Lehrermangel selbst. Jedes LoSreißen von Altem und verbinden mit Neuem hat Bitterkeiten. Wir Norddeutschen sind auch im Gewinnen von Sympathien nicht sehr geschickt, aber wir wollen Elsaß-Lothringen möglichst wenig wehe thun. Zweifeln sie nicht an unserer Geschicklichkeit, an unserer Ausdauer, an unserem Muthe und unserem Bestreben, allen Angriffen zu widerstreben." (Stürmischer Beifall.) Das Haus vertagte sich bis morgen, nachdem im Lause der Berathung Fürst Bismarc noch mitgetheilt hatte, daß über die von einem Borredner gewünschte Competenz- Beschränkung der Kriegsgerichte bezüglich aller nichtpolikischen Vergehen bereits eine Vorlage vorbereitet werde.

Frankfurt, 17. Mai. Die Deutsche Presse'enthält ein Telegramm aus Rom vom 17. d.: Der Pabst liegt im Sterben, man sieht seinem Ende stündlich entgegen.

Breslau, 15. Mai. Domherr Richthofen veröffentlicht in den heutigen Zeitungen eine Erklärung bezüglich der Unfehl­barkeit des Papstes, worin er bekennt, daß es ihm unmöglich sei, das vatikanische Konzil als ein freies, ökumenisches anzuerkennen und seine Beschlüsse als Offenbarung des heiligen Geistes anzn- nehmcn; er ziehe deßhalb seine frühere im Drange der Verhält­nisse abgegebene Unterwerfungserklärung zurück.

Die preußische Regierung wird im Bundesralhe die Auf­hebung sämmtlicher Eisenzülle beantragen.

Aus Berlin ist eine 1350 Pfund schwere, für die luthe­rische Kirche zu Titusville, dem Hauptorte in dem Oeldistrikte von Pennsylvanien bestimmte Kanone eingelroffen, und soll zu einer Glocke gegossen werden. Die Kanone ivurde bei Sedan erobert und ist ein Geschenk des deutschen Kaisers.

Bei dem Frankfurter Biercrawall sind doch viele Dinge zu Verlust gerathen, die mit der tropfbaren Flüssigkeit des Bieres eigentlich in keinem unmittelbaren Zusammenhänge stehen. Die Staatsanwaltschaft veröffentlicht ein Verzeichniß solcher Gegen­stände, worunter sich z. B. befinden: 315 Paar Stiefeln, 151 Jaquets, 78 Joppen, 222 Paar Hosen, 50 kompl. Knabenanzüge, 127 Dutzend Messer und Gabeln, 62 Flaschen Champagner und Wein, ungezählte Schinken, Würste u. s. w. Es wird schwer sein, die ausgeflogenen Vögel wieder einzufangen.

In den Blättern macht eine Aeußerung die Runde, die der Fürst Bismark im Gespräch mit russischen Staatsmännern gethan haben soll, daß nämlichdie feindlichen Pläne, welche die Presse der Widersacher, besonders die polnische ihm beimesse, für ihn eine Unmöglichkeit seien, da sie ein Verrath an der zwischen den beiden Staaten bestehenden politischen Freundschaft und seiuen persönlichen Gesühlen für den Kaiser Alexander sein würden."

Dem Grafen v. Landsberg-Velen, der in der Debatte des preußischen Herrenhauses über die Kirchengcsetze geäußert hatte, dieselben würden entmuthigend auf das. Heer und seine Energie einwirken, antworteten die Milit. Blätter Folgendes: Wir glauben den Hrn. Grafen über diese Befürchtung beruhigen zu können. Das Offizierkorps der Armee hat noch niemals die Ehre gehabt, einen Grafen Landsberg in seinen Reihen zu zählen und deßhalb ist dem zeitigen Vertreter dieser Familie im Herren­hanse wohl auch die Gesinnung der Armee wenig bekannt. Der Sinn des Soldaten ist, vom Feldmarschall bis zum Tambour, ein anerkannt religiöser. Dagegen sind Priester und Soldat Gegensätze gewesen, so lange die Welt steht, und wir identifiziren die Kirche, zu der wir selbst als lebendige Glieder gehören, ebenso­wenig mit der Geistlichkeit, wie es unsere Väter seit mehr als tausend Jahren gethan habe». Wenn die Kreuzzeitung in der Armee säst alle Anhänger verloren hat, so ist dies nur dem Umstand zuzuschreiben, daß sie seit mehreren Jahren das Christen­thum mit lutherischen Geistlichen verwechselt, welche letztere bei aller individuellen Anerkennung in der Armee leidlich wenig Freunde haben dürsten. Das Vorgehen des katholischen Feldprobstcs Namszanowski, der sich Dinge anmaßte, welche bisher bei einem Mitglied der Armee unerhört waren, hat in allen Kreisen derselben die tiefste Entrüstung hervorgerufcn, und wenn man sich über irgend etwas in der Armee wunderte, so war es nur darüber, daß derBischof in den ungläubigen Landen" noch in der jüngsten Rangliste als katholischer Feldprobst figurirte. Der Soldat ist nach Kräften fromm, aber er denkt Loch zu nüchtern, um nicht ein freudiges Hurrah zu rufen, wenn endlich dem Hum­bug, die Kirche mit den Theologen zu verwechseln, ein Ende ge­macht und die durch den Feldprobst Namszanowski bedrohte Dis­ziplin in der Armee aufrecht erhalten wird.

Wien, 15. Mai Wieder sind an hundert Zahlungs­einstellungen zu beklagen, das Börsenpqblikum ist mehr als dezimirt, die Reihen der Coulisse insbesondere wurden furchtbar gelichtet. Aber auch eine Bank, die Börsen- und Kreditbank, ist unter denjenigen, die ihren Verbindlichkeiten nicht nachgekommen.

DasJournal von Lyon" erzählt: Der Lyoner Theaier- direktor Brocard bot dem kommandireuden General Bourbaki eine Loge an. Dieser lehnte sie ab, und schrieb dabei:Ich habe mir sebst gelobt, erst dann wieder ins Theater zu gehen, wenn ich wieder von der Loge, die ich in Metz Hane, Besitz ge­nommen hätte."

Die Arbeiterfrage scheint in der gewerbreichen Pro­vinz Barcelona bedenklich zu werden. Fabrikanten, welche die von den Arbeitern aufgestellten Lohnsätze nicht unterzeichnen, werden mit dem Tode bedroht. In Caldas wurde einem Tuchfabrikanten, der den Tarif Unterzeichnete, aber dabei erklärte, daß er fortan nur die Hälfte seiner Arbeiter beschäftigen könne, die Antwort zu Theil, daß die andere Hälfte trotzdem ihren Lohn weiterbezie­hen werde. Die Behörden fühlen sich nicht stark genug, um dem Zwange entgcgcnzutreten.

Petersburg, 15. Mai. Ein heutiges Telegramm aus Odessa meldet großen G eldm äugel an der dortigen Fonds­börse. In Folge dessen fallen die Werthpapiere, der Diskont steigt, Wechseldiskonten sind nur schwer zu 9 Prozent beschaffbar.

Der Blasebalgflicker von Lyon.

(«Schluß.)

Die Ehe wird also nicht für nichtig erklärt und auch kein weiterer Schritt in dieser Sache gethan. Während das Gericht aber de» Ehevertrag für gültig erklärte, verfügte es zugleich, daß Aurora von dem Abenteurer, der sie auf solch schnöde Weise hintergangen, aus keine Weise belästigt werden dürfe und es ward jede gesetzliche Vorkehrung angewandt, damit mir jede Einwirkung auf Aurorens Angelegenheiten benommen werde.

Nach diesem Vorfall blieb ich nicht länger in Lyon, wo ich meinen Namen allenthalben mit Schmach gebrandmarkt hörte. Ich begab mich mit der beträchtlichen Summe, die mir auf die obenerwähnte Weise zugeflossen war, nach Paris, nahm dort einen andern Namen an, warf mich mit allen Kräften-in's Geschäfts­leben und verfolgte dieses um die Erinnerungen an das Ver­gangene zu verdrängen mit emem Eifer und einer Hingebung, wie sie vielleicht nur Wenige unter gleichen Umständen bethätigt haben. Die wildesten gewagtesten Spekulationen zogen mich am meisten an, und das Glück begünstigte mich auf eine, merkwürdige Weise. Ich ward der Chef eines blühenden Handelshauses und ehe sechs Jahre vergiengen, hatte ich mir ein beträchtliches Ver­mögen erworben. Aber ich war darum doch nicht glücklich, denn die Erinnerung an meine Frau erfüllte mich oft mit Gram, Reue, Angst und Verzweiflung. Trotzdem aber wagte ich keinen Ver­such weiter, mich ihr zu nähern, bis mir ein Zufall Gelegenheit gab, einem Lyoner Banquier einen sehr bcdentenden Dienst zu leisten, und dieser in mich drang, ihn mit einem Besuche zu er­freuen. Nach langem Besinnen und Erwägen, nach langer Angst und Unbehaglichkeit entschloß ich mich endlich, diese Einladung anzunehmen. Ich fuhr abermals in Lyon ein, aber diesmal in keiner erborgten Equipage, obwohl sie noch schöner war, als meine frühere. Als ich meinen Freund, den Banquier, über Au- rora's Familien- und persönliche Verhältnisse ausfragte, erfuhr ich von ihm, daß sie noch immer im Kloster lebe, und wegen ihrer Bescheidenheit, Anspruchslosigkeit, frommer Nächstenliebe und rastlosen zarten Fürsorge für ihr Kind, einen Sohn, höchst geachtet sei. Er theilte mir ferner mit, daß Anrora's Vater vor Kurzem gestorben sei und so wenig hinterlassen habe- daß. Aurora beinahe ganz von der Wohlthätigkeit der Acbtissin abhänge. Diese Erzählung versetzte mich in die lebhafteste Aufregung, so daß ich mich nur mit Mühe bezwingen konnte, um mich nicht zu verrathen. Sodann besuchte ich auch einen der Kupferstecher, welcher mich nach den mit mir vorgegangenen Veränderungen kaum mehr erkannte, mich aber doch auf's Wärmste empfieng. Ich bat ihn, die Gläubiger von Anrora's Vater zusammenzurufen und mit den nöthigen Geldmitteln, die ich ihm zu diesem Behufs einhändigte, alle seine Schulden zu bezahlen; auch ließ ich durch ihn wieder einige Möbelstücke auskaufen, auf welche Aurora, so viel mir bekannt war, großen Werth legte.

Jede Stunde meines Aufenthalts in Lyon steigerte meinen Wunsch, meine Frau zu sehen und wenigstens meinen Knaben an mein Herz zu drücken, am Ende ward dieses Gefühl unwidersteh­lich, so daß ich mich dem Banquier entdeckte und ihn bat, mir auf irgend eine Weise Gelegenheit zum Besuch in jenem Kloster zu verschaffen. Sein Erstaunen, in mir den vielbesprochenen jungen Blasbalgflicker zu sehen, läßt sich gär nicht beschreiben. Glücklicherweise war er übrigens mit der Aebtissin bekannt, und versicherte mich, es werde ihm leicht sein, mir wenigstens den Anblick meiner Frau zu verschaffen. Ehe eine Stunde vergieng, hatte mein Freund mich dorthin geführt; ich ward der Aebtissin im Sprechzimmer als ein Kaufmann aus Paris vorgestellt, und sah nun mit unaussprechlicher Rührung mein armes Weib vor mir, das mit dem schlummernden Knaben auf dem Schooße mit der ehrwürdigen Frau in einem Gespräch begriffen war. Aurora, die vierundzwanzig Jahre alt war, dünkte mir lieblicher als je­mals. Ich hatte mich absichtlich ziemlich vermummt und so un­kenntlich wie möglich gemacht und sie erkannte mich nicht, obgleich ich sie bei meinem Anblick unwillkürlich zusammenbeben sah, als ob meine Erscheinung sie an irgend einen bekannten Gegenstand aus früherer Zeit erinnerte. Ich konnte nicht sprechen und mein Freund mußte allein das Gespräch unterhalten. Der Knabe er­wachte bald, sah sich Fremden gegenüber und verließ der Mutter