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minate Badens und Hessens an unserer Grenze, sind heute Nacht 6 Wohnhäuser und 6 Scheuern abgebrannt. Das Feuer kam abends 10 Uhr in einer Scheuer aus und währte bis zum Morgen. Es wird Brandstiftung vermutet.
Ebingen, 18. April. Ein eklatanter Fall der mißbräuchlichen Benützung der Kenntnis fremder Fabrikationseinrichtungen, welcher einen Beleg für die in dieser Hinsicht bestehende Lücke unserer Strafgesetzgebung bildet, ist hier vorgekommen. Ein Fabrikant, der sich im Laufe der Jahre vom kleinen Gewerbtreibenden zu seiner heutigen Stellung aufgeschwungen, konstruiert nach mannigfachen Studien und Versuchen eine Maschine, mittelst welcher auf eben so einfache als sinnreiche Weise eine bisher umständliche Handarbeit ersetzt wird. Das zierliche praktische Ding stach einem seiner Arbeiter in die Augen, und der Wunsch, ebenfalls ein solches zu besitzen, ließ ihm keine Ruhe. (Nach anderweitig zirkulierenden und geglaubten Gerüchten soll der Arbeiter durch einen Dritten, vermutlich einen Konkurrenten, zu seiner undankbaren Handlungsweise verleitet worden sein.) Er setzte sich mit einem gleichgesinnten Mitarbeiter ins Vernehmen und beide kamen nun darin überein, daß der erstere jeden Abend einen Teil der ihm anvertrauten Maschine wegnehme und dem letzteren überbringe, letzterer es in der Nacht nachmache und ersterer morgens dasselbe zurücknehme und an die Maschine wieder anschrauben sollte. Und in der That triebens die sauberen Gesellen also, und Stück für Stück des ziemlich komplizierten Werkes trat die Wanderung in die nächtliche Werkstätte an, bis endlich der raffinierte Vertrauens- bruch entdeckt wurde und als corpus äelicti in der Wohnung des geheimen Nach-Konstrukteurs ein Maschinenteil konfisziert werden konnte. Die Sache kam darauf vor das Schöffengericht in Balingen, welches über die beiden treulosen Arbeiter eine Strafe wegen Diebstahls verhängte. Aus eingelegte Berufung hob jedoch das Landgericht Rottweil das erstinstanzliche Urteil auf und sprach die Angeklagten frei, weil der Thatbestand des Diebstahls nicht erbracht sei, indem die Angabe der beiden, daß sie das bei ihnen Vorgefundene Maschinenstück ebenso wie die vorher weggenommenen andern morgens wieder freiwillig an Ort und Stelle verbracht haben würden, wenn sie hierin nicht durch die inzwischen erfolgte Entdeckung verhindert worden wären, nicht unglaubhaft erscheine.
Augsburg, 15. April. Vor der Strafkammer des hiesigen Landgerichts kam dieser Tage ein sog. Bierpantscher Prozeß zur Verhandlung. Angeklagt waren der Bierbrauerssohn Simon Hämmerle und dessen Mutter, die Bierbrauerswitwe Anna Hämmerle vcm Wetten- hausen, K. Amtsgericht Burgau. Ersterer hat in den Jahren 1883 und 1884 von der Salicylsäurefabrik des vr. E. v. H e y d e r in Dresden je 1/2 Kgr. Salicylsäure bezogen und, wie die nachherige chemische Untersuchung des als sauer und ungenießbar beschlagnahmten Bieres herausstellte, zur Hemmung der eingetretenen Verderbnis dem Biere beigemischt. Die Mitangeklagte Brauerswitwe hatte wissentlich und unter Verschweigung des erschwerenden Umstandes das Bier feil gehalten und verkauft. Der Angeklagte stellte die Beimengung der Salicylsäure zum Bier in Abrede, er will sie vielmehr nur zur Vertreibung des Fußschweißes und zur Reinigung der linken Augenhöhle, in welcher er ein künstliches Auge trägt, verwendet haben. Diese Aussage fand natürlich beim Richterkollegium keinen Glauben, zumal, wie erwähnt, das Sachverständigengutachten unwiderlegbar das Vorhandensein von Salicylsäure im fraglichen Biere bestätigte. Der Angeklagte und seine Mutter wurden denn auch wegen Vergehen gegen das Nahrungsmittelgesetz bezw. Uebertretung des Malzaufschlagsgesetzes und zwar ersterer zu einer 14tägigen Gefängnis- und 100 ^ Geldstrafe, letztere zu 1 Monat Gefängnis- und 180 Geldstrafe verurteilt.
Devrnifchtes.
— In Berliner Blättern las man, daß dieser Tage im kaiserlichen Palais eine Scheibe durch einen Stein eingeworfen worden sei; andererseits wurde die Nachricht dementiert. Das „Berl. Tagbl." will nun
sicher erfahren haben: Am letzten Freitag Abend gegen 11 Uhr nahm ein junger, bartloser Mensch bei strömendem Regen am Denkmal Friedrichs des Großen Aufstellung und schleuderte von da aus einen etwa faustgroßen Stein nach dem Palais, der die Scheibe eines der nicht mehr erleuchteten Parterrefenster zertrümmerte. Der Thäter wurde von den Schutzleuten, die Tag und Nacht vor den Fenstern des Kaisers Dienst haben, dingfest gemacht und zur Wache gebracht. Der Thäter heißt Eugen Singer, ist 21 Jahre alt, aus Neisse in Schlesien. Singer wird von seinen Bekannten als ein durchaus solider, etwas beschränkter Mensch geschildert. Um Politik kümmerte er sich nie. Man vermutet Geistesstörung, denn Singer soll zu dem Untersuchungsrichter geäußert haben: er sehe dem Kaiser sehr ähnlich und habe deshalb das Verlangen getragen, beim Kaiser vorsprechen zu dürfen. Der einzige Weg, um zum Kaiser zu gelangen, sei nach seiner Meinung der gewesen, ein Fenster des Palais zu zertrümmern.
— Der deutsche Geographentag hielt am Samstag seine zweite Sitzung, in welcher interessante Vorträge über die Afrikaforsch- ung auf der Tagesordnung standen. Dr. G. A. Fischer (Zansibar) sprach über die klimatischen Verhältnisse Afrikas in Bezug auf die Verwendung überschüssiger deutscher Arbeitskräfte. Der Deutsche kann sich dort niemals acclimatisieren; es tritt dort bei den Weißen Blutarmut ein; selbst wenn er das Klima aus- halten sollte, so würde doch nach einigen Generationen das Geschlecht entarten, wie es mit den Portugiesen längst der Fall war. Was das höher gelegene Terrain anbetrifft, so kann bis zu einer Höhe von 2000 Mtr. keine besondere Besserung der Lebensbedingungen eintreten. Zwischen Tages- und Nachttemperatur herrschen große empfindliche Schwankungen. Jndeß darf man die TemperaturverhWnisse Zentralafrikas nicht zu sehr generalisieren; es finden sich in den verschiedenen Gebieten sehr erhebliche Abweichungen. Für den deutschen Arbeiter ist es ein großer Unterschied, ob er wie in unserem Klima bei einer mittleren Temperatur von 11 Grad C. lebt oder wie in den neuen deutschen Erwerbungen bei 24 Grad C. Deutsche Pflanzen vertrocknen dort und verkommen, auch europäische Tiere — Jagdhunde aus Deutschland z. B. werden im Klima Zsntralafrikas stumpfsinnig. An die Hsrzthütigkeit werden in jenem heißen Klima zu große Anforderungen gestellt, Herzvergrößerungen sind daher unter den Weißen nichts seltenes. Selbst manche hoch gelegene Gebiete im Innern find ebenso ungesund und fieberhaft wie die Küstenländer. „Die ungesunden Gebiete sind die fruchtbaren, die unfruchtbaren sind gesund" — dieser Satz gilt für ganz Zentralafrika. Lüderitz-Land ist gesund, hier wächst aber auch kein Gras. Dürre Hochländer sind gesund. Zansibar hat seit 20 Jahren weniger Regen und ist daher gesunder als früher; man könnte Zansibar durch Abzugskanäle gesund machen, aber es wäre dann mit der Reiskultur vorbei. Die Miasmen sind eben mit der Feuchtigkeit unzertrennbar verbunden. Die Beamten der Kongogesellschaft verpflichten sich auch nur auf 3 Jahre, dann werden sie auf Kosten der Gesellschaft zur Erholung nach Europa geschickt. Von solcher Erholung könnte aber bei deutschen Auswanderern nicht die Rede sein. Wer nur eine Nacht im Innern von Zansibar schläft, wird unfehlbar von einem bösartigen Fieber ergriffen. Wenn die Karawanen durch die Bambuswälder einige Grad südlich vom Aepuator ziehen, so verlieren sie in kurzer Zeit viele ihrer Träger an Fieberkrankheiten. Dr. Fischer hat auf seinen Reisen, wie in Ausübung seines ärztlichen Berufes praktische Erfahrungen in dieser Frage mehr als genug zu sammeln vermocht. Die Malaria pflanzt sich sogar von dem Boden bis in die Schiffe, die im Hafen von Zansibar liegen, epidemisch fort. Mit der Zeit mag durch Bodenkultur die klimatische Lage sich bessern, indeß unterliegt es keinem Zweifel, daß die Malaria stets den Weißen verderblich sein wird, die sich dort anfiedeln sollten. Bon dem Elfenbein-Reichtum Afrikas erstattete darauf W. Westendarp (Hamburg) näheren Bericht. Auf seiner indischen Forschungsreise fand derselbe, daß cms Ost-Afrika der Export vsn Elfenbein am größten sei. Obgleich nördlich vom fünfzehnten Breitengrade keine Elephanten mehr Vorkommen, so scheuen die Binnen- Afrikaner doch nicht die weite Wüstenreise bis nach Tripolis. Denn hier ist ein Hauptelfenbeinmarkt am afrikanischen Mittelmeer. Das Elfenbein kommt
geradenwegs auf die Laube zu; sie erhob sich bleich und zitternd, legte ihre Hand, um sich zu stützen, auf das Geländer der Laube und ließ die Arbeit aus der Linken zu Boden fallen. — Ein Mann stand vor ihr im Eingänge der Laube.
„Vater!" rief Therese und stürzte halb ohnmächtig in seine Arme.
Es war in der That Baltimore.
Lange preßte er Therese an seine Brust; dann zog er sie sanft in die Laube, ließ sie auf seine Kniee sich niedersetzen und küßte sie innig auf Stirn und Haar.
„Vergieb, daß ich Dich so sehr erschreckt habe, Kind", sagte er zärtlch; „in meinem Egoismus hatte ich mir die Freude machen wollen, Dich zu überraschen, ohne daß ich daran dachte, daß der Schrecken Dir weh thun könne."
„O, lieber Vater, die Freude thut nie weh", entgegnete Therese, indem sie feuchten Auges dem Vater in's Antlitz schaute. Dieser betrachtete seine Tochter mit Bewunderung und Zärtlichkeit und war wie versunken in diesen stummen Anblick.
Baltimore war ein Mann von etwa fünfzig Jahren; seine hohe, kraftvolle Gestalt, seine gebräunte Gesichtsfarbe, sein dichtes, braunes Haar, der wilde Glanz seiner tiefliegenden Augen, eine eigentümliche, in seinen Zügen liegende Energie erheischten eine unbedingte Achtung und flößten fast eine gewiffe Furcht ein; ein eiserner Wille vereint mit scharfem Verstände lag auf seiner mächtigen Stirn; die Bestimmtheit seiner Bewegungen und der edle Anstand seiner Haltung deutete auf seine Gewohnheit, zu befehlen und Autorität zu üben. Wie ein Sonnenstrahl, der sich durch eine schwarze Wolke bricht, erhellte in diesem Augenblick ein Lächeln voll unsagbaren Glückes sein männliche«, aber fast finsteres Angesicht und verriet, daß unter dieser harten Rinde ein gefühlvolles Herz schlug. Baltimore war von der Natur mit dem zartfühlendsten Charakter ausgestattet worden; aber der rauhe Wind des
Unglücks, vielleicht auch die .Krallen der Ungerechtigkeit und des Hasses, hatten diese edle Blume zerstört und zrrissen, und seit lange hatte an ihrer Stelle erbarmungs- und rücksichtslose Härte Besitz von seiner Seele genommen: nur wenn er in der Nähe seines Kindes weilte, entzündete sich wieder der entschlummerte Funke, und Baltimore fühlte die edlen Saiten seines Herzens wilder erbeben; war er sonst nur ein Mann des Willens und des Verstandes, so ward er bei seinem Kinde auch wieder Gemütsmensch.
Als er Therese einige Minuten in väterlichem Stolz angeschaut hatte, sagte er mit leicht zitternder Stimme:
Es ist kaum ein Monat, daß ich Dich verließ, mein Kind, und doch habe ich niemals, selbst bei viel längerer Abwesenheit, mich'so heiß danach gesehnt. Dich wiederzusehen, wie dieses Mal; mir war immer, als schwebe ein Unglück über Dir, vielleicht eine alberne Abergläubigkeit, aber so mächtig, daß ich mich ihres Eindruckes nicht zu erwehren wußte. Zum ersten Male habe ich kaum den Mut gehabt, die Schwelle des Hauses zu überschreiten. Beruhige mich darum schnell; für Dich brauche ich nicht mehr zu fürchten, da ich Dich ja in meinen Armen halte: aber Deine Mutter, die ich noch nicht gesehen habe — wie geht es ihr?"
„Sei ohne Furcht, Vater" , antwortete Therese, indem sie Baltimore auf die Wange küßte; „der Zustand der Mutter hat sich nicht verschlimmert; er ist derselbe, wie bei Deiner Abreise. Erst heute Morgen mar sie überglücklich wegen einer neuen Blume, die ich ihr ins Zimmer gestellt hatte, das schönste Exemplar einer tropischen Pflanze, das Du Dir vorstellen kannst; das giebt ihr nun für wenigstens eine Woche Zerstreuung und Anregung."
„Und Du, Kind, bist Du denn auch glücklich?" fragte Baltimore.
Das junge Mädchen seufzte und sah seinen Vater innig an.
„Ach Vater", antwortete es, „ich kann kaum so rechtes Glück auf Erden