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Calw.
An die Grlsvorkeher.
Unter Hinweisung auf den Erlaß vom 24. d. M. betr. die Viehausnahme pro 31. März d. I. werden die Ortsvorsteher, um Jrrthum zu vermeiden, noch speziell darauf hingewiesen, daß in diesem Jahre der Besitzstand an Pferden, Esel, Maulthieren und Maulesel, sowie derjenige an Rindvieh aufzunehmen ist und von solchem die Beiträge zur Erhebung zu kommen haben.
Den 26. März 1885. K. Oberamt.
Flaxland.
'F'otttiscHe WcrcHvrcHLen.
Deutsches Reich.
— Der „Reichsanzeiger" bringt folgenden Erlaß des Kaisers: „Die Feier Meines Geburtstages am 22. März hat Mich wieder recht lebhaft empfinden lassen, wie unerschütterlich treu die Liebe ist, welche Mir vom deutschen Volke entgegen getragen wird. Aus allen Teilen des Reiches sind Mir von Gemeinden und Korporationen, von Vereinen und Anstalten, von Festversammlungen und einzelnen Personen ohne Unterschied von Rang und Stand, ohne Rücksicht auf religiöses Bekenntnis und politische Meinung, selbst vom Auslande her freudige Glückwünsche dargebracht worden. Ihre Zahl ist eine so beträchtliche, ihre Form eine so mannigfaltige, ihr Ausdruck ein so herzgewinnender, daß Ich von all diesen Beweisen warmer und inniger Teilnahme tief gerührt bin. Eine solche einmütige, erhebende Kundgebung an Meinem Geburtsfeste, an welchem Ich auf 88 Jahre eines wechselvollen, von Gott reich gesegneten Lebens zurückblicke, hat Mir die Freude verdoppelt, und hoch beglückt fühle Ich Mich in dem Gedanken, daß das ganze deutsche Volk sich mit Mir und Meinem Hause zu einer gemeinschaftlichen Feier des Tages vereinigt hat. Es ist Mir daher ein wahres Herzensbedürfnis, Allen, welche Mir bei diesem Anlaß durch Adressen und Telegramme, durch poetische Ansprachen und musikalische Kompositionen, durch Blumenspenden und sonstige Zuwendungen sinniger Art so liebevolle Aufmerksamkeiten erwiesen, Allen, welche meiner in Wort und Schrift gedacht haben, Meinen aufrichtigen Dank dafür auszusprechen. In der allgemeinen, durch das ganze Land gehenden Bewegung gibt sich das wohlthuende Vertrauen kund, mit dem die Nation Meine ernsten Bestrebungen um des Volkes Wohl begleitet. Gestützt auf diese ermutigende Erfahrung werde Ich nicht müde werden, bis Gott Meinem Wollen und Können ein Ziel setzt, der Fürsorge für Mein geliebtes Vaterland Meine ganze Kraft zu weihen. Dazu gebe Gott seinen Segen! Möge unter seinem Schutz und Beistand Deutschland zu allen Zeiten in friedlicher Entwickelung blühen und gedeihen! Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 24. März 1885. Wilhelm. An den Reichskanzler."
Metz, 24. März. Aus allen Teilen Etsaß-Lothringens kommen erfreuliche Berichte über die Feier des G e b u r t s f e st e s des Kaisers. Von besonderem Interesse ist dabei, daß sich auch die einheimische Bevölkerung in wachsendem Maße an den festlichen Veranstaltungen beteiligt.
Frankreich.
— Ueber Wiederanknüpfung französisch-chinesischer Friedensverhandlungen wird dem „Berl. Tgbl." gemeldet: „In Peking finden augenblicklich zwischen Frankreich und China ernste Friedensverhandlungen statt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Jules Ferrr, mit China zu einem Einvernehmen zu gelangen wünscht. Vielleicht bringen schon die nächsten Tage entscheidende Nachrichten.
— Die „Libertv", Organ der konservativen Republikaner, schreibt zum Geburtstag des deutschen Kaisers:
„Wir gestehen, daß wir lebhaft von den so wahren und aufrichtigen Ehrenbezeugungen gerührt sind, welche die Deutschen ohne Unterschied der Partei heute ihrem Souverän darbringen. Von ihrem Gesichtspunkte aus haben sie unstreitig Recht. Sie verdanken diesem Fürsten ihre ganze Größe, ihre ganze Macht, ihr ganzes Prestige in der Welt. Es ist wahr, auf unserem Unglück erhebt sich ihr Reich. Wenn wir aber das Recht haben, dem Kriege zu fluchen, der uns gebrochen, so haben sie das Recht, ihn zu segnen, der alle nationalen Bestrebungen verwirklicht und ihre Jahrhunderte alten Wünsche
erfüllt hat. Wie sollten sie ihm nicht dankbar sein, der sie heute zur einflußreichsten Nation Europas gemacht und ihnen die Suprematie über alle europäischen Staaten gesichert. . . . Was man zu des greisen Kaisers Lobe sagen kann, das ist, daß, seitdem das Glück ihm die gigantische Macht gegeben, die er heute besitzt, er sich derselben nur in einem Geiste der Versöhnung und des Friedens bedient hat. Seinem Einfluß verdankt es Europa, daß es seit 15 Jahren nicht in neue blutige Kämpfe gestürzt ist. Er ist gewissermaßen der Friedensrichter in den Streitfragen zwischen den'Völkern geworden, und er ist immer bemüht, sie zu lösen und zu beschwichtigen. So lange er lebt, ist es wenig wahrscheinlich, daß neue Kriege ausbrechen. Durch die Macht der Thatsachen ist er der Drehpunkt des europäischen Friedens geworden. Unter diesem Gesichtspunkte, kann man sagen, interessiert sein langes Leben ebensosehr die anderen Völker wie Deutschland."
Hctges-Werrigkeiten.
* Calw, 26. März. Gestern hielt der Bezirks-Bienenzüchterverein seine Generalversammlung im Gasthaus „ z. küh l'e n Brunnen" in Teinach ab, und war dieselbe trotz des unfreundlichen Wetters selbst aus ziemlich entfernt gelegenen Orten zahlreich besucht, wie sich überhaupt auch aus dem Bericht des Vorstandes ein stetiges Wachsen des Vereins ersehen ließ. Der Tagesordnung entsprechend wurde nach Abhörung des Kassenberichts zur Wahl des Vorstandes und Ausschusses geschritten , wobei die seitherigen sämtlich durch Acclamation wiedergewählt wurden. Hierauf wurde zum Beschluß erhoben, den Bedarf an Kunstwaben, sowie fremden, namentlich italienischen Königinnen für den ganzen Verein durch den Ausschuß zu bestellen. Ebenso wurde behufs Beratung von Anfängern in der Bienenzucht, sowie zur Beihilfe bei größeren Arbeiten ein Bienenwärter in der Person des Wilhelm Weik, Drehers in Calw, aufgestellt. Derselbe wird für seine Dienstleistungen aus der Vereinskasse bezahlt, während die Mitglieder wieder der Kasse für Revision eines Korbes 10 H, für diejenige eines Kastens 15 H zu ersetzen haben. Auf dieser Versammlung wurde auch mit Bedauern ausgesprochen, daß im Bezirk sich noch große Vorräte von Honig befinden, für welche sich keine Abnehmer finden wollen, während unter dem hochklingenden Namen „Traubenbrusthonig", „Schweizertafelhonig", Sachen in den Handel gebracht und gekauft werden, welche mit unserem Bienenhonig nicht die geringste Verwandtschaft haben und oft sogar aus Kartoffelstärke und Schwefelsäure bereitet werden, und deßhalb auch den Leidenden weder Linderung noch Heilung bringen können. Nachdem noch in lebhafter Rede rc. Weik die Bienenzucht nach ihrer auf Geist und Gemüth des Menschen veredelnd wirkenden Seite dargestellt, trennte sich die Versammlung in der Hoffnung auf ein ergiebiges Bienenjahr und mit dem Wunsche: der Nutzen des Vereins möge auch den dem Verein noch nicht angehörenden Bienenzüchtern einleuchten und dieselben zum Eintritt in den Verein veranlassen. Als nächster Versammlungsort wurde Hirsau bestimmt.
Hirsau, 26. März. Egsdt. Um Mißdeutungen zu begegnen, möchte ich bemerken, daß das bei der Kaiserfeier in der „Kanne" von mir vorgetragene Gedicht: „Zum 1. April 1885" ohne mein Zuthun und Wissen in letzter Nummer dieses Blattes Veröffentlichung fand. L. Hepp, st. rA.
— sZur Bismarcksp ende.f Dem Schw. Merk, entnehmen wir: Wie wir hören, ist an den Vorsitzenden des Landesausschusses für die Bismarckspende in Württemberg von dem Zentralkomite in Berlin ein Schreiben eingegangen, in welchem die offizielle Versicherung erteilt wird, daß, falls die württ. Gelder an das Berliner Zentralkomite eingesendet werden, dasselbe bereit ist, sie dem Reichskanzler als nationale Ehrengabe aus Württemberg zur Verwendung nach seiner freien Verfügung zu einem öffentlichen Zwecke zu übergeben, auch diese Uebergabe in der öffentlichen Rechnungsablage ersichtlich darzustellen. Wie wir hören, wird der württ. Landesausschuß nächster Tage zum Beschluß über dieses Schreiben zusammentreten.
Kiel, 24. März. In Kopenhagen wurde dieser Tage die Nachricht verbreitet, daß in Flensburg ein oder zwei preußische Offiziere arretiert und hinweggeführt seien, die sich dem Vernehmen nach in sozialistische oder nihi^
spektierung des Gesetzes nicht umgangen werden konnte, als Feldwebel wieder I bei seinem Regiments ein. Das Königspaar schickte sich zur Rückreise nach Preußen an. Auf Wunsch seiner Gemahlin hatte Friedrich Wilhelm Königsberg zur vorläufigen Residenz bestimmt.
Die Königin hatte sich die Schicksale des Feldwebels von dem Beginn seiner Flucht ab erzählen lassen.
So hatte sie auch die Episode erfahren, welche auf dem Heidnerhofe gespielt hatte, und Louise konnte es sich nicht versagen, das Ende des kleinen Romans zu erfahren und, wenn es notwendig war, auch hier vermittelnd einzuschreiten. In ihrer tiefen Traurigkeit war es ihr ein Bedürfnis, wohl- zuthun. glückliche und zufriedene Gemüter um sich her zu sehen und so ihr eigenes Herz zu zerstreuen.
So wurde denn die Reiseroute in jene Richtung dirigiert, in welcher der Heidnerhof lag, und bald hielten die Wagen vor dem freundlichen Hause, und die junge Witwe trat heraus, um die hohen Gäste zu begrüßen.
Sie hatte sich seit der Zeit der Trennung von ihrem Gaste nicht unwesentlich verändert. Das frische Rot ihrer Wangen war einer leichten Blässe gewichen und ein Zug von Schwermut ging durch ihr Wesen. Offenbar hatte sie keine Ahnung davon, wer ihre hohen Gäste waren. Die freundliche, so gut und doch vornehm aussehende Frau imponierte ihr aber dermaßen, daß sie mit einem tiefen Knix fragte, ob die Herrschaften es sich in ihrem Hause bequem machen wollten?
Louise stieg in der That aus und folgte der voranschreitenden Wirtin in das saubere Wohnzimmer, während der König in seinem Wagen die Reise
fortsetzte. Frau Heidner brachte Milch, frische Butter, Eier und Käse, Alles von vorzüglicher Güte.
Die Königin gewann bald das Herz ihrer Wirtin, die auf die an sie gerichteten teilnehmenden Fragen offenherzig antwortete.
„Fällt es Ihnen als alleinstehende Frau nicht schwer, diese umfangreiche Wirtschaft zu leiten? Sie müssen doch nach Allem sehen, sich um Alles kümmern, und das ist für eine Frau, die nicht selbst Mitarbeiten kann, um sich den Respekt zu sichern, sehr anstrengend." »
„Mitunter wird mir's gar sehr schwer, gnädige Frau", sagte die Bäuerin freundlich, „besonders um die Erntezeit. Allein was soll ich machen?
Man muß sich Tag und Nacht plagen, das weiß Gott!"
„Hat sich Ihnen denn keine Gelegenheit zu einer zweiten Ehe geboten?" fuhr die Königin in Vertrauen erweckender Weise fort.
Die junge Frau errötete und schlug in leichter Verwirrung das Auge zu Boden.
„Nicht wahr?" fuhr die Königin lächelnd fort, „wie das im Leben geht. Den Sie gern haben möchten, der denkt nicht an Sie, und umgekehrt."
Frau Heidner nickte und schlug das blaue Auge lebhaft zu der Fragerin empor. Es schimmerte in feuchtem Glanze.
»Ja, so ist's, gnädige Frau. Sehen Sie, da kannte ich einen so hübschen jungen Menschen. Er war auf unserm Hofe zu Besuch. Ich hatte ihn so lieb, und er wußt's nicht einmal."
„Schönheit und Jugend sind nicht die Hauptbedingungen einer glücklichen Ehe", versetzte die Königin lächelnd.
(Fortsetzung folgt.)