefallenen in einer Aversalsumme festgesetzten Sporteln mit dem Auftrag zu, die Sportelbeträge je von den einzelnen Verwaltungen zu erheben und als portopflichtige Dienstsache (ohne Bezirkspostwerthzeichen) spätestens innerhalb 8 Tagen einzusenden.
Den 22. April 1885. K. Oberamt.
Flaxland.
H'otitifche WcrchricHten.
Teulsches Reich.
Berlin, 22. April. (Reichstag.) Fortsetzung der Beratung der Zolltarifnovelle. Baumwolle: Reich, Meyer (Halle), Kalle, Penzig und Graf Hacke stellten Anträge auf Herabsetzung des bestehenden Zolls. Brömel und Bamberger beantragen: Baumwollengarn, für die Fabrikation von mit Baumwolle gemischten Seidenwaren sowie zur Fabrikation von Nähfaden, wenn diese Waren aus dem Zollgebiet ausgeführt werden, unter Kontrole der Verwendung . . . frei. Trimborn (Zentr.) beantragt Zollfreiheit ohne Garantie des Exports. Staatssekr. Böttcher:. Die Regierung könne die Anträge auf Herabsetzung des Zolls nicht accep- tieren, verlange aber auch keine Erhöhung. Grad ist gleichfalls gegen die Anträge. Staatssekretär Burchard erklärt gleichfalls, daß die Reichsregierung die Anträge ablehne v. Fischer: Die Spinnereien können die Aufhebung der Garnzölle nicht ertragen. Es werden alle Anträge a b - gelehnt.
— Die Zolltarifkommission nahm für Raps, Mohn, Sesam, Erdnüsse und anderweitig nicht genannte Oelfrüchte den Zollsatz von 2 vtL an, Leinsaat und Palmkerne sind frei, anderes Oel in Fässern 9 Olivenöl amtlich denaturiert 2 mineralische Schmieröle 10 Oel aller Art in Flaschen 20 „16, Leinöl in Fässern 4 Ein Antrag wegen Rückvergütung des Zolls für Raps und Rübsaat wurde angenommen.
— Die Wahlprüfungs-Kommission des Reichstags erstattet über die Wahl des Abgeqrdneterz im 6. Wahlkreis des Könige. Württemberg'
nur einen mündlichen Bericht. Berichterstatter ist Abg. v. Reinbaben (freikons.). Der Antrag der Kommission lautet: Der Reichstag wolle beschließen: 1) den Beschluß des Reichstages vom 3. März d. I. durch das Schreiben des Reichskanzlers vom 12. April d. I. für erledigt zu erklären. (Der Beschluß hätte gelautet: den Reichskanzler zu ersuchen, über die in dem eingegangenen Protest behaupteten Thatsachen die eidliche Vernehmung der benannten Zeugen veranlassen zu wollen.) 2) Die Wahl des Abgeordneten Payer im 6. Wahlkreise des Königreichs Württemberg für gültig zu erklären.
— Herr F. A. Lüderitz schreibt über Mineralfunde, die Bergdirektor Pohle aus Angra Pequenna gesandt hat: Die gesandten Erze haben sich als ziemlich wertlos herausgestellt, da sie nur Eisen, Blei und Spuren von
Gold und Silber enthielten. Wenn Dr. Schenck, der dem Direktor Pohle (welcher nur Bergmann ist) als Mineraloge beigeordnet war, in der Bai anwesend gewesen wäre, so würde diese Probesendung unterblieben sein. Dr. Schenck war aber im Innern des Landes. Wenn nun geschrieben wird: „Man glaubte bekanntlich, in Angra Pequenna befänden sich Kupfer- und Silberminen, das scheint aber nicht der Fall" — so ist Folgendes darauf zu erwidern: Die Untersuchungen des Direktors Pohle erstreckten sich bislang nur auf die Umgebung der Bai von Angra Pequenna. Von dem Innern ist bis jetzt noch Nichts untersucht. Die Expedition ist auf der Reise dahin begriffen. Wie kann also behauptet werden, das ganze große Gebiet von Lüderitzland sei ohne Erzreichtum, weil in Angra Pequenna auf einer Fläche von einigen Quadratmeilen nichts Wertvolles an Erzen gefunden sei? Das klingt gerade, als wenn jemand behauptete, weil in San Franziska kein Gold gefunden sei, existiere solches überhaupt nicht in Kalifornien. In einem Tausende von Quadratmeilen großen Gebiete kann man doch unmöglich erwarten, daß dem Forscher auf jedem Schritt zu Tage liegendes Erz in die Augen springe. Die Bai von Angra Pequenna ist den Engländern seit Jahrzehnten bekannt, und wenn dort Kupfer, Silber oder andere wertvolle Erze zu Tage lägen, so würde sich wahrscheinlich schon lange eine Gesellschaft zur Ausbeute derselben gefunden, haben. Die angestellten. Untersuchungen ergaben nun bis zum Augenblicke, daß an der Bai selbst kein Kupfer zu Tage tritt. Das weitere Gebiet ist terra inoo^nils und soll eben jetzt, soweit möglich, untersucht werden. In Port Nolloth, südlich vom Oranjeflusse, liegt auch kein Kupfer. Dahinter aber ist die Pokiepmiene, welche eine jährliche Dividende von etwa 60 Proz. giebt, trotzdem eine etwa 60 englische Meilen lange Bahn das Kupfererz zur Küste bringen muß. Hoffentlich werden ähnlich reiche Minenbetriebe auch in Lüderitzland zu konstatieren sein. Indessen heißt's Geduld haben.
Gcrges-WeurgkeiLen.
Stuttgart, 21. April. Seine Königliche Majestät haben auf die HöchstJhnen telegraphisch erstattete Anzeige vom Ableben des Präsidenten des evangelischen Konsistoriums, Staatsrats vr. v. Bitz er, den Hinterbliebenen sofort HöchstJhre aufrichtige Teilnahme an dem Verluste aussprechen zu lassen geruht, von dem dieselben durch den Hingang dieses um Staat und Kirche-Hochverdienten Mannes betroffen worden sind.
Stuttgart, 22. April. Gestern vormittag wurde Herr Präsident v. Bitzer auf dem Fangelsbachfriedhofe unter großer Teilnahme von Leidtragenden zur Erde bestattet. Dem mit Mummen reich' Mchmüchten Sarge folgten der Herr Präsident des Staatsministeriums Dr. v. MNtngcht, sowie die Herren Staatsminister der Finanzen, der Justiz, des Innern Md, des Kultus DD. v. Renner, v. Faber, v. Hölder u. v. Sarweyj ferner die Mitglieder des evangel. Konsistoriums und die Prälaten, fast sämtliche Mitglieder der Kammer der Abgeordneten, der Präsident der Kammer dtzr Standesherren Fürst Zeil, Beamte des Kultministeriumtz, viele Geistliche und Lehrer aus Stadt und Land, Mitglieder der deutschen Partei und zahlreiche sonstige Bürger. Im Trauerhause hatte Prälat Dr. v. Gerok einen kurzen Gottesdienst abgehalten, am Grabe sprach, nachdem der Gesang der Waisenhausknaben verstummt war, Prälat Dr. v. Müller. Dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen gemäß beschränkte er sich auf ein gemeinsames Gebet. Nach demselben trat Vizedirektor v. Schickhardt an das Grab und gab der tiefen Trauer des evangelischen Konsistoriums über das Hinscheiden seines Präsidenten Ausdruck. Sodann hielt Prälat Dr. v. Georg ii als ältester Prälat im Namen des Synodus dem Verstorbenen einen warmen Nachruf und betonte die Verdienste, die sich derselbe um die Ordnung und Führung der evangel. Kirche Württembergs erworben das Wohlwollen, das er stets Geistlichen und Lehrern entgegengebracht, di'
IH.
Kaum war eine Viertelstunde seit dem Weggehen des Kammerdieners verflossen, als schon Jsmael Gantz leise an der Thür des Grafen Villefleur anklopste.
„Ha, sieh da, Ihr seid's, Jsmael", rief ihm der Graf mit hochmütiger Leutseligkeit entgegen; kommt näher, wir haben eine kleine Rechnung miteinander abzumachen." Damit deutete er auf einen Sessel und lud den seltsamen Besucher mit einer Handbewegung zum Sitzen ein.
Jsmael machte eine Verbeugung bis zur Erde und setzte sich demutvoll auf den Rand des ihm bezeichnet«» Sessels, während er mit dem schmutzglänzenden Aermel seines Rockes die längst abgeschabte Seide seines vielfach mißhandelten, hohen Hutes aufzubürsten suchte. Jsmael Gantz war ein kleines Männchen, mit kränklichem, hageren Gesicht. Der niedrige Charakter seiner Physiognomie und die beispiellose, schmutzige Unreinlichkeit seiner ganzen Persönlichkeit flößten von der erster) Sekunde an Ekel und Verachtung ein. Sein von einem Kranze schwarz-grauer, struppiger Haare, die nie den Gebrauch eines Kammes erfahren hatten, umgebener Schädel war von roten und gelben Flecken marinoriert, kleine, stechende Augen leuchteten aus tiefen Höhlen durch buschige Wimpern hervor, und gaben seinem Gesichte den boshaften und tückschen Ausdruck eines Schakals. Jsmael war sich der Nachteile seiner natürlichen Ausstattung voll bewußt, und er hatte es zum Gegenstände eines besonderen Studiums gemacht, die Verdächtigkeit seiner Mienen zu mildern; er gab sich gern einen Anstrich von Einfältigkeit und Gutmütigkeit, aber für den Beobachter und Menschenkenner verdeckte diese Maske nur sehr unvollkommen die Falschheit seiner Augen und die katzenhafte Tücke seiner dünnen, blutlosen Lippen. Der würdige Mann hatte noch seinen besonderen Kniff, der seiner Meinung nach in Mitleid jenes Gefühl des Abscheus verwandeln sollte, als dessen Gegenstand er sich beständig fühlte; ehe er etwas zu fragen oder eine Antwort zu geben pflegte, ließ er stets einen kurzen trockenen Husten vernehmen. Indes hatte dieser Kniff auch noch einen andern praktischen Zweck, er gewann bei demselben einige Zeit zum Nachdenken und zum Zurecht
legen seiner Worte, und je nachdem er es für notwendig erachtete, konnte er denselben einen größeren oder geringeren Nachdruck geben, ohne dem ersten Impuls des Augenblicks zu folgen. Jsmael Gantz war der vollendete Typus eines ganz ordinären Wucherers, an denen übrigens Paris überreich ist, und die man spottweise die Vorsehung der Muttersöhnchen genannt hat. Er war von unersättlicher Geldgier, und ungleich seinen Berufsgenossen von der hohen Bank. die nur dann die Geschäfte abschließen, wenn es klipp und klar eine erkleckliche Summe abwirft, gab er sich nicht weniger Mühe um eine Profitchen von etlichen Franken, wie um die Fälle, wo einige Banknoten für ihn abfielen. Wie alle Menschen dieser Sorte war Jsmael hündisch unterwürfig gegen diejenigen, die seiner nicht bedurften und gegen solche, welche er zu seinen Opfern ausersehen hatte, dagegen anmaßend und rücksichtslos gegen die, sobald sie nichts mehr besaßen, um seine ruinierenden Dienstleistungen zu bezahlen. Sein Geiz war nicht geringer, als seine Geldgier, und der einzige Genuß, wofür er Verständnis hatte, war eben der Besitz des Goldes; er liebte im Gewinn nur den Gewinn, nicht die Quelle von Genüssen; ja, hätten die jungen und alten Verschwender der vornehmen Gesellschaft eines Tages zu existieren aufgehört, er hätte wahrlich angefangen, Wechsel auf sich selbst zu ziehen, nur um das Glück weiter zu genießen, daß er diskontieren und Prozente berechnen konnte. Unter der ausschließlichen Herrschaft einer solchen Leidenschaft stehend, konnte Jsmael nicht allzu gewissenhaft in der Wahl seiner Mittel sein, die ihm eben zur Befriedigung seiner Gier dienen sollten, und in der That waren in gewissen Kreisen wahre Meisterstücke von Schurkerei bekannt, die er verübt hatte; wenn er bis dahin noch keinen öffentlichen Strauß mit Frau Justitia auszufechten gehabt hatte, so lag das einerseits an der List und Verschlagenheit, womit er zu Werke gehen pflegte, andererseits an der Scheu seiner den vornehmen Kreisen angehörenden Opfer, sich und ihre Freunde und Familie in der Oeffentlichkrit zu kompromittieren.
(Fortsetzung folgt.)