Berlin-, 4. Jan. Der plötzliche Umschwung in Spanien wird von dem Ultramontauismns als eine schwere Nieder­lage empfunden Das Wiener Vaterland verkündete bereits am 31. Dez. mit außergewöhnlicher Schrift:Die Proklamation des neuen Königs ist einfach eine zwischen Bismarck und Serrano abgekartete Jntrigne " Ganz dieselbe Behauptung war zu glei­cher Zeit im Pariser Univcrs zu lesen. Die Germania findet die Figu?des jungen Alfonsoerheiternd" und läßt ihre ganze Wulh an Serrano aus- Ganz anders das Bayrische Vaterland.Die­ser Königsknabe Alfons," sagt der päpstliche LiedeSgabensammler Dr. Sigl,ist als König von Spanien nichts weiter als die Marionette Bismarcks, eine Figur, durch welche lediglich die Wie­derherstellung der katholischen und der legitimen Monarchie in der Person des katholischen und einzig rechtmäßigen Königs Karl Vll. Hintertrieben und verhindert werden soll." Unwillkommen hätte das Ereigniß speziell für Deuts hland nur daun sein können, wenn Don Alfonso das Programm des Don Carlos übernommen und sich an die Spitze jener finstern Koalition gestellt hätte, welche, nach Unterwerfung Spaniens, Frankreichs, Italiens, Oestreichs unter die klerikale Reaktion, Deutschland als den eigentlichen Herd der modernen Kultur, zu vernichten trachtet. Daß er dies nicht gethan, erhellt aus dem wüthenden Hohne der ultramonta­nen Presse. So Hot das D. Reich keine Veranlassung, die An­erkennung, welche cs Serrano gewährte, der neuen. Regierung zu versagen.

Essen, 28. Dez. Den Krupp'schen Arbeitern ist beifol­gende Bekanntmachung zugegangcn:Vergangene Jahre, welche allen Fabriken unv Bergwerken so außergewöhnliche Arbeit brach­ten , haben den Arbeitern aussergewöhnliche Löhne zugeführt. .Diese scheinbar glückliche Zeit hat in das Gegentheil sich umgc- wandelt: Arbeit ist jetzt wenig geboten und Entlassungen werden auch auf allen Werken vorgenommen. Auch die Gußstahlfabrik war zum ersten Male in dem Falle, eine größere Anzahl von Leuten entlassen zu müssen. Da die Löhne nicht im Verhältniß stehen zu den erreichbaren Berkaufspreisen, so wird für alle Zwerge der Fabrik eine Ermäßigung der Löhne eintreten müssen, so lange, bis ein richtiges Verhältniß zwischen Selbstkosten und Verkaufs­preisen wieder hergestellt sein wird. Diese Ankündigung geschieht hiermit im Voraus, damit Niemand plötzlich überrascht werde. Ueber das Maß und die Dauer dieser Lohnermäßigung läßt sich heute Nichts sagen : sie hängt von den Zeitverhältnissen ab. Bei Durchführung dieser Ermäßigung hofft die Firma indessen es zu ermöglichen, daß alle ihre Werke in voller Kraft sortarbeiten werden. Es wird ihr dabei zur größten Befriedigung gereichen, wenn alle treuen Arbeiter trotz der ungünstigen Verhältnisse ruhig und ohne Sorge um ihre Zukunft fortdauernd beschäf­tigt bleiben können, und sie wird nach wie vor bestrebt sein, den­selben die Vortheile der Beschaffung aller Lebensbedürfnisse in möglichst erweitertem Maße zuzuführen. Ich bedaure diese Nolh- wendigkeit der Lohnherabsetzung, verbinde damit aber die bestimmte Erklärung, daß jeder Ausdruck von Unzufriedenheit als Kündi­gung anzusehen ist. Esse n, Gußstahlfabrik, den 28. Dez. 1874. (gez.) Friede. Krupp."

Die BerlinerWespen" melden, daß am 1. Januar bei dem General-Post-Direktor Stephan ein Diner von 35Um­schlägen" stattgesunden habe.

Berlin, 2. Januar. Fürst Bismarck ist beim Neu­jahrsempfang beim Kaiser nicht zugegegen gewesen. Während der ganzen Woche zwischen Weihnachten und Neujahr war er durch einen mit katarrhalischen Beschwerden verbundenen Schnupfen an das Zimmer gefesselt. Jetzt zeigt sich in seinem Befinden eine wesentliche Besserung. Der Kronprinz beehrte am 1. Jan. den Reichskanzler, sowie die Feldmarschälle Graf v. Wrangel, Graf v. Molke und Frhrn. v. Manteuffel, nebst den hier beglau­bigten Botschaftern mit kurzen Gratulationsbesuchen.

Für den kolossalen Umschwung der Verhältnisse in der letz­ten Zeit ist es überaus bezeichnend, daß der Redakteur der K renz- zeitung dieser Tage vor Gericht geladeu war, um sich wegen Beleidigung des Ober kirchenra ths in seinem Blatte vernehmen zu lasten. Es ist noch gar nicht lange her, daß gerade die Kreuz;, das ergebenste Werkzeug eben dieser Behörde war.

Wien, 3. Jan. Der ehemalige Staatsminister Hr. v. Schmerling hat dem Vernehmen nach von dem bisherigen Prinzen von Austrien, bekanntlich einem Schüler des Wiener Theresia­nums, dessen Kurator Hr. v. Schmerling ist, sofort nach der Königsproklamirung in Madrid die telegrapische Anzeige des Er­eignisses mit dem Beifügen erhalten, daß er dem umsichtigen und wohlwollenden Leiter seiner Studien seinen Dank nicht bester abtragen zu können glaube, als wenn er ihm die Versicherung gebe, daß er sein Volk nach den Grundsätzen ächten Freisinns zu regieren bemüht sein werde, die er in dem ihm unvergeßlichen Wien in sich ausgenommen.

Wien, 4. Jan. In dem heute begonnenen Prozeß gegen den früheren Generaldirektor Frhr. v. Ofenheim lautet die An­klage auf Betrug in gewinnsüchtiger Absicht. Die Verlesung des Anklageaktes dauerte über 3 Stunden.

Wien, 4. Jan. lieber das Auftreten des Angeklagten

Ofenheim bei dem Beginn der Gerichts-Verhandlung berichtet dieD. Z.": Um 10 Uhr treten die Geschworene» ein. Darauf erscheint an der Thür, einen Augenblick stutzend, dann mit Festig­keit hcreinschreitend, der Angeklagte, der gewesene allmächtige Eisenbahn-Direktor, der Eisenbahn-König Oesterreichs, dessen Eisenbahn-Gründungen selbst über die Grenze des Reiches hinaus­gingen, der Mann von hervorragender socialer Stellung, der in den Salon seines Hauses auf dem Schwarzenberg-Platze Spitzen der Behörden, Generale, Minister sah; der Erösus, der seinen Reichlhum trotz des Krachs behalten, der Man», der eine Million Caution für seine persönliche Freiheit erlegen konnte, der aber allerdings auch wegen vieler Millionen angekiagt ist. Er ist ein Mann von mittlerer Statur, magerer Figur, dessen Züge silhouel- tenarlig spitz zulaufen, und dessen Augen stechend blitzen, wenn er hin und wieder einen Blick zur Seite wirst. Als der Proto­kollführer den Gegenständ der Verhandlung das Verbrechen des Betrugs nannte, klopfte der Angeklagte mit dem Finger sich auf die Haare, wie Jemand, der etwas unpassendes gehört hat und darüber schnell hinwegzugehen sucht. Ucberhaupt machte sein Benehmen den Eindruck eines Mannes, der selbst viele Ge­heimnisse weiß, und der, wenn er sich selbst nicht rein waschen kann, die Fähigkeit besitzt, als Ankläger Anderer auch aufzntreten.

Wien, 7. Januar. Einer Prager Privatmittheilung zu­folge ist Kurfürst Fried rich Wilhelm von Hessen gestern Nachmittag 3 Uhr in Prag gestorbew DasDresdener Jour­nal" erfährt, der verstorbene Kurfürst von Hessen habe in seinem Testament den Wunsch ausgedrückt, in aller Stille in Kassel be­erdigt zu werden.

Paris, 1. Jrn. Don Alfonso ist ein physisch noch ziemlich unentwickelter junger Mann von 48 Jahren, klein, aber von zier­lichem Wüchse und einer offenen und angenehmen Physiognomie. Er spricht außer seiner Muttersprache noch fertig Französisch und Englisch, auch etwas Deutsch. Er empfing seine Verehrer und Anhänger mit großer Unbefangenheit und, soweit er sic nähcr kannle, mit der ungezwungensten Herzlichkeit.

Paris, 4. Jan. DemMonde" zufolge, hat König Al- phons lediglich Neujahrs-Gratulationen an den Papst, als seinen Pathen, gerichtet, welche der Papst telegraphisch beantwortete. Eine weitere Correspondenz hat nicht stattgefunden. Mehrere Abendblätter theilen Jndicien des Abfalls carlistischer Truppen mit, bis jetzt liegt indessen noch keine bestätigte Meldung vor.

Paris, 7. Jan. Sämmtliche Minister haben gestern nach Schluß der Sitzung der National Versammlung ihre Demission gegeben. Mac Mahon wird im Lause des Tages mit einfluß­reichen Deputaten über die Neubildung des Ministeriums ver­handeln.

Die französische Demokratie hat den gestern erfolgten Tod Led r u - R o l lin' s zu beklagen. Schon seit längerer Zeit herz- leidend, erlag Ledrn-Rollin gestern früh einem Herzschlage. Er ha! ein Alter von 67 Jahren erreicht und hinterläßt eine Wiitwe und ein sehr bedeutendes Vermögen. Die Besiattung des berühmten Tribunen, welchen seine Landsleute denVater des allgemeinen Stimmrechts" nennen, wird ohne Zweifel zu einer großen repub­likanischen Kundgebung Anlaß geben.

Die Gazette de France veröffentlicht einen Brief Lanzat's, in welchem erklärt wird, daß der Karlismus fest entschlossen sei, auch diese siebente Regierung zu bekämpfen, wie er die sechs vor­hergehenden Regierungen bekämpft habe. Man erwartet ein Manifest des Don Carlos, in welchem der Präsident erklärt, den Kampf für sein angestammtes Recht auch gegen die neue Regie­rung fortsetzen zu wollen.

Obgleich der Papst dem neuen König seinen Segen ertheilt haben soll, so sind die ultramontanen Blätter doch keineswegs mit dessen Thronbesteigung zufrieden. DasUnivers,, beschuldigt den Fürsten Bismarck, die Verschwörung angezettelt zu haben! DerMonde" benutzt die spanischen Vorgänge zu einem Angriff gegen den Herzog Decazes. Die republikanischen Blätter sind entrüstet über die Vorgänge in Spanien, zumal sie befürchten, daß sich Aehnliches in Frankreich zutragen könne. Die Sprache der Bonapartisten ist nach wie vor sehr keck und sie benutzen die neue spanische Militärrevolution, um dazu anznfeuern, daß man Spanien sich zum Vorbilde nehmen möge.Gaulois" meint, der kaiserliche Prinz sei 18 Monate älter, als Don Alfonso, und er könne daher ebensogut Kaiser werden, wie dieser König geworden sei. In den offiziellen Kreisen wurde die Nachricht von dem spanischen Gewaltstreich mit Befriedigung ausgenommen. Man hofft, daß fürderhin alle Schwierigkeiten zwischen Spanien und Frankreich beseitigt sind.

Die Kaiserin Eugenie zollt den Vorgängen in Madrid ihren Beifall. Die Depesche, welche sie an Jsabella sandte, lautet: Wir beglückwünschen Ew. Mnjestät mit ganzem Herzen zu den Ereignissen, welche sich zugetragen haben. Gräfin von Pierre­fonds." Die Königin soll der Kaiserin in den wärmsten Worten gedankt und dem Sohne derselben das nämliche Glück angcwünscht haben, welches dem ihrigen zu Theil geworden. Die Marschallin Serrano telegraphirte an den Marschall Mac Mahon, daß sie sich mit ihren Kindern in Pan befinde.