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hieß. Während der Vertagung sei das Königliche Haus durch das Ableben des Prinzen August in tiefe Trauer versetzt worden. Die Präsidenten beider Kammern haben sofort im Namen der Stände S. Maj. dem König und S. K. H. dem Prinzen Wilhelm das tiefste Beileid ausgesprochen. Der König habe in dem Hingeschiedenen einen mit demselben durch Bande inniger Freundschaft verbundenen nahen unverwandten Prinzen, das ganze deutsche Volk einen tapferen und ruhmreichen Heerführer verloren. S. M. der König habe in einem huldvollen Schreiben die beiden Präsidenten beauftragt, den Mitgliedern Seinen Königlichen Dank für die bewiesene Teilnahme und treue Anhänglichkeit auszusprechen. Auch S. K. H. der Prinz Wilhelm habe in einem Schreiben seinen Dank ausgesprochen. Sämtliche Mitglieder erheben sich zum Zeichen ehrenden Angedenkens an den hohen Verblichenen von ihren Sitzen. — Was die Geschäftsaufgabe des h. Hauses betreffe, so bestehe diese hauptsächlich in Beratung des Etats und worüber die Finanzkommission die meisten Berichte bereits erstattet habe. Die über das Branntweinsteuergesetz und über den Bedarf der Verkehrsanstalten seien als zum Etat gehörend in diesen Tagen zu erwarten. Auch über die sonstigen vorliegenden Gesetzesentwürfe seien die Arbeiten vorangeschritten. Zur Beschleunigung der Geschäftserledigung beabsichtige er 5 Sitzungen in der Woche zu halten, vom Dienstag bis Samstag. — Als Gegenstand der Tagesordnung wird der Bericht der Finanzkommission über die Prüfung der Staatsfinanzverwaltung vom 1. April 1881 bis 31. März 1883 erstattet und der Schlußantrag angenommen.
Berlin, 2. März. (Deutscher Reichstag.) Nachtragsetat für Kamerun. Die Kommission beantragt, wie seinerzeit berichtet, die geforderte Summe als Pauschalsumme zu bewilligen, v. Köller befürwortet die Anträge der Budgetkommission. Regierungskommissär v. Kusserow bemerkt, daß es bisher das Prinzip der Regierung gewesen sei, private koloniale Unternehmungen zu schützen, sich aber jeder Initiative zu enthalten. Vor zehn Jahren sei die Regierung zum ersten Mal genötigt gewesen, in dieser Frage anderen Regierungen gegenüber Stellung zu nehmen, aber nur um den deutschen Handel, namentlich in der Südsee zu schützen. Damals habe sich gezeigt, daß gerade deshalb, weil die betreffenden Gebiete unabhängig waren, dort der deutsche Handel die erste Stelle einnahm. Deshalb sei die Regierung weiter bestrebt gewesen, die Unabhängigkeit dieser Gebiete zu erhalten und vor fremden Annexionen zu schützen. Erst durch die Erörterungen, welche sich an die Ablehnung der Samoavorlage knüpften, sei der Wunsch nach Kolonien reger geworden. Die Anträge, welche aus den Kreisen der Hansastädte an die Regierung gelangt seien, seien geprüft und darauf der Schutz zugesagt worden. Die Negierung stelle auch jetzt keine großen Forderungen an den Reichsfiskus und verlange nur das Nötigste, um die Souveränetät des Kaisers in den Schutzterritorien aufrechtzuerhalten. Fürst Bismarck: Er acceptiere auch die Pauschalsumme. Freilich, hätte er selbst die Summe als Pauschquantum verlangt, so hätte die Opposition sicher auf Spezifikation gedrungen. (Heiterkeit.) Eine Kolonialpolitik sei nur möglich, wenn sie vom Volke getragen werde, aber unmöglich, wenn die Regierung jede Forderung dem Reichstag abringen müsse. Die Regierungen müssen darüber klar werden, wie das Volk über Kolonialpolitik denke, eventuell durch Neuwahlen. Die heutige Haltung des Reichstags könne den Widerstand des Auslands gegen die deutsche Kolonialpolitik nur verstärken. Es seien vertrauliche Aktenstücke, die an den Kaiser gerichtet seien, ehe sie in dessen Hände gelangten, im englischen Blaubuch veröffentlicht worden. Auch vertrauliche Besprechungen, dis er gehabt, seien publiziert worden; wenn eine Regierung so etwas thue, so sei das ein Zeichen lebhafter Verstimmung. Man habe von dort behauptet, er habe England die Annexion Egyptens angeraten, er protestiere gegen diese Behauptung und sehe sich genötigt, die jüngste Rede des Earls Granville vor der öffentlichen Meinung richtig zu stellen. Es seien von England schriftliche und mündliche Anfragen an ihn gerichtet worden, ob er nicht in der egyptischen Frage Rat erteilen könne (Heiterkeit), und er habe geantwortet, daß er als deutscher Minister einen solchen Rat nicht geben könne. Privatim habe er sich schließlich dahin geäußert, daß er als englischer
Minister die Vermittelung des Sultans suchen, Egypten aber nicht annektieren würde, um nicht einen Konflikt mit Frankreich hervorzurufen. Wenn die Engländer indes Egypten doch annektieren wollten, würden wir sie nicht verhindern. Es läge uns an Englands Freundschaft mehr als an dem Schicksal Egyptens. England sei gegenwärtig in einer schlimmen Lage und das dortige Ministerium suche die eigene Schuld auf den deutschen Kanzler abzuwälzen; diese Vorwürfe seien aber ungerecht. Der Kommissionsantrag wird angenommen gegen die kleine Minorität der Socialdemokraten und Polen. Alle anderen Parteien stimmen geschlossen für denselben.
— In den Blättern kursieren allerhand Gerüchte über Verlegenheiten, in welche Herr Lüderitz mit Bezug auf seine Besitzungen in Angra Pequena geraten sei. Die „Weser-Ztg." brachte die Notiz, daß in der letzten Sitzung des Vorstandes des deutschen Kolonialvereins diese Verlegenheiten zur Sprache gebracht worden seien, und daß der Verein sich in der Unmöglichkeit befinde, diesem Unternehmen aufzuhelfen, weil es ihm an den nötigen Mitteln hierfür fehle. Das „Berl. Tagbl." erfährt dagegen, Herr Lüderitz habe in seinem Unternehmen bereits ein sehr beträchtliches Kapital angelegt und sei - selbstverständlich nicht imstande, mit seinen eigenen Mitteln ein Gebiet von 21,600 Quadratmeilen rationell auszunützen. Um dieses in einem größeren Maßstabe thun zu können, beabsichtigte Herr Lüderitz allerdings sich mit anderen Geldkräften zu vereinigen. Die in dieser Richtung geführten Verhandlungen seien aber bisher rein privater Natur gewesen und von einem Scheitern derselben sei absolut keine Rede. Es sei vielmehr mit Sicherheit zu erwarten, daß diese Verhandlungen zu einem günstigen Resultate führen. Anderenfalls würde sich Herr Lüderitz veranlaßt sehen, die ihm von englischer Seite wiederholt gemachten, sehr vorteilhaften finanziellen Anerbietungen anzunehmen. Auch in diesem Falle würde aber Angra Pequena eins unter dem Protektorate des deutschen Kaisers stehende Kolonie bleiben.
Schweiz.
— Die in Bern wegen anarchistischer Umtriebe verhafteten Personen sind laut Bund in Einzelzellen im Staatsgefängnis am Bollwerk untergebracht und stehen unter strenger Überwachung, damit kein Verkehr unter denselben stattfinden kann. Von den Verhafteten (22 Männer und 2 Frauen) wurden 2 wieder freigelassen, eine Schweizerin und ein Schriftsetzer aus Oesterreich. Dagegen wurde letzten Freitag ein neu verhafteter in's Untersuchungsgefängnis gebracht. Neun Verhaftete sind Schweizer (worunter 2 Berner, je ein Schweizer, Thurgauer, Zuger, Freiburger und Aargauer); die übrigen sind Ausländer deutscher Nationalität. Täglich finden durch den Bundesanwalt und die Untersuchungsrichter mehrstündige Verhöre statt.
Afrika.
— Neue interessante Nachrichten aus Kamerun vom 20. Januar erhält die „Posener Zeitung". Dieselben besagen:
Von Wörmanns Faktorei war ein Preis für die Auffindung des von den Joßleuten Weggefährten Pantänius ausgesetzt und etwa drei Wochen nach den Tagen des Gefechtes wurde seine Leiche gefunden; man hatte ihn etwa eine Stunde weit ins Innere geschleift und ihm hier von hinten eine Kugel durch den Kopf geschossen, so daß der Tod augenblicklich eingetreten sein muß; seine Hände waren mit eisernen Handschellen gefesselt, an denen ein langes Stück aus Bast gefertigtes Tau befestigt war. Daß er, wie man erzählte, schwer gemartert worden sein soll, ist unrichtig, eine einzige Kugel hat seinem Leben ein Ende gemacht. (Wahrscheinlich hat die drohende Gefahr die Schwarzen vermocht, dem Pantänius ein rasches Ende zu bereiten.) Pantänius wurde von den Deutschen mit militärischen Ehren begraben. — Einer der Hauptanstifter der Unruhen war der Bruder des Königs Aqua, Mango Aqua; derselbe besudelte die deutsche Flaggenstange in beleidigender Weise, so daß man sich außerordentlich freute, als man seiner habhaft wurde. Man legte ihn in Eisen und brachte ihn auf die „Olga", wo er auf dem Verdeck angeschlossen wurde; für seine Hetzereien und Beleidigung der Deutschen wurde er zu 25 Hieben mit der Nilpferdpeitsche und zu 2jähriger Verbannung verurteilt, aber am 19. Jan., wenige Tage vor der Vollstreckung der Strafe, wußte er sich in der Dunkelheit aus
licher Mann in blauer Jacke, wollener Mütze und hirschledernen Beinkleidern entgegen. Es war der. Großknecht des Hofes.
„Johann", redete die Frau ihn an, „geh' 'naus und führ' die Herren Franzosen im Hof herum. Aber laß sie nicht auf dem Heuboden herumstöbern, denn Du weißt, daß die jungen Perlhühner heut oder morgen ausschlüpfen müssen und ich möchte nicht gern, daß mir das Nest zerstört wird."
Johann stieß ein bejahendes Grunzen aus und begab sich in den Hofraum, wo er jedoch zu spät eintraf. Die Franzosen operierten bereits auf eigene Hand, hatten Ställe und Scheune geöffnet und ließ kein Winkelchen undurchsucht. Mit Schrecken gewahrte Johann, daß einer der eifrigen Verfolger soeben in der Luke des Heubodens verschwand, während ein zweiter sich zum Nachfolgen anschickte.
„Heda, ihr Herren! nicht da 'nauf!" schrie Johann, „da oben hat die Frau 's Perlhuhn auf der Brutstätt, und sie will nicht, daß ihr die jungen Küchels zu Schanden gehn. Darum kommt herunter, eh' sie's Euch leid macht."
Ein lautes Hohngelächter bildete die Antwort des Franzosen, der sich soeben anschickte, den Fuß von der letzten Sprosse der Leiter auf den Boden zu setzen. In diesem Moment aber stürzte die Bäuerin wie eine Furie von Neuem inden Hof, und warf mit einer energischen Kraftanstrengung die Leiter zu Boden. Der Franzose, welcher noch mit einem Fuß auf derselben stand, verlor das Gleichgewicht und stürzte aus der Höhe auf das Pflaster des Hofes. Der Schrei, welchen der Gefallene ausstieß, ließ dessen Kameraden sofort herbeieilen, und eine wahre Sturmflut von Flüchen und Verwünschungen regnete auf das Haupt der Bäuerin nieder, die ruhig die Arme in die Seite stemmte und in ein gellendes Hohngelächter ausbrach.
„Schlagt sie tot, die Hexe!" brüllte der Elsässer, während man dem betäubten Kameraden auf die Beine half. „Das darf nicht so hingehen."
„Ganz recht", lautete die kühne Antwort, „aber bedenkt auch, daß Ihr auf russischem Gebiet seid und daß wir Frieden haben. Geht Ihr noch weiter,
als Ihr schon gegangen seid, so mach' ich Anzeige, und wenn's Euer Napolium erfährt, daß Ihr Euch in Feindesland als vagabondierende Strolche ohne Zucht und Sitte betragen habt, so wird's Euch wohl auch nicht recht sein!"
„Kamerad! Ist er oben?" fragte der Korporal in französischer Sprache den soeben in der Oeffnung des Heubodens erscheinenden, zuerst hineingestiegenen Franzosen.
Die resolute Bäuerin gewahrte denselben erst jetzt und ein Zucken glitt über ihr Antlitz. Sie beruhigte sich jedoch sogleich, als sie den Franzosen unter verdrießlichem Kopfschütteln einige Worte sprechen hörte, die sicherlich eine Verneinung ausdrückten. So war sie denn auch sogleich bei der Hand, als der Ruf erscholl: „die Leiter heran!" Im nächsten Moment stieg der Franzose hinab und man traf die Vorkehrungen zum Aufbruch.
Da der vom Heuboden Gestürzte sich nur den Fuß verstaucht hatte, gab es weiter kein Hindernis, und bald hatte der Trupp unter fortgesetztem Raisonieren und Toben den Hof verlassen.
Johann rumorte finsteren Blickes im Hofe herum. Er riß die Leitern aus ihren Stellungen, schlug die Thüren aus und zu und schob einen Leiterwagen mitten unter das aufstürmende Federvieh. Die Bäuerin sah ihm einige Minuten lächelnd zu. Dann kletterte sie auf die nach dem Heuboden führende Leiter und rief hinein: „Nu — Fremder? Jetzt dürft Ihr herauskommen. Sie sind fort."
Ein schwaches Stöhnen, das wie der Seufzer eines Sterbenden klang, war die einzige Antwort.
„Jesus! was ist das?" schrie die Bäuerin auf und rasch schwang sie sich über die oberste Sprosse der Leiter in den Raum hinein und warf mehrere Arme voll Heu zurück. Mit Entsetzen gewahrte sie Blutflecken, welche hier und dort die Halme aneinander kleben machten, und endlich tauchte das geisterbleiche Antlitz in dem trüben Halbdunkel auf.
(Fortsetzung folgt.)