Amtsblatt für de« Oberamtsbezirk Nagold.

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Dienstag den 12. Ilai.

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T a g e s - N e u i g k e i 1 e n.

Stuttgart, 8. Mai. Die Trauung des Herzogs Eugen von Württemberg und der Großfürstin Vera hal heule Mittag im k. Schlosse in Anwesenheit des Kaisers von Rußland und der andern hohen Fcstgäste stattgefliuden.

Nürnberg, 7. Mai. In hiesiger Stadt reiht sich jetzt ein Strike au den anderen. Außer der bereits in Szene ge­setzten Arbeitseinstellung der Töpser und Lchuhmachergehilsen wurde in einer gestrigen, außerordentlich zahlreich besuchten Volksversammlung beschlossen, einen Bierstrike einlreten zu lassen, sobald die von den Brauern und Wirlhen projektirte Erhöhung des Bierpreises ins Leben treten solle.

Der schmucke Kaiserdom zu Speier wäre beinahe wie vor 400 Jahren ein Raub der Flammen gcivorden. Man hatte wie damals Feuer in der Emporbühne angelegt. Einige Bretter brannten schon lichterloh, als noch zu rechter Zeit Hülse kam und das Feuer gelöscht werden konnte.

Berlin, 6. Mai. Der Bundesrath beschloß auf Antrag des Ausschusses, seinen früheren Standpunkt seslzuhalten, die Ge­währung von Diäten an die Mitglieder des Reichstages abzulehnen.

Die Berliner städtischen Behörden sind lebhaft mit Ein­richtung der Standesämter für die Einsührung der Civilehe und Civilstandsregister beschäftigt. Ueber 100 Personen haben sich bereits dazu gemeldet, und zwar Beamte aller Kategorien, na­mentlich verabschiedete Offiziere, die in den Feldzügen invalide geworden und denen besondere Berücksichtigung zugewendet werden wird. Der Stadt erwächst aus Bestreitung dieser Angelegen­heiten eine Kostenlast von etwa 30,000 Thlr.

Berlin, 8. Mai. Bei der zweiten Berathung des Declarations-Gesetzes zu dem Maigesetz über Vorbildung und Anstellung der Geistlichen schildert Sybet das Treiben der ultra- montanen Fanatiker in Bonn und im Saarburger Kreise zur Bethörung der Bolkmassen, und fordert die Mitglieder des Cent- rums auf, die Fanatisirten vor Ausschreitungen zu bewahren, widrigenfalls die Verantwortung dafür ihnen zusalle. Derselbe Redner führt an, in Bonn hätten die Ultramontanen bei dem letzten Wahlkampfe verbreitet, Fürst Bismarck wolle selbst Papst werden, und noch schlimmer wie Bismarck seien die Liberalen in Bonn, sie wollten, daß der Papst nach Deutschland geschleppt, ihm der Bauch aufgeschlitzt und die Eingeweide herausgerisfen würden; am 15. Mai sollten die katholischen Kirchen zuge­schlossen und die Katholiken eingesperrt werden. Im Kreise Saarbrücken werde prophezeit, Anfangs Juni stehe ein Krieg be­vor, die Franzosen kämen zur Rettung der heiligen Kirche.

Paris, 4. Mai. Hier wird erzählt, der kaiserliche Prinz (Lulu) sei im Examen in Woolwich durchgefallen. Er habe bei der Prüfung die Nummer 27 erhalten, und da nur die 20 ersten Nummern des Lieutenants-Rangs für würdig erklärt wer­den, so müßte er jetzt als einfacher Cadet die Schule verlassen oder ein Jahrnachochsen."

Berlin, 8 Mai. Eine vom Gymnasial-Oberlehrer Petri in Berlin gemachte Erfindung, die Fäcalstoffe in den Gruben und Closetten durch einen Zusatzartikel in ein verwendungssähiges Brennmaterial zu verwandeln, ist in Gegenwart von Magistrats­und Stadtverordnetcn-Mitgliedern durch angeftellte Versuche ge­prüft und probat gefunden. Der Magistrat will dem Dr. Petri zunächst ausreichende Mittel zu einem Versuche im Großen ge­währen, und wenn auch dieser gut ausfällt, die praktische Durch­führung ins Auge fassen. Die Fäcalstoffe werden zunächst in der Grube geruchlos gemacht, und können dann selbst bei Tage ohne Beanstandung dahin geschafft werden, wo ihre Umwand­lung in BriqueÄ mittelst eines Verdampfungsprozesses erfolgen soll. Dr. Petri hat ausgerechnet, daß man auf diesem Wege 3000 Ccntner Brennmaterial erzeugen könne, und daß der städtischen Verwaltung bei Einführung dieses Verfahrens ein Reingewinn von 132,000 Thlr. jährlich in Aussicht stehe. Das Berl. Tagbl." sägt: Die ganze Geschichte klingt fabelhaft, aber sie ist nichts destoweniger von ernsten und gewissenhaften Männern beglaubigt.

Der Nordd. A. Z. zufolge beabsichtigt die preußische Re­

gierung mit Beginn des nencn Jahres die N e ich s m ar kr ech- nung einznsühren.

Dasselbe Blatt erführt, daß Fürst Hohenlohe bereits morgen ans den Pariser Bolschasterpostcn abreist.

Die 'Nordd. A. Z. schreibt: Der Reichskanzler, durch Krankheit ans Haus gefesselt, hatte dem Vorzug entsagen müssen, dem Empfange deS Kaisers Alexander beiznwohnen, und ivar gleichermaßen der Aussicht beraubt, dein erlauchten Gaste seines Souverains während dessen kurzer Anwesenheit in Berlin die Aufwartung zu machen. Kaiser Alexander aber, von dem Wunsche beseelt, den Fürsten Bismarck zu sehen und zu sprechen, erwies dem deutschen Kanzler die Ehre seines Besuches. Ohne Ge­folge begab sich der russische Kaiser in das auswärtige Amt und verweilte daselbst volle anderthalb Stunden in vertranter Unterredung mit dem Leiter der Politik des deutschen Kaisers. Es läßt sich nicht verkennen und wird allenthalben, auch außer­halb des Reichs, wohl verstanden werden, daß diese nicht ge­wöhnliche Auszeichnung, welche der Kaiser von Rußland dem deutschen Kanzler angedeihen lassen wollte »nd die auf nichts Anderes als auf den freiesten und persönlichsten Antrieb des Monarchen zurückgesührt werden kann, ein Akt von wahrhaft politischer Bedeutung und ein neues Unterpfand der fort­dauernden Harmonie zwischen Rußland und Deutschland ist. Wir dürfen uns daher nicht nur in der Person des Reichskanzlers dadurch geehrt fühlen, sondern auch dem wohlthuenden Eindruck uns überlassen, daß, entsprechend unser» sreundnachbarlichen Ge­sinnungen für Rußland, der Herrscher dieses mächtigen Reichs seine Sympathien für unser Vaterland in so eklatanter Weise vor Europa an den Tag gelegt hat. Dafür sind wir dem Kaiser Alexander - auj's Neue zu Dank verpflichtet und mit uns alle diejenigen, denen der Friede des Welttheils am Herzen liegt.

Die N. Zür. Z. bemerkt, es sei sehr klug von Bismarck gewesen, daß er auf die Arnim'schcn Vorschläge, sich in die Be­rathungen des Konzils zu mischen, nicht eingcgangen sei. Die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas sei praktisch nur von Nutzen gewesen, da sie die Staatsgewalt und die Menschheit überhaupt endlich zur Selbstbesinnung gebracht.Wir wollen es dem Himmel danken, daß Rom diesen Weg eingeschlagen hat. Er allein führt uns zum Ziele und nicht Graf Arnim; ihm haben wir die Bundesrevision und ihm hat die ganze zivilisirle Wett den neuen Aufschwung der Geister zu ver­danken."

Fulda, 6. Mai. Gestern Abend wurde der andere renitente Geistliche, Pfarrer Helfrich von Dipperz, um ,seine subsidiäre zehntägige Gefängnißstrafe im hiesigen Amtsgerichtsge­fängnisse zu verbüßen, zwangsweise dahier eingebracht. Ein großer Theil seiner Parochiancn geleitete ihn in feierlicher Pro­zession bis zu dem Portale des Arrestlokales. Mit einbrechender Dunkelheit zog ein Volkshaufe aus den Vorstädten von mehr als taufend Menschen vor oas Gefängniß und brachte den beiden inhaftirten Priestern unter Abstngung geistlicher Lieder ein mehr­faches Hoch aus. Die Polizei, welche alsbald erschienen war, um diese nächtliche Ruhestörung zu verhindern, wurde verhöhnt und theilweise auch insultirt, so daß hier und da Gebrauch von der Waffe gemacht werden mußte. Bis um Mitternacht dauerten die tumultuarifchen Auftritte, indem das Hurrahrufen und Schießen kein Ende nehmen wollte. Für den Fall, daß sich dergleichen Szenen an den folgenden Abenden wiederholen sollten, hat die Polizeibehörde energische Maßregeln angeordnet.

Ueber die Anfänge des deutsch-französischen Kriegs gibt ein Dokument, das dieJndspendance belge" dieser Tage mittheilte, höchst interessante Enthüllungen. Es werden in demselben die Verhandlungen des französischen Ministerrathes ge­schildert, die der Kriegserklärung unmittelbar vorangingen. AuS den sehr genauen Darstellungen geht hervor, daß es Napoleon Hl. war, welcher für die Kriegserklärung verantwortlich zu machen ist. Zuerst zum Frieden geneigt, ließ er sich von der Kaiserin Eugenik umstimmen und, den Ermahnungen der Minister zum Trotze, zu einer kriegerischen Haltung drängen. Es zeigt sich hier dir ganze Größe des Einflusses, welchen die Kaiserin aus­übte, die Wandelbarkeit der Ansichten des Kaisers und die Feig-