Amtsblatt für de« Oberamtsvezirk Nagold.
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Samstag den 9. Mai.
Inscralionsgebübr für die Rpaltige Zeile aus gewöbnlicker Schritt bei -i 07 1 einmaliger Einrückung 5 Kreuzer, 2014. bei mehrmaliger je S Kreuzer.
T a g e s - N e u i g k e i t e n.
Stuttgart, 6. Mai. Der Kaiser von Rußland ist heule Nachmittag 3 Uhr hier augekommen und von dem König und der Königin im Bahnhof, empfangen morden.
Stuttgart, 7. Mai. Generallieulcnant Frhr. v. Reitzenstein Exz. feierte gestern fein oOjähriges Dienstjubiläum.
Ueber die Arrangements bei den Vermählungs- Feierlichkeiten der «roßfürstin Vera und des Herzogs Eugen erfahren wir Nachstehendes: Nach 12 Uhr Morgen Mittag versammeln sich die Kaiser!, und König!. Majestäten und die übrigen höchsten und hohen Herrschaften im sogenannten Sommersaale des Residenzschlosses, um von hier aus im Zuge mit dem Brautpaare Sich nach der russischen Kapelle zu begebe», wo die Trauung nach russischem Ritus statlftndet. Während der Dauer des Augs und während des Trnunngsaktes läuten die Glocken der Stifts- und Schlosskirche und gibt die Artillerie 25 Schüsse ab. Nach Beendigung der russischen Trauung begeben Sich die Herrschaften in den weißen Saal, wo die protestantische Feier vor sich geht, zu welcher, wie zur Feier in der russischen Kapelle, viele Einladungen ergangen sind. (N. T.)
Aus Bermaringen, 3. Mai. Ein bei den Grabarbeiten des Wasserwerkes beschäftigter Taglöhner erhielt vorige Woche den Auftrag, von Scharenstetten Zündschnüre zu holen. Er nahm indessen nicht allein die Zündschnüre, sondern auch einen Sack mit ca. 10 Pfund Pulver und trat damit den Rückweg nach Bermaringen an. Unterwegs bei dem sogen, großen Kirschen- baum, wollte der Arbeiter trotz des bestehenden Verbotes seine Pfeife anzünden und schlug zu diesem Zweck Feuer. Bei dem heftigen Winde scheint ein Funken in den Pulversack, welchen er immerwährend ans dem Arme trug, gefahren zu sein, das Pulver entzündete sich, explodirie und richtete den Mann gräßlich zu. Auf sein Hilsegefchrei eilten in der Nähe befindliche Arbeiter herzu, rissen ihm die brennenden Kleider vom Leibe und brachten ihn nach Scharenburg zurück. (Blaum.)
Offei! bach, 4. Mai. Im hiesigen katholischen Casino fand am 26. April Abends eine Rede-Uebung statt, die in der „Offenb. Ztg." unter der Bezeichnung „Altkatholisches" angekündigt worden war. Der erste Redner, katholischer Pfarrer Stumpf von hier, bezeichnet den Altkatholicismus pure als eine Miß-Geburt. Seine Priester seien unsittliche Menschen und sie buhlten mit der Staatsgewalt. Die allen Katholiken hätten durch Tugend und Frömmigkeit geglänzt, seien freudigen Herzens für ihren Glauben gestorben, was man von den heutigen Altkatholiken Alles nicht sagen könne. Für die armen Abgefallenen versprach dann Hr. Stumpf Tag und Nacht beten zu wollen, was ihn aber nicht hinderte, die Anwesenden fast im selben Alhem aufzufordern, mit Haß und Verachtung auf diese Abtrünnigen zu blicken, und sich baß zu wundern, daß nicht Gott seine Blitze auf sie herabgeschleudert habe, als die Frevler sich unlängst erkühnt, Sacramenle auszuspenden und zu empfangen an einem ungeweihten Ort — in der hiesigen evangelischen Stadtkirche nämlich!! Nachdem Stumpf seine fanatische Rede geschlossen, ergriff „Professor Vonbank", Hauslehrer des Fürsten Karl zu Isenburg-Birslein, das Wort, um seine« Vorredner wo möglich noch zu übertrumpfen. Mit sehr wenig Witz und desto größerem Behagen gab er u. A. allerlei Variationen über den Namen des Geistlichen der hiesigen altkatholischen Gemeinde, Pfarrer Dr. Rieks, zum Besten und belachte seine seichten Späste selbst am meisten.
Berlin, 5. Mai. (Abgeordnetenhaus.) Bei der zweiten Berathung über das Gesetz betreffs Verwaltung erledigter Bisthümer erklärt der Cultusminister Falk: Er trage die volle Verantwortlichkeit für die Vorlage und für die Politik, woraus dieselbe basire; er koustatire, daß ein Zwiespalt zwischen dem Leiter der preußischen Politik und dem Cultusminister in Bezug auf die Kirchenpolitik nicht bestehe; das ganze Volk Preußens und des Reiches stehe hinter dieser Politik. „Ich habe Grund zu sagen, daß man Seitens der Curie bereit gewesen wäre, der Schweiz entgcgenzukommen, wenn nur Preußen im Kampfe allein gelassen wäre.
Wer bürgt Ihnen dafür, daß außer jenem päpstlichen Briefe vom August des vorigen Jahres an den ersten Fürsten des Reiches nicht auch noch andere Briefe an andere Fürsten geschrieben worden?" (Große Sensation.) Im Laufe der Debatte erklärt der Cultusminister gegenüber dem Abgeordneten Mallinckrodt: Er wisse, daß Seitens des Papstes nicht blos an den König von Preußen ei n Brief geschrieben sei. Von einem zweiten Briefe des Papstes an den König, dessen Veröffentlichung Mallinckrodt verlange, sei dem Cultusminister nichts bekannt.
Berlin, 5. Mai. Die „Nordd. Allg Ztg." begrüßt den russischen Kaiser als den besten Freund Deutschlands und äußert, daß die Bewohner Berlins bei allem Glanze der neuen Zeit die beste Volkstugend, die Dankbarkeit, nicht verlernt hätten, die Dankbarkeit für das, was Kaiser Allexander Preußen und Deutschland in den schwersten Momenten der neueren Geschichte gewesen.
Berlin, 5. Mai. Der Bundesrath wird morgen über das Preßgesctz berathen und dasselbe zweifellos annehmen. — Der Justizausschuß des Bundesraths beschloß einstimmig, die Ablehnung des vom Reichstage beschlossenen Zivilchegesetzes wegen mangelnder Anwendbarkeit in verschiedenen Bundesstaaien zu beantragen. Württemberg beantragte den Erlaß eines Reichszivilgesetzes, über welchen Antrag Bayern seine Erklärung vorbehielt. Der Justizansschuß wird gemäß dein Anträge Württembergs beaniragen, den Reichskanzler zur Vorlage eines den Bedürfnissen der Einzelstaaten entsprechenden Zivilehegesetzes in der Herbstsession aufzufordern. Preußen wird den Antrag voraussichtlich unterstützen. (S. M.)
Berlin, 6. Mai. Fürst Bismark befindet sich in fortschreitender Besserung. Derselbe reist mit Eintritt wärmeren Wetters nach Varzin. Gewiß ist, daß der Fürst im Laufe des Sommers ein Bad besucht. Welches Bad auszuwählen ist, hängt von den uoch ausstehenden Bestimmungen eines Conciliums ärztlicher Notabilitälen ab.
Berlin, 6. Mai. Die Erhöhung der Eisenbahutarise ist nunmehr gestern vom Reichskanzleramte definitiv vollzogen worden und steht die amtliche Publikation dem „Börsencourier" zufolge demnächst bevor. Den Eisenbahnen wäre gestattet, eine Erhöhung bis zu einem 20procentigen Zuschläge eintreten zu lassen.
Berlin, 6. Mai. Der Bundesrath stimmte in seiner heutigen Plenarsitzung dem vom Reichstage beschlossenen Preß- gesetz zu und unterbreitete dasselbe der kaiserlichen Genehmigung.
Die im preuß. Abgeordnetenhause seit 1867 wiederholt zur Sprache gekommene lauenburgische Angelegenheit fcheint nun auch ihre Lösung finden zu sollen. Der Landtag des Ländchens hat sich damit einverstanden erklärt, daß ein Theil des Domaniums im Werthe von einer Million Thaler als Eigenthum des Kaisers als Herzog von Lauenburg ausgeschiedcn, der Rest aber dem Lande, als Provinzialfonds überlassen werde. Da eben dies der Vorschlag des Kaisers war, so steht dem Eintritt des Ländchens in den preußischen Staatsverband kein Hindcrniß mehr entgegen. Damit würde der Fürst Bismarck von einer seiner hohen Mi- uisterstellen entbürdet.
Aus der Provinz Bahia in Brasilien sind 50 Einwanderer in Berlin, von allen Mitteln entblößt, angekommen, um in ihre alte Heimath Ostpreußen zurückzukehren. Sie haben die preußische Regierung um eine Unterstützung angerufeu. Sie erzählen, daß in Brasilien Hunderte ihrer Landsleute am Hunger-Typhus verstorben seien.
Schwerin, 2. Mai. Die ohnehin schon enge und vielfache Verwandtschaft, welche das Haus des Kaisers Wilhelm von Deutschland-mit der russ. Kaiserfamilie verbindet, wird jetzt wieder durch ein neues Band vermehrt. Heute traf der Großfürst Wladimir, zweiter Sohn des Kaisers Alexander von Rußland, in Schwerin ein, um sich mit seiner Cousine, der Herzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. 14. Mai 1854, ältesten Tochter des Großherzogs Friedrich Franz von Mecklenburg, zu verloben. Die Großmutter der Braut, die verwittwete Großherzogin Alexandrine, ist die Schwester des Kaisers Wilhelm, ebenso