Amtsblatt für de» OberamtsbeM Nagold.

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Lag-S-N-uigkeil-n.

»» Nagold, 1. Febr. Am gestrigen Sonntag halten wir die Freude, den als eifriger Gegner der sozialdemokratischen Be­strebungen und thätiger Mitarbeiter der inneren Mission bekann­ten Pfarrer Schuster in unserer Stadt begrüßen zu dürfen. Er hielt die Vormittagspredigt über das sonntägliche Evangelium. Zur Einleitung wurde bewiesen, daß sich unsere Zeit in zwei Richtungen von früheren Zeiten unterscheide, nämlich dadurch, daß einestheils das Wort Gottes mehr als früher verachtet und gering geschätzt, anderntheils aber auch reichlich verkündigt werde. Nun ging Redner zur Thätigkeit der innern Mission über. Dieselbe habe sich zur Ausgabe gestellt, das Reich Gottes in unserem neugegründeten deutschen Reiche zu bauen. Es wurden nun die einzelnen Zweige der inneren Mission näher beleuchtet, z. B. Verbreitung der hl. Schrift, Rettung verwahr­loster Kinder, für welchen Zweck etwa 400 Anstalten in Deutsch­land vorhanden seien (Württemberg hat deren gegen 30), Kin­dergottesdienste oder freiwillige Sonntagsschulen, besonders in größeren Städten, Jünglingsvcrcinc n. s. w. Bei der speciellen Betrachtung des Gleichnisses vom Sämann kamen zur Sprache: die große Zahl von Namenchristen, die Hausgottesdienstc, welche mehr und mehr in Abgang kommen, freiwillige Armcnvereine, sozialistische Bestrebungen, der irdische Sinn unseres Geschlechts u. drgl. Den Schluß der Predigt bildete eine Ernste Mahnung an die zahlreich auch von auswärts versammelten Zuhörer, mitzuhelsen am Aufbau des Reiches Gottes tiach dem Wort Christi: Ihr seid das Licht der Welt und das L,alz der Erde!

Nachmittags hielt Pfarrer Schuster im Rathhaussaale vor einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft aus der Stadt und Um­gegend einen längeren Vortrag über die Bestrebungen der So­zialdemokraten, wobei er sehr interessante Mitthcilungen machte über die Ausbreitung der Sozialdemokratie in Deutschland, haupt­sächlich durch Agenten und Tagesblätter (deren selbst Stuttgart eines hat), sowie über ihre Agitationsweise und die Ziele ihrer Thätigkeit. Letztere seien nichts Geringeres als der Communis- muö oder die Gütergemeinschaft, der Atheismus, d. h. die Leug­nung Gottes, und schließlich der Republikanismus. Redner ent­rollte hiebei ein sehr düsteres Bild. Man bekam Glaubenssätze aus sozialdemokratischen Blättern zu hören, vor denen einem die Haut schauderte, so daß die Feder sich sträubt, sie niederzu- schrcibcn. Wie man nun den durch die Sozialdemokraten dro­henden Gefahren zu begegnen habe und wie deren Bestrebungen zu bekämpfen seien, glaubt Redner das Mittel nicht in dem Ba­jonett zu finden, sondern darin, daß vor allem in unfern Her­zen eine lebhaft flammende brüderliche, werkthätige Liebe entstehen und daß an die Stelle der sozialdemokratischen Anschauungen unsere christliche Weltanschauung trete, indem das lebendige Chri­stenthum der festeste Wall der Sozialdemokratie gegenüber sei. Redner schloß mit den Worten: In dem Grad, in dem unser Volk der christlichen Weltanschauung im Denken und Leben sich entfremdet, wird die sozialdemokratische Lebensanschauung wach­sen, und umgekehrt.

Stuttgart. (Verhaftung.) Am gestrigen Tage wurde Herr Bankier G. L. Schweitzer, dessen Insolvenz unlängst ge­meldet wurde, verhaftet.

Stuttgart, 28. Jan. Schillings hundertjähriger Ge­burtstag wurde gestern in dessen Vaterstadt Leonberg von dorti­gen Bürgern und Stuttgartern Gästen gefeiert. Diaconus Lang hielt eine Festrede im Rathhause, während die Schuljugend einen Fackelzug veranstaltete, der vor Schelling's Geburtshause endete.

In Tübingen hielt Professor Reiff eine Festrede.

Baiersbronn, 28. Jan. Wieder wurde hier ein 136 Pfund schweres Wildschwein erlegt, im Forstbezirke das achte Stück im Laufe dieses Winters. (S. M.)

In L a up he im wurde am 29. ds. die Haushälterin eines israelitischen Handelsmanns während seiner Abwesenheit ermordet und demselben verschiedene Werthgegenstände gestohlen.

Pforzheim, 28. Jan. Johannes Scherr, der Republi­kaner, der kühne Freisinnige, richtet seine Keulenschläge gegen die heutigen Commnnismusprediger, die nur dem Militärdespotismus und der pfäsfischen Bevormundung in die Hände arbeiten, indem

j er aus die Gefahr hinwcist, daß auch bei uns ein Versuch ge- ! macht werde, gewaltsam eine neue Gesellschaftsordnung einzusühren. Er sagt:Dafür sorgt ja der Dämon der Lnmpagogie, welcher alle ungebrannten, abgebrannten, ausgebrannten, hirnverbrannten Existenzen, das ganze wanzenhasl wuchernde Catilinariat um seine Fahnen sammelt, um den großen Feldzug gegen das Eigenthum, gegen die Familie, gegen die Gesittung zu führen. Das gemein­same Merkmal dieser caülinarijchen Apostelschaft ist die nieder­trächtige Volksschmeichelci, welche allezeit von Volksrechten und niemals von Volkspfiichten redet, nicht an die besseren Instinkte der Massen sich wendet, sondern an die schlechtesten, nicht das Ehr- und Nechtsgcsühl derselben zu erwecken sucht, sondern nur die gemeinen und thsrichten Gelüste zu stacheln weiß. So streuen diese verblendeten, meist an der Klippe der Halbbildung gescheiterten Menschen eine Unheilsaat, für deren Gedeihen nur allzu viel Boden und Dünger vorhanden. Boden und Dünger liefern ihr der bornirte Protzenhochmulh, welcher die Errungen­schaften des Börsenschwindels in prahlendem Prunke zur Schau stellt, sowie die zappelnde Philisterangst, welche, statt dem rothcn Gespenst muthig ins Gesicht zu sehen und dasselbe kräftig in sein Nichts zurückzustoßen, sich vielmehr von demselben zu den Füßen des Militarismus zurückschreckcn läßt; weiterhin der grobmatcria- listische Ungeist der Vergnügungssucht und Genußwuth, von welche« die ganze Gegenwart dnrchgistet ist, und endlich die Ungeheuer­lichkeit einer Finanzwirthschasl, welche es Einzelnen möglich macht, in ihren Kassen den Schweiß ganzer Nationen anzuwuchern. Laß t nur alle diese Motive noch eine Weile ungestört fortwnchern und gebt Acht, ihr füttert damit den Communismus so groß, daß ihr eines wüsten Tages vollauf Ursache haben werdet, verzweiflungs­voll auszuschreien:Unsinn, du siegst!"

München, 28. Jan. In dem Protest der bayrischen Bischöfe, der heut im Pastoralblatt veröffentlicht wird, heißt es: Das Zivilehegesetz stehe im schneidendsten Widerspruche mit dem bayrischen Konkordat und sei die rücksichtsloseste Kränkung der Katholiken. Der König von Bayern möge Maßnahme er­greifen, um der Schädigung der Religion vorzubeugen.

30 Männer des Reichstags bilden die Justiz-Commis­sion. Sie bleiben auch nach dem Schluß des Reichstags zu­sammen und machen die neuen Justizgesetze für das deutsche Reich fertig. Zu ihrem Vorsitzenden haben sie den bekannten Miguel, zu dessen Stellvertreter Schwarz (aus Dresden) gewählt.

In Bezug auf die namentlich in lutherischen Kreisen so lebhaft kundgegebene Abneigung gegen die Zivilehe schreibt der BerlinerGemeindcbote" unter der Ueberschrift:Luther und die Cioilehe" Folgendes: 1) Luther sagt: Weil Hochzeit und Ehebund ein weltlich Geschäft ist, gebührt uns Geistlichen und Kirchendienern nichts darin zu ordnen und zu regieren. Solches alles lasse ich die Herren vom Rath schaffen und machen, wie sie wollen. Es gehr mich nicht an. Aber so man von uns be­gehrt, in der Kirche sie (die Brautleute) zu segnen, über sie zu beten oder sie zu trauen (trauen hier als Wechselbegriff für: die Eheleute segnen und für sie beten), so sind wir schuldig es zu thun. 2) In dem ausgezeichneten Werke:Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften von vr. Köstlin. 2 Bde. 1875" wird als zweifellos hingestellt, daß zwischen der Eheschließung Luthers im Kreise von 4 in sein Haus geladenen Zeugen am 13. Juni 1525 und seiner sodann vor großer Versammlung ge­haltenen Hochzeitsfeier am 27. Juni 14 Tage vergangen sind und daß es in Bezug auf letztere Feier nicht urkundlich erwiesen werden kann, ob überhaupt ein Kirchgang und die Einsegnung der Ehe vor dem Altar damit verbunden war.

Mit einiger Verwunderung hören die deutschen Geschäfts­leute, was der Finanzminister Camphauscn im Reichstage über die Geld- und Geschäftskrisis äußerte. Er meinte, die Krisis werde so lange dauern, bis Deutschland fleißiger und spar­samer geworden sei. Die Industrie werde sich bequemen müssen, die Dinge wohlseiler herzustellcn, sie werde sich entschließen müssen, größere Anforderungen an die Arbeiter zu stellen und trotzdem die Löhne herabzusetzen. Mit der Neichsbanknoten-Preffe könne der Judustrie nicht geholfen werden. Der Herr Finanzminister hat nur vergessen zu sagen, wie die Industriellen das machen