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Inseralion-gcdükr für die Rpallwe Ziiie ans aewöbniilnr Lcbritt lei einmaliacc Einrückuny 3 Kreuzer, bei mebrmnliger je 2 Kreuzer.

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trsidehanLet läuten die Berichte vvn den meisten nusweirliizen Börse» und Märtlen wieder etwas matter und die begonnene festere Stimmung konnte nirgends wertere Fortschritte machen und der Verkehr an unserer Börse war auch heule wieder beschränkt, indem es eben sorkwahrend an Kauflust fehlt. Der Hopfenmarki war schwach besucht, , doch haben sich die Preise um mebrere Gulden gebessert. Wir noliren: Waizen unga­rischer 0 sl. 45 kr. bis 7 sl. 16 kr., baierischer 6 il. 30 bis L> kr., ameri­kanischer 0 sl. 4L kr, Kernen (i fl. 33 bis 42 kr, Dinkel 4 sl. 0 kr., Gerste bayerische 5 sl. 42 kr., ungarisches Malz 0 sl- 30 kr., Hasrr 5» sl. >> 15 kr., Dapsen 127-130 >1. Mehlpreise pro IO.» Kilogramm sammt Sack: Nr. t Ll sl. 30 kr. bis 22 sl. 30 kr-, Nr. 2 16 sl. 30 kr., bis 11» sl. 30 kr., Nr. 3 17 sl. 30 tr. bis 18 sl., Nr. 4 13 ,l. dis 13 sl. 30 kr.

Slult gart. In Koruwestheim ist geslctn die Leiche eines neugeborenen Krudes, dessen Kopf abgeschuitteu war, in einem vom Stuttgarter Bahnhöfe bezogenem Gülleusaß gesunden worden.

Stuttgart, 3. Nov. Heute Nacht erlag einem längeren Leiden der Herr Präsident der zweiten Kammer, Vertreter des Bezirks Cannstatt in der Kammer der Abgeordneten und des XI. würltcmber gischen Wahlkreises iBackuaiig-Hall-Ochnngeu-WeiiiS- berg) im deutschen Reichstag, Oberlribunairaih Franz v Weber.

Stuttgart, 1. Nov. Die drille und letzte Luftfahrt des Avrruauleu Sivel wurde nicht von ihm, sondern von dessen Schwiegermutter, der Luftschiffen» Madame Poilevin ausgcführt, und zwar allein, da ein nugemeldeter Passagier nicht ei schienen war. Der Ballon nahm bald seine Richtung Stuttgart zu, fuhr an Stuttgart vorbei, wo er über den Kriegsbergen hin wahrge- »ommen wurde, und kam Abends b'/s Uhr bei Weit im Dorf mit der,wohlbehaltenen Mironaulin herab, die, vor 3 Uhr wieder hier ivar. Sic hatte eine Höhe svon 1300 Meter (3250 Fuß, vor 8 Tagen gegen 701)0 Fuß) erreicht.

Leonberg, 2. Nov. Sestern hat sich bei der Station Dizingen ein schwerer Ungläcksfall ereignet. Der Bahnwärter Schmid wurde vom Zug überfahren und dabei am Fuß, Arm und Kopf jo schwer verletzt, daß er bald darauf verschied. Der Unglückliche hintcrläßt eine Frau und zwei Kinder.

Rollweil, 31. Okt. Der wegen des berühmten Dunnin- Hcr Todesfall verhaftete Müller Fischinger soll seine verbreche­rische Thal eiugestauden haben.

Würzburg, 29. Okt. Prozeß Kullmann. (Schluß) Präsident: Wußten Sie, daß Fürst Bismarck in Berlin war? Angeklagter: Ja, aus den Zeitungen. Pr.: Haben Sie in Ber­lin Ihre Waffe probirt? Ang.: Ja, mehrmals. Pr.: Zu wel­chem Zwecke? Ang.: Um mich zu überzeugen, daß die Pistole nicht verjage. Pr.: Sie sollen dem Bötlchergejellcn Bruscorius gejagt haben, Sic gingen nach Berlin, um den Fürsten Bismarck aufzujuchen? Ang.: Das werde ich wohl schwerlich gesagt haben. Pr. : Haben Sie sich in Berlin nach der Wohnung des Fürsten Bismarck erkundigt: Ang.: Ja. Pr.: Haben Sic Rehposten dort eingekauft? Ang.: Ja, 0 Stück. Pr.: Warum haben Sie Ihren Anschlag damals noch nicht ausgesührt? Ang.: Ich konnte die Wohnung des Fürsten damals nicht finden. Später erfuhr ich, daß der Fürst an einem Sonntag Berlin verlassen habe. Dem weiteren Verhör entnehmen wir, daß Kullmann dann in Berlin und Potsdam Arbeit genommen und hierauf eine Stelle in Sau- gershausen angenommen habe. Dort äußerte er seinem Milge- sellen Schulze gegenüber, dem er seine Rehposten zeigte, die Po­sten seien groß genug, um einem Menschen das Lebenslicht aus­zublasen. Sobald er erfahren habe, daß Fürst Bismarck in Kis- singen sei, habe er sich entschlossen, dorthin zu gehen und sich nach seiner Karle über den Weg dorthin orientirt. Pr.: Sie machten also die Reise zu welchem Zwecke? Ang.: Um dem Fürsten Bismarck das Leben zu nehmen. Auf weiteres Befragen erklärt der Angeklagte, daß er Montag den 6. Juli abgereist und am folgenden Sonntag gegen *,«9 Vormittags in Kissingen angekommen sei. Kurz vor seiner Ankunft daselbst habe er seine Pistole mit zwei Rehposten geladen. Die auf dem Gcrichtstische liegende Pistole erkennt er als die seinige an. In Kissingen habe er sich den Sonntag über in Wirthshäuseru und im Kurgarten umher- gelrieben und sich dabei nach der Wohnung des Fürsten, wenn er auszufahren pflege u. s. w. erkundigt. Abends von 10 12

Uhr habe er vor dem Hanse des Fürslen gestanden. Pr.: In welcher Absicht? Ang : Cs war mir zu Muthe, als wenn er imr wieder entwischen tönne. Pr.: Warum führten Sw Ihr Volhaben nicht gleich am Sonntag ans? Ang.: Auch wenn ich es gekonnt hätte, so hätte ich es doch nicht gcthun, da der Sonn­tag ei» heiliger Tag ist. Pr.: Halten Sie so viel von der Re­ligion? Und Sie sind doch seit einem Iahe nicht zur Beichte gegangen, während den Katholiken ihre Religion dock! gebieiei, jede Osleru zu kommuniznen? Ang: Ich halte den Plan schon zu Ostern gefaßt und da hätte mir die Beichte nichts genützt. Änf Befragen erklärt der Angeklagte: Er habe sich in der NälF der Hauslhnre ausgestellt, um hier aus den Fürsten zu zielen, da ee voinusgesehen, daß der Wagen bei der Wendung aus dem Hose langsamer fahren müsse. Die Pistole habe er unter dem Rock heivorgezogen und er fei, als ee den Färsl.-nbemeikr, ll Hs Schritte vorgcgangen. Cr habe nach dem Kopf gezielt, damit es nicht wieder gehe, wie l8L0, wo einer auf die Brust gehal­ten und der Panzer den Schuß abgehalien habe. In der Linken habe er noch ein zweiies Zündhütchen gehalten, dann!, wenn der Schuß fehl gehe, er auch dieses benützen könne. Nach dem Schüsse habe er die Pistole weggcworsen und die Flucht ergriffen. Pr.: Was hat Sie denn zu einer so frevelhaften Handlung bewogen? Ang.: Weil ich den Reichskanzler als den Urheber des konfes­sionellen Slreiies ansah. Pr.: Glaubten Sie denn, daß mit dem Tode des Fürsten die Dinge sich ändern würden? Ang.:

Das weniger. Aber ich hielt ihn für u»seren stärksten Partei -

gegner. Pr.: Sind Sie jetzt zu der Ueberzcngung gekommen,

daß Sic ein schweres Verbrechen begangen haben? Ang.: Ja, jetzt, wo ich mir das mehr bedacht habe, sehe ich.das ein. Da­mit endet das Verhör des Angeklagten, der alle Fragen inil ruhi­ger fester Stimme beantwortet hat. Die Zeugenaussage bestä­tigt im Wesentlichen die von dem Angeklagten eingeslandenen Thaisachcn. Gegen die Angaben des Polizciraths Roberts von Berlin hat der Angeklagte nichts weiter einznivenden, alsdaß diese Angaben aus Unwahrheiten beruhten." Dr. Diruf aus

Kissingen, tu dessen Haus der Fürst wohule, gibt eine genaue Beschreibung der Verwundung, die von dem Kissiuger Bezirks­arzt Dr. v. Franquo bestätigt wird. Die Zeugen Ries, Schauer und Scittel, sämmtlich Geusdarmen, die bei der Verhaftung Kull- malins zugegen gewesen, berichten über Unterredungen, die sie mit dem Angeklagten gehabt haben. Dem letztgenannten gegen­über habe er sich geäußert, wenn ec auch seinen Zweck verfehlt habe, so seien noch andere ausgestellt, die auf den Bismarck schie­ßen würden. Der Zeuge hält der Ableugnung des Ang. gegen­über diese Aeußerung aufrecht. Lehrer Funke ans Neustadt-Mag­deburg erklärt, daß K. als Schüler von mittelmäßiger Begabung und verschlossenem und eigensinnigem Charakter gewesen sei. Sein geistiger Zustand habe nie eine Abnormität verrathen. Dieser Zeuge erwähnt zum erstenmal des Irrsinns der Mutter K.'s, die im Jrrenhausc zu Magdeburg im vorigen Jahre starb. Böltchermcister Welsch von Magdeburg, bei dem Ang. in der Lehre Hestaudeu, sagt aus, daß dieser sich im erstell Jahre im Ganzen ordentlich betragen, später aber ein verschlossenes und tückisches Temperament" gezeigt habe. Böttchermeister Jenrich ans Salzwedel spricht sich besser über ihn aus. Erst später sei er mehr in die Kirche gegangen, bet Tisch habe er sich öfters heftig über die Maigesetze ausgesprochen. Auch habe er erklärt, wenn es einmal einen Neligionskrieg geben werde, so werde er an der Spitze mitgehen. Bismarck habe er oft ins Gespräch ge­zogen, immer aber sei er auf die Maigesetze zuräckgekommcn, auf die päpstliche Unfehlbarkeit und daß an der Religion nicht gerüt­telt werden dürfe. Als Zeugen treten sodann mehrere Mitge- selleu auf, die sämmllich die von K. eingestandenen Acußerungen über sein Vorhaben bestätigen. Nachdem Landrichter Debon aus Kissingen über sein erstes Verhör K.'s berichtet, folgen die Gut­achten verschiedener Experten, die sämmtlich sich dahin aussprechen, daß K. bei der Ausführung seines Vorhabens phychisch gesund und vollkommen zurechnungsfähig gewesen sei. Es kommen noch Gutachten Magdeburger Aerzle über das Jrrsciu der Mutter K.'s Mid den Selbstmord des Großvaters zur Voilesung, auS denen hervorgeht, daß die Mutier durch die Trunkenheit des