6«. Jahrgang.

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Amts- unä Intefligenzbkatt für äen Aezirst.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

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Samstag, äen 18. Aprik 1885.

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-Politische Wachvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 14. April. Der Reichstag hat heute seine Sitzungen wieder ausgenommen, freilich ohne in der ersten Sitzung zu einem praktischen Resultat zu gelangen; denn bei der Auszählung ergab sich ein beschlußunfähiges Haus. Zu Beginn der Sitzung teilte Präsident v. Wedell mit, daß Freiherr v. Schorlemer-Alst sein Mandat nieder gelegt habe, eine Nachricht, die große Bewegung hervorrief. Es wurde sodann die Beratung der Zolltarifnovelle fortgesetzt. Brömel (freis.) beantragte eine Herab­setzung der für Erden und Erze vorgeschlagenen Zölle; Biehl (ZentrJ fordert einen Zollsatz von 1 ^ für Schlemmkreide, Delbrück einen Zoll­satz von 30 L für Cement. Biehl erblickt in dem Cementzoll einen Re­torsionszoll gegen Oesterreich, indem der seewärts eingehende Cement unver­steuert bleibe. Staatssekretär v. Burchard bestreitet den Charakter der Retorsion. Richter fpricht sich gegen die Trennung des Materials in auf dem Landweg und seewärts eingehendes aus, womit man das Prinzip der Meistbegünstigungsverträge durchbreche. Die Freisinnigan verlangten nament­liche Abstimmung, Köller (kons.) die Auszählung. Dieselbe ergab 156 Anwesende.

. DieNordd. Allg. Ztg," schreibt:Bezüglich der aus der Bis­marck-Spende zu errichtenden Stiftung hören wir, daß der Reichskanzler der Ueberzeugunz fei, dieselbe müsse einem mehr als lokalen Zweck dienen, da die Beiträge zu der gedachten Spende aus allen Laudesteileu hersiammen. Auf dem Gebiete der Sozialpolitik wird sich mit einem Kapital, das etwa 50,000 vtL Zinsen jährlich abwirft, nichts lebensfähiges schaffen lassen. Für eine allgemeine Stiftung, etwa im Sinne der Altersversorgung, reichen die vorhandenen Mittel nicht aus. Aus diesen Erwägungen ist der Herr Reichs­kanzler zu der Ansicht gekommen, daß sich als Stiftungszweck die Gewährung von Universitätsstipendien empfehlen würde, und zwar speziell zu Gunsten der Studierenden und Kandidaten des höheren Lehrfachs."

Die Sozialdemokraten spotten stets darüber, wem andere Parteien einen Lebendigen oder Toten einmal feiern, sie selbst aber leisten inbezüg auf Demonstrationen bei jeder Gelegenheit das Menschenmögliche. So haben sie am Sonntag Nachmittag in Weißensee bei Berlin einen ihrer Kameraden, den Maurer Albert Joseph, Kassierer des Arbeiterbezirksvereins der Schönhauser Vorstadt, begraben und dabei wieder große Kränze, rote Schleifen und eine gewaltige Redegabe entfaltet. Schließlich wurde auch noch dieArbeitermarseillaise" und dasPetroleumlied" gesungen, dessen Duft aber die Polizei herbeiführte, worauf es mit der Demonstration ein schleuniges Ende nahm.

Der Freiberger Bergingenieur Pohle, der im Dienste des Herrn Lüderitz steht, hat eine Anzahl von Erzen aus Angra Peguena

an die K. Bergakademie zu Freiberg zur Prüfung eingesendet. Nunmehr aber hat sich ergeben, daß die Probestücke zum Teil wertlose, erzfreie Gesteins - stücke sind, zum Teil Erze, die nur in sehr großen Mengen und bei günstigen Abfuhrwegen sowie bei Vorhandensein von Hütten- und Kohlenwerken mit mit Nutzen zu verwerten sind. Das eine Stück ist Quarz mit Schwefelkies, aus welchem möglicherweise durch besonderes Verfahren etwas Gold zu gewinnen ist. Die übrigen Erze sind Brauneisenerz, Rotsisenerz und Eisenglanz, welches letztere irrtümlich als Rotgültigerz (eines der wertvollsten Silbererze) angesehen worden war.

Gages-Werrrgkerten.

Calw, 15. April. Heute wurde der Grundstein der neuen kath. Kirche hier von Herrn Stadtpfarrer Stein von Weil der Stadt unter er­hebenden und weihevollen Gebeten eingesegnet. An der Feier, die übrigens gemäß höheren Weisungen ohne offizielle Einladungen und weitere Festlich­keiten in aller Stille verlief, nahmen die Katholiken und auch viele Prote­stanten und die beim Bau beschäftigten Handwerker Anteil. Während der Grundsteinlegung hielt der Herr Stadtpfarrer eine Ansprache, aus der wir folgende, auch für weitere Kreise Interesse bietenden Sätze entnehmen. Der Redner begann: Es sei eine seltene und freudige Feier, welche heute die Katholiken der Stadt und Umgegend an diesem Platze vereinige. Was man noch vor 10 Jahren nicht geträumt habe, was höchstens als stiller frommer Wunsch in der Brust der hiesigen Katholiken aufgetaucht sein möge, was fast undurch­führbar und unmöglich erschien, das sei in verhältnismäßig kurzer Zeit nun­mehr volle Wahrheit und Wirklichkeit geworden. Es werde nun den zer­streuten Katholiken ein kirchlicher Sammel- und Mittelpunkt geschaffen zu ihrer Erbauung, geistigen Erquickung und Erneuerung. Viele Bedenken seien zu beseitigen, viele Schwierigkeiten zu überwinden, viele Hindernisse zu ent­fernen gewesen, um das schwierige Unternehmen beginnen und glücklich zum Ziele führen zu können. Wie alles Menschenwerk sei auch dieses aus kleinen Anfängen entstanden. Im Jahre 1867 sei in dem Ralhaussaale der katho­lische Gottesdienst eröffnet und zuerst alle 4 Wochen, später alle 14 Tage Gottesdienst gehalten worden. Später, als das Kreisstrafgericht seinen Ein­zug ins Rathaus gehalten, sei durch das freundliche Entgegenkommen der hiesigen Kollegien die Stadtpfarrkirche, im vorigen Jahre die Turnhalle zur Mitbenützung eingeräumt worden. Nach diesem Wanderleben seien nun die Katholiken bald in der glücklichen Lage, ein eigenes Gotteshaus be­ziehen zu können. Der Herr Stadtpfarrer schilderte sodann noch die innere hohe Bedeutung des kirchlichen Aktes der Grundsteinlegung, was wir übrigens hier übergehen und schloß seine herzliche und ergreifende Ansprache mit den besten Segenswünschen für den Weiterbau und für die neu entstehende Ge­meinde. Im Anschluß lassen wir den Wortlaut der Urkunde folgen, die in in den Grundstein gelegt wurde:

Feuilleton.

Zm Abgründe.

Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans:Ein Vampy r.")

Fortsetzung.

H.

Im Garten eines kleinen Rentnerhauses, das in einem anderen Viertel der Stadt gelegen war, saß in einer schattigen Laube ein junges Mädchen und verfolgte mit Eifer eine kleine Handarbeit. Indes waren es nur ihre Finger, die ausschließlich dieser Thätigkeit nachhingen; ihre Gedanken waren offenbar allerwärts. Von Zeit zu Zeit ging ein leiser Windhauch durch das Laubwerk und setzte dasselbe in zitternde Bewegung, und dann erbebte sie allemal, hielt den Atem an und lauschte ängstlich aufmerksam; und wenn dann die vorige Stille wieder eintrat, dann seufzte sie tief auf, betrachtete ein kleines Ringlein, das sie am Finger trug und nahm mechanisch ihre eben unterbrochene Handarbeit wieder auf.

Therese Baltimore so hieß das junge Mädchen zählte kaum achtzehn Jahre; sie war die Vollendung von Jugendfrische, Zartheit und Grazie. Ihr blondes seidenartiges Haar hing in langen Locken über ihre Schultern und gab ihrer ohnehin feinen Erscheinung einen kindlichen Ausdruck; ihre blauen Augen spiegelten die Reinheit ihres jugendlichen Herzens und die vertrauensvolle Güte ihres Charakters wieder; sie war klein, aber schmiegsam

und graziös, und jede ihrer Bewegungen 'deutete aus die Lebhaftigkeit ihres Geistes, der ebenso zugänglich für den Schmerz, wie für die Freude war. Ein warmer, freundlicher Sonnenstrahl, das Aufgehen einer Blume, der Gesang eines Vögleins konnten Therese beglücken eine dunkle Wetterwolke sie melancholisch stimmen. Freude und Schmerz hatten nicht gleichen Anteil an ihrem Dasein; das arme Kind kannte des Schicksals Grausamkeit, und jene unschuldigen Freuden klärten das Dunkel ihres Lebens nur in der Weise auf, wie der zuckende Blitz die schwarze Gewitternacht auf Momente erhellt. Ein lebendes Unglück begleitete Theresens Tage seit ihrer frühesten Lebens­zeit; sie hatte neben sich eine Frau, der sie den Namen Mutter gab, die sie aber niemals Kind nannte; eine Frau, für deren Liebkosung sie ihr Herzblut gegeben hätte, die aber niemals ihr auch nur ein Lächeln schenkte: ein un­glückliches Weib, das der Engel des Unheils mit hartem Flügelschlage getroffen, in deren Geist Nacht, in deren Herzen öde Leere war.

Therese war noch ein kleines Kind, als ihre Mutter das Licht des Ver­standes verlor. Das furchtbare Ereignis hatte keinerlei Spur in der Erinne­rung Theresens zurückgelaffen; sie wußte nur, daß sie früher, als kleines Kind von der Mutter aus dem Schlafe aufgeküßt zu werden pflegte, daß aber eines Tages die Mutter ihr ihre Zärtlichkeit nicht mehr zu Teil werden ließ, und es dann dauernd so blieb. Zu der Zeit war der Vater abwesend. Als er ins Haus heimkehrte, war er selbst nahe daran, vor Schrecken und Schmerz wahnsinnig zu werden. Aber ein Umstand, der Therese wunderte und beunruhigte, als sie heranwuchs und das Unglück ihres Hauses verstehen lernte, war der, daß der Schmerz ihres Vaters, statt sich in tiefer Trauer zu äußern, wie großes Leid es sonst mit sich führt, sehr oft in dumpfem Zorn