geschmückt mit dem Bande, der Kette und dem Stern des italieni­schen Annunciaten-Ordens.

Köln, 27. Dec, DerKöln. Ztg." wird aus Bayonne von gestern gemeldet, der Marine-Eommandant von San Sebastian habe am 2t). December ein Schiss nach Zaranz geschickt, um den Zustand der deutschen BriggGustav" zu erkunden. Dasselbe kehrte am Nachmittag zurück und brachte die Meldung: die Brigg stecke tief im Sande und seien die Carlisten eifrigsi beschäftigt, die Ladung z» löschen. Die Schüsse der Carlistcn hätten Nie­manden getödtet, nur sei der Capitän desGustav" unbedeutend am Bein gestreift.

Colmar, 27. Dez. In verflossener Nacht stiegen Uebel- thäter durch ein Fenster in das Innere des Münsters, wo sie die Opferstöcke erbrachen und plünderten. Einige Kirchcngefässe wurden gleichfalls entwendet. Um ihren Raub leichter wegzu­bringen, zerschlugen sie die Kelche und nahmen blos den ober» aus edlem Metall bestehenden Theil derselben mit. Nicht zufrieden mit diesem Verbrechen, verübten diese Elenden aus blossem Muth- ävillen unnennbare Verstümmelungen und Entweihungen: sie zer­streuten die Hostien in der Kirche herum, stahlen Reliquien, die keinen Verth für sie haben, verstümmelten Bildsäulchen und Kruzi­fixe, durchstachen zwei Bilder, kurz zerstörten und zertrümmerten Alles, was ihnen unter die .Hände gerietst In Folge dieses Verbrechens läuteten seit Sonntag die Glocken nicht zum Gottes­dienst. Die aufgebrachte Menge drängte sich im Innern des Münsters und an den Zugängen zur Sakristei, wo die verstüm­melten Gegenstände zur Schau ansgestellt sind. Bis jetzt ist man den Verbrechern noch nicht aus der Spur.

Der Franzose A. P'erivier veröffentlicht im Pariser Figaro Berichte über Berlin. Was er erzählt, ist uns nicht neu, aber meistens geistreich und in gnmuthiger Form vorgctragen. Scharf, wie er beobachtet, zeichnet er auch. In Deutschland z. B. ist den folgenden Bildern einiger der hervorragendsten Männer des neuen Reichs ohne Zweifel Portraitähnlichkeit zuzugestehen, wenn auch einiges schief und irrig ist. Im ersten Bilde stellt Perivier Bismarck als Redner dar. Er schreibt: Wenn man diesen außerordentlichen Mann zum ersten Mal sprechen hört, ist man überrascht von dem Gegensätze zwischen seiner äußeren Erscheinring und seinem Slimmorgan. Ans diesem Riesenkörpcr mit den herkulischen Proportionen, mit der mächtigen Brust kommt eine dünne, fast heisere Stimme hervor, die kaum vernehmbar ist. Um sich verständlich zu machen, muß er eine ganz ruhige Kammer vor sich haben. Freilich mir welcher Aufmerksamkeit und Sammlung hört man ihn auch an, wenn er sich erhebt, um zu sprechen! Es gibt keinen cigeirthümlicheren Redner als Bismarck. Er hat sonderbare Gewohnheiten: er packt den ersten besten Gegen­stand, der ihm zur Hand kommt, mit der Rechten und laßt ihn wie ein Weberschiffchen in die Linke gleiten; er handhabt ein Bleistift von ungeheurer Größe oder waffnet sich auch mit einer großen Schwanenseder, welche die ungewöhnlichen Dimensionen seiner Handschrift erklärt. Früher fand Herr v. Bismarck jeden Tag eine neue Feder an seinem Platz; diejenigen, welche er ge­braucht hatte, wurden von den Portiers des Reichstags an Eng­länder verkauft. Seit einiger Zeit hat er ihnen diesen einträg­lichen Handel untersagt. Findet seine Hand gerade nicht das Bleistift oder die Feder, so bemächtigt er sich seiner Scheerc, eickes Werkzeugs groß und schwer, wie eine Redaktionsscheere. Wenn alle diese Gegenstände einmal fehlen, so nimmt er wohl auch ein Aktenhest mit einem Gesetzesvorschlag oder einem parlamentarischen Bericht, rollt es zusammen und schwingt es, wie einen Stock. Es ist ihm unmöglich, ohne diese sonderbare Geberde zu sprechen. Jndeß die Hand will nicht allein beschäftigt sein; der ganze Körper fängt an, mitznarbeiten. Er geräth in Hitze wie eine Dampf­maschine. Namentlich ist es interessant, den Kopf zu beobachten. Es ist als ob man das Gehirn selbst arbeiten sähe. Alle Nerven sind in Thätigkeit, das Auge sprüht Feuer wie im Fieberglanz. Der Mann gibt sich offenbar Rechenschaft von der Bedeutung seines Worts. Er weiß, daß jedes seiner Worte in einigen Stunden die Runde durch die Welt macht, und daß es Frieden oder Krieg bringen kann. Sein Vortrag entbehrt durchaus der Leichtigkeit. Er greift das Wort, den Ansdruck, zwei oder drei­mal an, läßt es wieder los, faßt es wieder, dreht es um, sucht und tastet, dis er den genauen Ausdruck seines Gedankens ge­funden hat. So kommt es, daß er niemals sagt, außer was er hat sagen wollen. Die Sätze und sogar ost die Worte zcrtheilt er durch eine Art Räuspern. Und doch trotz dieser Fehler, trotz dieser Sonderbarkeiten, welche den Provinzialen und Ausländer in Verwunderung setzen, bringt kein Redner der Welt eine solche Wirkung hervor, als Bismarck. Man vergißt schnell diese wenig anziehenden Aeußerlichkeiten. um nur dem Aufmerksamkeit zu schenken, was der Redner sagt. Es ist auch in der Thal dem Eedcukken und der Form nach stets bewunderungswürdig. Ich glaube nicht, daß irgend ein deutsches Parlament in dieser Be­ziehung je etwas Vortrefflicheres gehört hat. Dazu kommt, daß Bismarck anzüglich und sogar boshaft ist, wie man's nur sein kann, und daß er sich meisterhaft auf den Ton der Geringschätzung versteht; das ist seine Spezialität. Ich will damit nicht behaup­

ten, daß er nicht auch den Ton der Würde träfe, indeß ist dieß seltener bei ihm. Feierlich und hochtrabend zu sein, liebt er nicht. Au Witzen ist er sehr fruchtbar, erlaubt sich mitunter auch mit der unschuldigsten Miene einen schlechten zu machen. Auch lacht er mitunter so laut, wie mau es nur im Walluer-Thca'.cr zu hören pflegt, wenn Helmerding spielt. Die Reden des Kanzlers sind häufig mit Zitgten verbrämt aus der französischen, lateini­schen und sogar griechischen Literatur: jawohl der griechischen. Herr v. Bismarck kennt seine Kiassikee. Man sagt ihm in Deutsch­land nach, Zitate in Umlauf gebracht zu haben, die zuweilen selbst Hochgelehrten unbekannt waren. Den größten Gegensatz zu Bismarck bildet Windthorst, das Haupt der nttramontanen Partei im deutschen Parlament. Windthorst ist sehr klein, ungefähr gerade so groß wie Thiers. Er besitzt eine nicht gewöhnliche Häßlichkeit. Wenn ich ihn so sah aus seiner Bank sitzen, zn- sammengekanert, und sozusagen znsammengcrollt, wie eine Kugel, das rechte Bein über das linke Kniee gelegt, kam er mir vor wie eine Schildkröte, welche die Nase unter ihrer Schaale vor streckt. Er schließt die Angen halb, weßhalb man glaubt, er sei kurzsichtig, obschon ihm nicht das Unbedeutendste entgeht, was im Neichstagssaale vorgeht. Er thnt auch, als ob er taub wäre, weiß nicht warum, denn Jedermann weiß, daß er das feinste Ohr von der Welt hat. 'Vielleicht gefällt er sich darin, auf seine Privatrechnnng die übrigen zu mystisiziren. Windthorst ist als Redner außerordentlich begabt. Er ist, wie kein zweiter, sicher im Ausdruck. Seine Rede ist leicht, abgerundet, vielleicht zu elegant; denn die Glätte derselben fährt oft zur Monotonie Er stockt niemals, sein Flug ist unaufhaltsam. Windthorst ist ohne Widerspruch der geschickteste und gewandteste Anwalt seiner Partei. Immer antwortet er dem Fürsten Bismarck; und wenn man ihn zerschmettert glaubt von den Blitzen des Kanzlers, er­hebt er sich wieder und beweist, daß der kleine Biedermann noch lebt. Obgleich ihm Anmulh und Schönheit abgehe», ist Windt- horsl beliebt und gerne gesehen in den feinsten Salons von Ber­lin. Man sagt ihm nach, er sei ein wahrer Hexenmeister. ES ist erstaunlich, wie lebhaft und aufgeräumt er ist. Er erzählt in reizender Form Scherze aller Art, welchen sein hannover'scher Dialekt einen sehr angenehmen Beigeschmack gibt. Laster ist fast ebenso klein als Windthorst, sein Körper ruht auf Beinen, welche allen Gesetzen der Acsthetik spotten. Das Gesicht trägt das jüdische Gepräge, welches mir bei meinen Wanderungen in Berlin des Tags wohl hundert Mal aufgestoßen ist. Und doch, wenn man diesen Kops mit den klugen Augen und der breiten Stirne, welche die schwere Gedankenarbeit gefurcht hat, aus.größerer Nähe betrachtet, fühlt man, daß man keiner gewöhnlichen Per­sönlichkeit gegenübcrsteht. Hrn. Laster steht eine großartige Be- redtsamkeit zur Seite. Er macht keine Phrasen, aber besitzt eine große 'Wärme der Mittheiinng und ein edles Pathos. Leider hält er zu lange Reden, obgleich er die Aufmerksamkeit zu fesseln weiß. Er bemeistert die Fragen nicht im ersten Anlauf; er nimmt sie erst durch eine lange ermüdende Belagerung weg. Wenn man sonst wohl sagt, man werde als Garkoch oder Dichter ge­boren, so ist er der geborene Parlamentarier. Es gibt keine Frage des Rechts, des Handels, der Bewaffnung und Ausrüstung der Armee, der Eisenbahnen, der Marine, welche er nicht studirt und in welcher er nicht wie ein Fachmann auf dem Laufenden wäre. Man begreift dies nur, wenn mau die Lebensweise Laskers kennt. Um 4 Uhr, spätestens 5 Uhr steht er auf, nimmt nur eine Tasse zu sich und setzt sich an den Arbeitstisch, ohne die nächsten 5 oder 6 Stunden auch nur-aufzublickeu. Dann geht er in den Reichstag, dessen Verhandlungen er aufmerksam folgt. Er ißt um 3 Uhr zu Mittag, macht einen kurzen Spaziergang und kehrt dann wieder zu neuer Arbeit heim. Selten geht er ins Theater. Wie mau sieht, führt er ein so arbeitsames Dasein, als Thiers. So geht cs das ganz- Jahr fort, mit Ausnahme von zwei Sommermonaten, die er in der Schweiz verbringt, um seine Arbeitslust und seine Arbeitskraft wieder aufzufrischen und zu stählen. Er bezieht ein kleines Einkommen, das er nicht zu vermehren trachtet, obgleich man ihm die einträglichsten Stellen als Syndikus großer Handelsgesellschaften angeboteu hat. Er ist Anwalt, übt aber das Geschäft nicht aus. So kommt es, daßLasker inDeutschland imGeruch des modernen Cato steht. (S.M.)

Paris, 26. Dez. DieUnion" erhält aus Konstantino­pel die, wie das Blatt sich ausdrückt, sehr erfreuliche Nachricht, daß die Tochter des deutschen Botschafters bei der Pforte, Frhr». v. Werther, sich zum Katholizismus bekehrt habe.

Papst Pius IX. hat den Gläubigen des Erzbisthums Paris am nächsten Neujahrstag den Genuß von fetten Speisen erlaubt.

Petersburg, 26. Dez. Ein kaiserl. Mas an den Haus­minister spricht aus, daß der Großfürst Nikolaus Konstantiuowilsch an einer Gemüthskrankheit leide und stellt denselben unter die Curatel seines Vaters. Der Ukas stützt sich auf ein Gutachten, welches die Aerzte, darunter Zdeckauer und Balinski, nach längerer Beobachtung des Großfürsten erstatteten. Der Ukas wurde durch den Senat publicirt.

Vergesset der lieben Vögelein nicht, bei schneebedeckter Flur l