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Führen; fehl!, kam; jedoch auch die Landwehr ans dem Landsturm ergänzt werden. — Das erste Mitglied des Hauses, welches auf dem Bureau erschien und seine Karte adforderte, war der soz.-d. Abg. Hasel mann.
Die Thronrede, nachdem sie die besetze berührt, die dem Reichstage zur Vorlage gebracht werden, schließt: „Unsere Beziehungen zu allen fremden Negierungen sind friedlich und wohlwollend, und in dee bewährten Freundschaft, welche mich mit den Herrschern mächtiger Reiche verbindet, liegt eine Bürgschaft der Dauer des Friedens. Mir liegt jede Versuchung fern, die geeinte Macht des Reiches anders als zu dessen Verth eidignng zu verwenden; vielmehr ist es gerade diese Macht, weiche meine Regierung in den Stanv setzi, ungerechten Verdächtigungen dieser Politk gegenüber zn schweigen und gegen das Uebelwollen und die Parteileidenschaft erst dann Stellung zn nehmen, wenn dieselben zn Thaten übergehen sollten. Dann weiß ich, was für die Rechte und die Ehre deS Reichs jederzci! die gcsammle Nation und ihre Fürsten mit mir einzu- lreten bereit sind."
Berlin, 29. Okt. Die kürzlich vom „Daily Telegraph" gebrachte Nachricht: Deutschland beabsichtige, anzufrazen, ob Belgien seine Neutralität aufrechterhalten könne? bestätigen hiesige Diplomaten-Kreise, indem sie darauf Hinweisen, daß kein officiel- les Dementi erfolgt sei, und daß Deutschland vollkommen berechtigt sei, diese bereits früher von anderen Mächten angeregte Frage zn stellen. Solche Anfrage bedeute durchaus keine Provokation von Seite Deutschlands.
Berlin, 3l. Okt. In der heutigen Sitzung des Reichstages wurde v. Forckenbeck mit 205 von 207 abgegebenen Stimmen zum Präsidenten, Frhr. Schenk v. Stauffenberg mit 144 von 211 Stimmen zum ersten Vice-Präsioenten gewählt. Bei letzterer Wahl erhielt Fürst zu Hohenlohe Langenbnrg 44 Stimmen, während '22 Zettel unbeschrieben waren. Zum zweiten Vice-Präsiventen wurde Hänel mit 143 von 204 gewählt, v. Pultkammer erhielt 33 Stimmen.
London, 39 Okt Die Morgen-Nummer der „Times" bespricht die gestrige Thronrede des deutschen Kaisers. Der Artikel sagt: das Gestirn Deutschlands sei sichtlich im Steigen begriffen. Nachdem der auswärtige Feind besiegt, die inneren Gegner überwältigt, die Macht des Klerus gebrochen, seien die friedlichen Versicherungen der Thronrede geeignet, allen kriegerischen ' Gerüchten ein Ende zn machen. Auch die große Zahl der dem Reichstage vorgelegten gesetzgeberischen Arbeiten lasse den Frieden nothwendig erscheinen. Eine so beschäftigte Nation könne nicht den Wunsch hegen, andere zn bekriegen.
Der Stadtralh von Glasgowhat mit 33 gegen 3 Stimmen ein Gesuch um Wiedereinführung der Prügelstrafe an die Regierung zn richten beschlossen, weil es außerdem nicht mehr möglich sei, mit der zunehmenden Roheit der Bevölkerung fertig zu werden. Die sich mehrenden Ranbanfälle, Mißhandlungen von Frauen und der häufige Gebrauch des Messers bei Nauf- händeln verlangten eine empfindlichere Ahndung als eine blose Freiheitsstrafe. Wenn sich das Mittel wirklich bewährt, so könnte vielleicht auch anderen Leinen damit geholfen werden!
Die Chinesen haben den Nähmaschinen den Tod geschworen, weil diese, wie sie sagen, der Arbeit und den Arbeitern schaden. In Hongkong wurden mehrere chinesische Schneider, die mit Maschinen zu arbeiten ansingen, gemißhandelt und aus der Zunft gestoßen. Man darf dabei nicht vergessen, daß in China der Zopf bis auf den heutigen Tag noch in hoher Achtung und Ehre steht.
Die Amerikaner sind uns immer um einen Schritt voraus und hoffentlich thun wir den Schritt gar nicht, um ihnen' nachzukommen. In Kitterlr, ist 1) Frau Roberts als Predigerin angestellt worden und hat 2) die Vollmacht erhallen, rechtsgültige Trauungen vorzunehmen. — In einer Kirche in Texas drohte während des Gottesdienstes eine Prügelei anszubrechen, da setzte der Geistliche auf der Kanzel seine Jagdflinte an die Backe und rief: William Dello, setze dich oder du wirst an mich denken! — William setzte sich wirklich.
Weiter und Weiter.
(Fortsetzung.)
Jetzt waren die Würfel gefallen. Olga's Glück war so groß, daß sie wo möglich den Boden unter ihren Füßen nicht fühlte, und die Großtante theilte diese Empfindung in ganzem Maße. Sie wurde zur Vertrauten, zur Rathgeberin, zur Beschützerin dieser Neigung erwählt, welche, wie das junge Paar fühlte, beim Direktor Ahlers noch auf Hindernisse stoßen konnte. Es galt daher ihn vorznbereiten, ihn nach und nach dahin zu führen, daß er den von ihm erwählten Schwiegersohn mit einem andern vertauschte, der alle weiblichen Stimmen in seiner Familie für sich hatte.
-Der Lehrer war nicht ganz zurückgewiesen worden, es hieß, daß Olga noch zu jung sei und ihm indessen verstauet bleibe, ihre Neigung zu gewinnen; er erschien daher als Gast im Hanse und wurde von dem Vater sehr geehrt. Dieser hatte von den
Plänen der Frauen nicht die geringste Ahnung. Indessen als nun Mutter, Tochter, Großtante auf ihn einstürmten und ihm vorstellten, das Glück seines Kindes keinem blinden Voruriheile zu opfern, welcher Mann hätte da mit seinen Einwänden Stand halten können?
Es boten sich Verhältnisse für Olga, welche er nicht für sie wünschte, für die er sie nicht erzogen, die sich seiner eigenen Lebensstellung nicht anpaßten; allein wie die Umstände immer stärker sind als unser Planen und Wollen, so war sie bereits unter seinen eigenen Augen in eine andere Sphäre hineingewach- seu und hatte Anschauungen gewonnen, die seiner Sinncsweise gerade widerstrebten; was blieb also schließlich noch, das er für sich hätte retten mögen? Er gestattete also nach manchem Ein- wande, daß der Lieutenant Friedrich bei ihm um seine Tochter ' anhalten durfte und legte segnend die Hand auf die Häupter des schönen Paares.
Die Verlobung ward gefeiert, die Anzeige davon in die Blätter gerückt; von der Hochzeit war einstweilen noch gar nicht die Rede. Olga zählte erst achtzehn Jahre, konnte also noch warten. Der Lieutenant durfte diesen Punkt überhaupt nicht benühren, ihm fehlten die Mittel, Olga heimzusühren, wann es seinen Wünschen entsprach; er mußte es abwarten, daß Andere für ihn sorgten.
Er war ein höchst ehreuwerther junger Mann, dem der Doktor Ahlers sehr bald gewogen ward. Sonntags speiste er mit am Familientische und hewies sich in dem kleinen Kreise so aufmerksam gegen die Schwiegereltern, wie früher schon gegen die Großtante Agathe, so daß auch diese ihn lieb gewannen.
Olga genoß ihr Glück in vollen Zügen. Sie hatte nie Geschwister gehabt und fand nun durch den Verlobten jede Lücke ihres Familienlebens auf das angenehmste ausgesüllt, jung, frisch und freudig genossen Beide der heitern Tage, die wolkenlos an ihnen vorüberzogen. Lange fragte Niemand, ob es immer so bleiben könne, bis endlich das Schicksal daran erinnerte, daß die Zeit Flügel habe und ihr mahnendes Vorwärts überall ertönen lasse.
Der Lieutenant Friedrich wurde ganz unerwartet versetzt.
Wie ein Schlag ans heiterm Himmel traf diese Nachricht die Familie. Man hatte die Möglichkeit vermuthet, eine solche Wendung der Dinge so ganz und gar nicht vorausgesetzt, daß auf allen Gesichtern ein rathloses: was nun zu thun? geschrieben stand. ' ' >
Am gefaßtesten war endlich doch noch der Lieutenant. Er mochte im Stillen denken, daß diese Veranlassung die Familie dazu bewegen könne, ihm Olga als Frau mitzugeben, und wäre dann mit der Versetzung ganz zufrieden gewesen; auch Olga hätte sich dann nicht beklagt. Allein solche Anstalten zu treffen, lag in den Händen der Großtante, und diese in Folge jener mit zunehmenden Jahren sich steigernden Selbstsucht dachte nicht daran.
Andere glücklich zn machen, sobald sie dabei einbüßte. Sie beklagte in diesem Falle nur sich, bedauerte nur sich. Sie war au die Gesellschaft des jungen Mannes gewöhnt und sollte sie entbehren, das schien ihr ein unverzeihliches Unrecht. Als der Lieutenant abreiste,, zeigte Olga ihre verweinten Augen, sie war niedergeschlagen, die Eltern waren es mit ihr und die Großtante fragte sich empört, womit sie das verdient habe.
Jetzt war im Familienkreise wohl die Rede davon, daß es wünschenswerth sei, wenn das junge Paar sich verheirathen könne; allein so wie die Großtante davon reden hörte, warf sie den Gedanken weit weg. „Habt ihr noch nicht genug an dem Verluste unseres Friedrich? Wollt ihr Olga auch noch fortgeben?
Was bleibt uns dann? Laßt sie warten, bis meine Augen sich geschlossen haben! Olga ist noch sehr jung und kann warten!"
Die Eltern wechselten einen Blick des Einverständnisses; sie sahen, daß keine Gründe bei der Tante etwas fruchten würden und man sich in Geduld fügen müsse. Mit siebenzig Jahren konnte allerdings jeder Tag das Lebensbnch schließen; allein darauf warten zu müssen und ein solches Ereigniß wie einen Freudentag in der Familie begrüßen zu sollen, hatte etwas dem Gefühle , Peinliches, die Hochzeit von einem Todesfälle abhängig zu machen, etwas das Schicksal Herausforderndes; man war der Großtante überdieß zu Dank verpflichtet, und die Tage einer solchen Person zählen zu wollen, wäre grausam gewesen. Es hieß also schweigen.
Olga war seit der Abreise des Lieutenants Friedrich auffallend niedergeschlagen und der Grund davon lag nicht sowohl in der hinausgeschobenen Verbindung, als in dem Znrückkehren zu einem weit einförmigeren Leben, wie sie es in den zwei Jahren, die sie als Verlobte zugebracht, geführt hatte. Wie das gewöhnlich der Fall ist, so hatte auch sie sich während dieser Zeit ihren Jugendfreundinnen entfremdet. Der Mann ihrer Wahl hatte für sie die Welt ansgemacht. Jetzt blickte sie um sich und fand alle sich ihr bietenden Freuden fade, reizlos, das Elternhaus einförmig, betrachtete die Gesellschaft der Großtante als ein zu bringendes Opfer. Sie zog sich mehr und mehr in ihr Zimmer zurück und hing ihren Gedanken nach. Fast täglich sandte sie Briefe an ihren Geliebten ab; trafen die seinigen nicht regelmäßig ein, so , verkündeten es die Spuren vergossener Thränen.