AhaSver der ewige Jude.
(Sylvesternachtgedanken.)
Der ew'ge Ahasver vom Felsen Gedankenvoll sich niederbeugt;
Des Jahres letzte Schatten wälzen Sich mn sein Haupt, zur Brust geneigt,
Als wollten sie in ew'gem'Gähren Sich eine Nacht im Schoß gebären.
Da öffnen sich die dunklen Hallen Des Todes, und in ernstem Zug Ties cingemummint vorüberwallen Sie, deren Fuß die Erde trug;
Es macht die Geisterschaar die Runde Zn dieser miltcrnächt'gen Stunde,
„Ha!" Ahasverns ruft, „wirds tagen? Wann stößt der Wächter in sein Horn Und lässt! meine Stunde schlagen?
Wann wird ves ew'gen Lichtes Born Einströmen in die schwarzen Berge Der anfgchäusteu Todtensärge?
Wie lange seufzt sein hohles Wehe Der Geist in ehruen Bauden aus?
— So lang der Fluch in seiner Nähe Arbeitet an dem Kerkcrhaus?
So lang er hoffnungslos gefallen Der Sünde in die Löwenkralleu?
So lange Glauben, Hoffen, Lieben,
Das noch der Mensch in Funken hegt,
Das Gold mit scharfen Schwcrteshieben Erbarmungslos darniederschlägt?
So lang der Bauch nach dem Gesetze Der Höste thront als Welteugötze?
So lang der Wollust unterm Fuße Die Unschuld wie ein Wurm sich krümmt, Und die Gerechtigkeit beim Kusse Die Binde halb vom Auge nimmt;
Auslöscht der Wahrheit Feuerzüge Das uuglückschwaugre Weib — die Lüge?
So lang gut wohnen ist auf Erden,
Doch nirgends wohnt Glückseligkeit,
Und Zeilen neu geboren werden Im ew'gen Einerlei der Zeit?
So lang in Freuden Schmerzen reisen Und sich die Todtenschädcl häufen?
So laug kein Unten und kein Oben Der Weise in dem All erkennt,
Und das, was jene heut erproben,
Ein Andrer morgen Thorheit nennt?
So lauge Menschen zwilchen Lanzen Die blut'geu Schwertertänze tanzen?
So lang der Arme nur die Schlacken Der Freude kennt, der reiche Mann Den Fuß zückt auf des Armen Nacken? Bricht dann der Tag der Freiheit an?
Ha! Daun verflucht sei und verloren Der Tag, der mich zur Welt geboren!"
So Ahasver. Es sinkt zusammen Zu Eis erstarrt sein krankes Herz; , Erloschen sind des Auges Flammen,
Das Ohr nur lauschet niederwärts Ob nicht bald in des Thurmes Kammer Die Glocke rühr der Eisenhammer.
Zwölsmal ertönt's in ernsten Schlägen, Und Ahasver rafft sich empor;
Es strömt ihm heilig, süß entgegen Ein Glückenton im höhcrn Chor;
Er hört die Glockenklängc sagen:
Auch dir ist Er ans Kreuz geschlagen!
Ehr' sei Gott in der Höh', auf Erden, Der armen, wohne Fried und Freud'.
Harr aus; es muß vollendet werden Der Ralhschluß Gottes in der Zeit.
Fühlst du dich mit der Zeit veralten,
Laß über dir den Vater walten.
Zeuch von den Füßen deine Schuhe Und binde dir den Gürtel lotz:
Geh' hin, und lege dich zur Ruhe,
Bis daß Er kommt! — Und in den Schooß Der Grüfte sieht man nun mit andern Der Geister Ahasverns wandern.
Ja Ahasver, dem ausgegossen Der Friede sich ins wunde Herz,
Es schaut vom Glorienlicht umflossen Sein müdes Auge himmelwärts;
Begrüßt mit ahnungsvollem Beben Das Jahr, das kaum erwacht zum Leben.
Es tauchen schon die Sterne oben Ihr Diadem in Morgeulicht,
Der ew'ge Mond am Himmel droben Verhüllt sein blasses Gramgesicht,
Ich ich' die Welt im Zwielicht ragen;
Im Osten grants, — O Herr, laß tagen!
Müller,
Die Blullans.
Belehrung über ihre Naturgeschichte und Vertilgung.
(Veröffentlicht durch die K. Centralstelle für die Landwirtbl'chaft.)
t) Es sind kaum zehn Jahre, seit die Blutlaus in Württemberg eingewandcrt ist; nachdem sie große Verheerungen an den Obstbäumen in Frankreich angerichtet hatte, stellte sie sich auch in Baden und Württemberg ein. Zuerst erschien sie im Neckarthal, drang daun in die Seitcnthälcr ein und Hai nun bereits in vielen Bezirken eine Verbreitung erlangt, welche das dringende Bedenken der Obstzüchter erregen muß,
2) Die Blutlaus gehört zum Geschlecht der Blattläuse und Hai mit dieser Gattung besonders auch die enorme Vermehrung gemein, welches je für das einzelne Jndividium sich für einen einzigen Sommer auf Millionen von Nachkommen belauft. Im Frühjahr und Sommer erzeugt sie lebendige Junge, welche schnell ebenfas wieder fortpflanzungsfähig werden, Ihre Gefährlichkeit und Schädlichkeit erhöht sich aber noch durch den Umstand, daß sic im Nachsommer und Herbst auch geflügelt erscheint, und damit leicht in der Lage sich befindet, ihre Ansiedlungen auch auf andere Bäume zu übertragen.
Das ungcflügelte Insekt ist honiggelb und zugleich mit länger» wolligen Fäden bekleidet. Das geflügelte ist glänzend schwarz. Beim Zerdrücken einer Kolonie bleibt ein rother Saft zurück, daher der Name Blutlaus,
3) Für ihre Ansiedlungen wählt die Blutlaus die jüngern, noch mit zarter Rinde versehenen Zweige der Apfelbäume und zwar vorherrschend solche Stellen, an welchen sich Risse und Beschädigungen zeigen oder die Rinde sonst nicht ganz gesund ist. Sie findet sich ebenso in Baumschulen wie in jüngern und altern Baumpflanzuugen und bildet stets gemeinsame Niederlassungen, welche sich durch den weißen baumwollartigen Flaum bemcrklich machen, der diesen Thierchen eigen ist und ihren Ansiedlungen von Ferne das Ansehen von den an den Zweigen befindlichen Äaumwollen-Flocken gibt.
4) Die Blutlaus beginnt ihr Zerstörungswerk, indem sie ihren Saugrüßel in den Bast und Splint des Baums einbohrt und damit nun fortfährt, die Säfte aus dem Baum an sich zu ziehen. Es kann nicht fehlen, daß wenn dieß durch Millionen solcher Geschöpfe gleichzeitig geschieht, der Baum seiner besten Kräfte beraubt wird und es ihm endlich ans Leben geht. Die Verheerungen des Insekts werden durch trockene Witterung sehr begünstigt.
b) Die Gefahr ist besonders noch dadurch erhöht, daß viele Baumzüchter das Insekt gar nicht kennen, die ersten Ansiedelungen übersehen und vielleicht erst dann eingreifen, nachdem das Uebel größere Verbreitung erlangt hat und daher schwerer zu bekämpfen ist.
6) Ucbrigcus ist es für den einzelnen Baumzüchter unmöglich, hier mit Erfolg für sich allein zu wirken. Vielmehr ist es selbstverständlich, daß sämmtliche Baumbesitzer der ganzen Markung gemeinsam Vorgehen müssen, wenn ein gelungener Erfolg erreicht werden soll. Nur bei solcher Gemeinschaftlichkeit, welche übrigens durch die Behörde zu leiten ist, kann man der Erreichung des Zwecks sicher sein. Deßhalb sind auch alle Baumbesitzer verbindlich zu machen, sobald sic irgend etwas Verdächtiges an ihren Pflanzungen wahrnehmen, dießsalls sofort Anzeige bei der Behörde zu erstatten,
7) In Bezirken, wo die Blutlaus bereits heimisch ist, müssen sämmtliche auf einer Markung befindlichen Bäume sorgfältig durchgesehen und die Nester des Ungeziefers mit rauhen Lumpen, Strohwischen oder Bürsten zerstört werde». Vielfach empfiehlt es sich, auch die Nester mit den Händen zu zerdrücken, Oesters und namentlich an größeren Bäumen können die befallenen Aeste und Zweige auch abgeschnitten und an Ort und Stelle verbrannt werden. Wenn die ganze Baumkrone bereits befallen ist, so empfiehlt sich auch das Verjüngen derselben. Die angegriffenen Stellen sind stets mit Kalkmilch, Tabaks- oder Seifenwasser, insbesondere auch mit Weingeist, der besonders wirksam sein soll, zu bestreichen. Diese Behandlung darf aber nicht bloß einmal stattsiiiden, sondern muß nach Umständen öfters wiederholt werden, da das Ungeziefer eine unglaubliche Zähigkeit besitzt und nach vermeintlich vorgenommener Zerstörung öfters wieder aufs neue erscheint. Vorhandene Wunden müssen sogleich mit flüssigem Baumwachs sorgfältig gedeckt werden.
(Schluß folgt.)
Allerlei.
— Anzüglich. Bei einem Festessen der Buchdrucker wurde folgender Toast ausgebracht: „Ein Hoch den Frauen, welche in der Verbreitung von Neuigkeiten unmittelbar der Presse folgen."