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60. Jahrgang

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Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag. !

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte s im Bezirk, sonst 12 H. ;

Donnerstag, äen 19. März 1885.

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die Post bezogen im Bezirk 2 .kt. 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 70

H'oMfche Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 16. März. (Reichstag.) Fortsetzung der Beratung der D a m p fe r v o r l a g e. Gch.-Nat Reuleaux bittet das Haus, die Vor­lage nicht zu verstümmeln durch Ablehnung einer oder gar zweier Linien. Die australische Linie sei nicht minder wichtig und bedeutender sür den deut­schen Handel, als die asiatische. Dietz (Soz.) würde es am liebsten sehen, wenn die Dampferlinien vom Staat selbst und nicht von subventionierten Gesellschaften ausgefühlt würden, insbesondere auch damit die Mißhandlungen der Schiffsmannschaft, wie sie auf Kauffarteischiffen Vorkommen, ausgeschlossen wären. Seine Partei werde für die asiatische und australische Linie stimmen, ohne sich übrigens sür die dritte Lesung zu binden. Zorn v. Bulach (Elsäßer) für die Bewilligung aller drei Linien. Wenn hervorgehoben werde, daß die ostasiatische Linie sich am besten rentiere, so sei das gerade ein Grund, die anderen zu subventionieren, die eine Subvention nötiger hätten. Redner erklärt sich für die Kolonialpolitik, v. Jazdzewsky: Die Polen stimmen gegen die ganze Vorlage, und dies um so mehr, als Fürst Bismarck seine Partei ungerechter Weise beschuldigt habe, daß sie auf einen unglück­lichen Krieg spekuliere. Seine Partei setze ihre Hoffnung auf die Hilfe Gottes. Lohren (freikons.) beantragt, falls die afrikanische Linie abgelehnt werde, eine Linie zwischen Aden und Port Elizabet aufzunehmen. Reichs­kanzler Fürst Bismarck erwidert dem Abg. Jazdzewsky, er habe nur davon gesprochen, daß das Ideal gewisser Parteien nur durch einen unglücklichen Krieg erreichbar wäre, und bleibe vabei, daß die Wiederhe.rstellung Polens nur durch Krieg oder einen Gewaltakt erreichbar sei. Daß die Wiederherstellung wie Jazdzewsky meine, durch den Druck der öffentlichen Meinung erfolgen könne, sei unmöglich. Wenn die Polen bestreiten, an einen Krieg zu denken, so bleibe bloß der Gedanke an eine Revolution. Fürst Bismarck verliest seine Ausführungen vom Samstag über Polen, und hält sie Wort für Wort aufrecht. Die Vorsicht gebiete diesen Parteien, sich vor­läufig den Gesetzen zu fügen; der Vorteil, den sie aus einem Krieg oder Umsturz ziehen können, laufe ihnen ja nicht weg. Virchow stellt sich auf den Standpunkt der Wissenschaft, nach welcher Deutsche in den Tropen nicht arbeitsfähig seien. Das sei die Hauptsache bei den Kolonien, zu fragen, ob der weiße Mann da leben könne oder nicht. Unsere Kolonien seien unglück­lich gewählt; England und Frankreich haben diese Plätze stets vermieden. Es sei dem Reichskanzler Vorbehalten geblieben, diese Striche für Deutsch­land auszusuchen. Wir dürfen dem Gedeihen der Kolonialgesellschaften nicht das Leben und die Gesundheit unserer Landsleute opfern. Seine Partei be­willige mit schwerem Herzen eine Linie. Reichskanzler Fürst Bismarck: Die deutschen Kolonialplätze habe er nicht ausgesucht, sondern nur Deutschlands Schutz da versprochen, wo der Handel dessen bedurfte.Dieser Aufgabe

konnte ich mich nicht entziehen; wenn wir gezaudert hätten, würden ander, Nationen zugegriffen haben." Von Deutschen, welche diese Kolonialorte be sucht haben, werden übrigens die sanitären Bedenken Virchows nicht geteilt. Nacks (Zentrum): Seine Partei sei nicht antinational, aber sie wolle auch nicht die Geschäfte des Reichskanzlers besorgen, wozu die Konservativen sich hergeben. Auf des Kanzlers Geheiß sei wohl auch die Ablehnung in der Kommission erfolgt. Reichskanzler Fürst Bismarck: Er habe während der Dauer der Kommissionsverhandlungen mit keinem einzigen Konservativen ein Wort über die Dampfervorlage gewechselt. Die Debatte wird geschlossen und nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen zur namentlichen Abstimmung geschritten. Zunächst wird die australische Linie mit 170 gegen 159 Stimmen bewilligt. Darauf wird die oft asiatische Linie fast einstimmig angenommen. Die afrikanische Linie wird mit 166 gegen 157 Stimmen abgelehnt. Für die beiden genehmigten Linien werden nach dem Antrag Veiel 4 MillionentL bewilligt.

Gcrges-WeuigkerLen.

sB i s m a r ck s p e n d e. j Bei Unterreichenbach sind die im letzten Blatt angegebenen Zahlen unrichtig, es sind 30 Geber, die Gaben betragen 13 40 H, von Alt bürg betragen die Gaben 12 Simmozheim hat seine Gaben in der Hauptsache direct an den Hauptkassier in Stuttgart ab­geliefert.

Stuttgart, 17. März. Zahlreicher Besuch fand sich gestern im Maschinensaale der k. Zentralstelle für Gewerbe und Handel ein. Es galt, die dort aufgestellten Motoren, die dem Dienste des Kleingewerbes gewidmet find, im Gange zu sehen. Zunächst handelt es sich um 2 nahe ver­wandte Dampfmotoren von Hoffmeister und von Friedrich. Beide Motoren sind von außerordentlich gedrungener Anordnung und empfehlen sich schon aus diesem Grunde in besonderem Grade; bei 4 Atmosphären Spannung ent­wickeln sich 2 Pferdekräfte. Aehnlich der Lilienthalffche gefahrlose Dampf- motor, der für Süddeutschland von G. Kuhn in Berg hergestellt wird. Als Heißluftmotor wird der von Buschbaum in Darmstadt als eine beste Konstruk­tion bezeichnet; er ist völlig gefahrlos, entwickelt aber nur zu >/e Pferdekraft. An Gasmotoren sind 2 ausgestellt; einer aus der berühmten Fabrik von Otto in Deutz, liegend angeordnet, der andere von Körting in Hannover, der letztere stehend angeordnet und deshalb sehr bescheiden in den Ansprüchen auf Raum. Aufzuführen ist noch ein Kröber'scher Motor mit hydraulischem System. Den verschiedenen Klaffen von Gewerbetreibenden ist von jetzt ab regelmäßig Gelegen­heit geboten, diese Maschinen in Betrieb zu sehen.

Stuttgart, 17. März. Beim Abbrechen der Tunnelbrücke im Schützengarten fanden die Arbeiter gestern zwischen den Balken unter den Dielen eine Kassette mit 17,000 Obligationen. Eine Schnur hielt die Kassette zusammen, die sonst nicht verschlossen war und sofort auf die

Feuilleton. R° 4 dru<k ° nb°,-n.

Die Königin Louise

und ihre Schützlinge.

Historische Erzählung von Karl Prenzlan.

(Fortsetzung.)

Die Mutter erriet seine Gedanken. Ihr gebildeter elastischer Geist ließ sie sofort das rechte Mittel finden, um den im Entstehen begriffenen kleinen Konflikt zu beseitigen.

Warte, bis es finster geworden sein wird", mahnte sie freundlich,dann laßt Eure Wohnung festlich erleuchten. Ich komme gegen 7 Uhr zu Euch, und dann wird das Weitere sich finden."

Friedrich Wilhelm küßte seiner Mutter die Hand und begab sich in seine Wohnung zurück. Dem mütterlichen Rate folgend, veranstaltete er mit seinem Bruder die Erleuchtung der von ihnen bewohnten Oberetage.

Um 7 Uhr fuhr die Königin in einem einfachen Wagen vor und sandte sofort einen Diener des Kronprinzen nach dem Hause, in welchem die Arge- lander'sche Familie den Geburtstag der Hausfrau feierte.

Die Gesellschaft war in der besten Unterhaltung begriffen, als der Diener eintrat und den Auftrag seines jugendlichen Gebieters, die Argelander möge den Nest des Abends ihren prinzlichen Mietern schenken, ausrichtete. Schon erhob sich die Dame, um der ehrenvollen Einladung nachznkommen, allein die Verwandten und Freundinnen bestürmten sie derartig mit Bitten, noch ein wenig zu bleiben, daß sie diesem Drängen kaum einen Widerstand entgegen­

zusetzen vermochte. Sie entschuldigte sich, so gut es ging, versprach, sobald als es ihr möglich sei, nachzukommen, und der Diener entfernte sich.

Man hatte den kleinen Zwischenfall beinahe vergessen, als ein Wagen vor dem Hause hielt. Kaum eine Minute später öffnete sich die Thür, und der Kronprinz selber erschien auf der Schwelle.

Alles erhob sich, um den hohen Gast zu begrüßen. Dieser bat in freund' lichem Tone, sich nicht stören zu lassen, trat ohne Weiteres auf seine Haus' wirtin zu und bat sie. mit nach Hause zu kommen, da seine königliche Mutter den dringenden Wunsch ausgesprochen habe, sie heute Abend noch zu sehen und zu sprechen.

Gegen diesen Wink aus den höchsten Regionen war nichts zu machen. Die Kaufmannsfrau nahm dann auch sofort Abschied von ihrer Umgebung, stieg auf die Einladung des Kronprinzen in den königlichen Wagen und fuhr nach ihrem Hause zurück. Ein Ausruf des Erstaunens entfuhr jedoch ihren Lippen, als sie schon von Weitem die Fenster desselben glänzend erleuchtet sah.

Was ist das. Hoheit?" fragte sie überrascht.

Gedulden Sie sich nur noch wenige Sekunden, Frau Argelander", lautete die Antwort,Sie werden bald Aufschluß erhalten."

Der Wagen hielt. Der Kronprinz hob seine Begleiterin heraus und führte sie die Treppe hinauf in den festlich geschmückten Salon. Hier stand die Königin, umgeben von ihren Kindern, und ehe noch die Kaufmannsfrau ihr Erstaunen so weit besiegen konnte, um eine ehrfurchtsvolle Verbeugung zu machen, kam ihr die Königin schon mit den Worten entgegen:

Verzeihen Sie, meine liebe Madame Argelander, daß ich Sie Ihrem traulichen Freundeskreise entführen ließ. Allein ich konnte mir die Freude