Die in neuesier Zeit wieder umlaufenden Gerüchte von Anschlägen ans das Leb'en des Fürsten Bismarck rufen einzelne Umstände in das Gedächlniß zurück, die bereits der Vergangenheit angehören. Bei der Schwurgerichtsoerhandlung in Würzburg sagte der katholische Gensdarm Schauer zeugeneidlich aus, daß ihm Kullmann unter vier Augen mügeiheill: „Es sind immer noch Leine da und aufgestellt, die diesen Zweck (Bismarck zu tödlen) verfolgen" und ferner: „In 10 Jahren ist Bismarck doch erschösse», da lebt er nicht mehr." Obwohl Kullmann damals diese Ausdrücke abzuschwächeu suchte und der Präsident den Zeugen wiederholt eiudringlich.au die Möglichkeit einer unbestimmteren Ausdrucksweise erinnerte, blieb derselbe Loch beharrlich bei seiner Aussage stehen. Dann erhielt Rechtsanwalt Gerhard in Würzburg, der Vertheidiger Kullmauus, vor einigen Wochen eine „Godefroide Zelcher aus Nheinpreußeu" Unterzeichnete Zuschrift mit dem Poststempel „Pest", worin er ersucht wurde, ein beigefügtes Schreiben „Freund Kullmann" uueröffuel zu überreichen. Diese Einlage lautete: „Pest 30. 10. 1874. Bruder Kullmann! Verliere nicht den Muth. — Dein Beginnen hat vielen Courage gegeben, so auch nur. Konntest ^)u es nicht vollbringen — vielleicht — gelingt es mir. Deine 'Lache, Deine Idee ist ganz die meine. Ich hoffe, Du wirst es erleben. Die Nachricht muß und wird bis in Deine Behausung dringen Ich suche nur den günstigen Moment, habe also Muth - nur Muth. — Lebe wohl, Du wirst bald mehr hören, von mir Deinem Nachfolger. Vernichte dieses sofort."
Bei einer parlamentarischen Abendgesellschaft in Berlin kam ein Telegramm des Reichstagsabgcordn. Wölfel an seine Wähler zur Verlesung, welches lautete: „Cabinetskrisis beendet, Bismarck bleibt, Majunke auch — letzterer im Gefängniß".
Köln, 20. Dez. Erzbischof Melchers ist dieser Tage vom Obcrprästdium aufgcsordert worden, innerhalb acht Tagen die wegen Nichtbesetzung verschiedener Suecursal-Pfarreien erkannte Geldstrafe von 29,500 Thlrn. zu bezahlen, widrigenfalls weitere Maßregeln gegen ihn i» Anwendung kämen.
Der Reichstag wird nach den Weihnachtsferien über eine Reichsbank berathen. Diese wird gegründet mit einem Aktienkapital von 120 Mill. Reichsmarck. Sie verzinst ihre Aktien mit 4'/> Proc. und der Gewinn wird zwischen dem Reiche und den Aktionären gleichmäßig vertheilt. Die Uebergangsfrist sür die Privajtbanken wird bis zum Jahre 1891 verlängert. Der Umlauf der Banknoten wird so geordnet, daß gegen eine Ipro- centige Steuer ungedeckt umlaufen dürfen 250 Mill. Mark bei der Reichsbank, 32 Mill. bei der bayerischen Bank, 12 Mill. bei den preußischen Privatbanken, 24 Mill. bei der sächsischen Bank, 40 Mill. bei den süddeutschen Guldenbanken und 21 Mill. bei den Banken der Kleinstaaten.
.Hachenburg, 19. Dcc. Unsere Land- und Stadtbries- träger sind, sechs an der Zahl, wegen unbefugten Verkaufs von Reichskalendern mit einer Strafe von je 64 Thlrn. bedacht worden.
Welchen Umfang die Folgen des großen Krachs in Wien angenommen haben, ergibt sich ans dem Umstande, daß sich die dortige Bevölkerung seitdem um 75,000 Menschen vermindert hat und der Fleischverbrauch um mehr als 40 Prvcenl gegen früher zurückgegangen ist.
Man schreibt vonParis: Die Enthüllungen im Prozeß Arnim haben hier auch eine praktische Wirkung gehabt, welche in Deutschland Niemand vermnthet hat und die auch nur in Frankreich möglich ist. Einzelne Geschäfte haben nämlich nach Bckannt- werden der Bismarck'schen Depeschen sofort ihre deutschen Arbeiter entlassen. Eine Kammfabrik in St. Denis hat elf Deutsche, die im Dienst bei ihr standen, nicht allein verabschiedet, sondern sie sofort an die Grenze bringen lassen. In den unteren Kreisen des Volkes ist überhaupt wieder eine Wuth über Deutschland ausgebrocheu, welche der Stimmung von 1870 nichts nachgibt. Es ist auch keine Aussicht vorhanden, daß die Franzosen in der nächsten Zeit der Vernunft Gehör geben sollten, denn die Presse bemüht sich unaufhörlich, ihren Landsleuten die gröbsten Unwahrheiten über Deutschland aufzutischen. Im Folgenden ein kleines Beispiel. Der „Figaro" erzählt: „Während einer Pause im Arnim-Prozesse hätten die deutschen Journalisten ihren Mundvor- rath zur Hand genommen; der Eine habe der Schnapsflasche fleißig zugesprochen, während der Andere seinen Nachbarn von einem Stück Eselskäse angeboten habe." Weiter berichtet das Blatt, daß die Richter am Sonntag die Stadt und die öffentlichen Lokale durchwandert hätten, um die öffentliche Meinung kennen zu lernen. Sie hätten die Ucbcrzcugung gewonnen, daß die Majorität Arnim verurtheile, und der Angeklagte werde in Folge dessen bestimmt mit sechs Monaten Gefängniß bestraft. Nur über die in Frankreich unbekannte Freiheit staunt das Blatt, mit welcher man sich in Deutschland über maßgebende Personen und Verhältnisse aussprechen kann.
Paris, 21. Dez. lieber den Ausgang des Processes Arnim sagt der klerikale „Monde": „Der große Kampf zwischen Hrn v. Bismarck und Hrn. v. Arnim ist zu Ende. Hr. v. Bismarck ist noch einmal als Sieger heroorgegangen. Sein Feind liegt zu seinen Füßen, entehrt und ohnmächtig, zn drei Monaten
Gefängniß verurthcilt, wie ein kleiner Uebellhäter, und man sagt, daß Hr. v. Bismarck jetzt, um ihn vollends zu demüthigen, seine Begnadigung nachsuchen will. Wir haben diesem Kampfe gleichgültig zugesehen. Beide Gegner sind in gleichem Maße Feinde Frankreichs und Feinde der Kirche. Welches auch der Ausgang sein mochte, wir hatten davon nichts zu hoffen. Hr. v. Bismarck vertritt die Partei der cäsarischen Revolution, welche in innerster Seele skeptisch und in ihren Mitteln nicht wählerisch ist; Hr. v. Arnim vertritt die conseroative protestantische Partei, der er durch Familien- und Freundschafls - Verbindungen angehört. Für die Pläne des Kanzlers war er ein Hinderiiiß. und dieser beeilte sich, das Hinderniß aus dem Wege zu räumen."
Paris, 22. Dez. Das heule veröffentlichte Manifest des Prinzen Alfons von Asturien spricht sich für eine konstitutionelle Monarchie aus, führt aus, daß in Folge der Abdankung der Königin Jsabella der Prinz der einzige Vertreter der monarchischen Rechte, vorbehaltlich der Zustimmung der Kortes, sei, und weist darauf hi», daß der Prinz und die Nation in der Uebcrzcugung überettistimmteu, Spanien müsse die liberale Regierungsform und den katholischen Glauben bewahren.
In der letzten Sitzung der „Raturforschenden Gesellschaft" in Zürich machte Prof. Weich Mittheilungen über ein Verfahren von Erscheinungen der sog. S ti g m ati si ru n g, wie sie z. B. die berühmte Louise Lateau von Bois d'Haine zeigt, welche jeden Freitag an bestimmten Stellen des Körpers Blut schwitzt, auf chemischem Wege künstlich hervorzubringcn. Bekanntlich wird dieses Wunder in ausgiebigster Weise von einer gewissen Partei ausgebeutet und hat nicht geringe Aufregung in der katholischen Bevölkerung hervorgebracht. Reibt man die Haut mit einer Lösung von Eisen-Chlorid oder besser noch von schwefelsaurem Eisenoxyd ein, welche Operation durchaus keine sichtbaren Spuren hinterläßt, und besprengt man dann die betreffenden Stellen mit der sehr verdünnten wässerigen Lösung des Rhodan-Kaliums, so tritt in auffallendster Weise eine höchst intensive scheinbare Blutung ein. Der Vorgang beruht ans der bekannten Umsetzung des Rhodan-Kaliums mit der Eisen-Verbindung; es entsteht lösliches Eisen-Rhodanid, welches sich durch seine intensive, rein blutrothe Farbe auszeichnet. Durch Vorführung eines vorher mit Eisen-Ehlorid präparirten Individuums, welches dann mit der völlig farblosen Lösung von Rhodan-Kalium besprengt wurde, konnten sich die Mitglieder der Gesellschaft von dein überraschenden Effect dieser chemischen Neaction überzeugen.
London, 24. Dez. Auf der großen Westbahn hat ein furchtbarer Unglücksfall sich ereignet. Bei Shipton entgleiste ein Expreßzug und mehrere Wagen stürzten in den Kanal. Um 9'/s Uhr Abends hatte man 30 Lobte heransgezogen, und man glaubt »och mehrere aufzusinden. Der Verletzten ist eine große Ml. __
neu« Kirche in Nagold.
Fertig nach gelungnem Plane Stehst du schönes Gotteshaus,
Schaust von deiner Bergaltane In die weite Welt hinaus,
Die Blume des Kreuzes winkt hoch von dem Thurme,
Die Orgel mit mächtig erbrausendem Sturme Vereint mit des Sanges begeistertem Schall Erfüllet die Räume, erfüllet das Thal.
Glockenschlag und hell Geläute Stimmen ein ins neue Lied,
Stadt und Amt vernimmts mit Freude Wie der Schall die Luft.durchzieht. —
Rings Hüpfen die Berge, die Hügel und Quellen,
Und munter ergießet der Fluß seine Wellen,
Des Teufels Hirnschale, die freche, selbst muß Den Wiedcrhall spenden, den schuldigen Gruß.
Würdig blickt auf dich hernieder Mit der allen Mauerkron'
Dort der Schloßberg, nicht zuwider Bist du ihm, dem Kriegessohn,
Sein morsches Gemäuer sich jugendlich reget Und heilige Ahnung die Zweige beweget,
Hört er deinen Friedensruf tönen von fern,
Und mit dir erzählt er die Ehre des Herrn.
Auch der Bahnhof in der Nähe Ist kein böser Nachbar dir,
Neidlos schaut er deine Höhe,
Deines Baues heilge Zier;
Hinwiederum läffest du jenen gewähren,
Der im irdischen Dienst seine Kraft muß verzehren,
Und leidest es auch — ist es gutgemeint doch —
Wenn er täglich dir zürnst sein gellendes Hoch.
Eine bittre Thräne weinet Bei der weidercn Umschau Jetzt mein Aug', denn es erscheinet Süll der alten Kirche Bau,
Die ein halbes Jahrtausend schon hat überdauert