Der Gesellschafter.

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Erscheint wöchentlich 8mal und lostet . Einrückungsgebübr sür die kleine .

Nr. 48. halbjLbrlick bier 54 kr., im Bezirk IieNStag dkN' 29. Aplll. Zeile aus gewöhnlicher Schritt 18?S. mit Postaufschlag ! fl. 8 kr. je 2 .Kreuzer.

TageS-Neuigkeiten.

Zum Gcrichtsschreiber bei dem K. Oderamtsgericht Nagold wurde ernannt: Notariatskandidat Lockte von Lubwigsdurg.

Stuttgart, 25. April. Den hiesigen Zimmccwerkmeistern ist gestern per Post ein von Hrn. Stehle, Militärstraße 2. E.

im Auftrag unterzeichnetes Schreiben zugekommcu, worin die­selben ausgesordert werden, den Dnrchschnittslohn für den Arbeiter per Tag aus 2 fl. 30 kr. zu erhöhen und sollte dies nicht bewilligt werden, so erfolge am 26. d. Mrs. gemeinsame Kündigung und am 10. Mai Arbeitseinstellung. Ob die Hrn. Meister sich dazu verstehen, ist zweifelhaft, da die Baulust unter solchen Verhält­nissen nicht gefördert, sondern eher abnehmen wird. Der bishe­rige Tageslohn beträgt 2 fl. per Tag, bessere Arbeiter stellen sich höher. (B.-Z.)

Stuttgart. Aus Crailsheim ist die Nachricht hier eingetroffen, daß daselbst in der Nacht vom 23. auf den 24. April mittelst Einbruch aus der Kameralamtskasse ca. 22,00Gfl. gestohlen worden. Unter dem gestohlenen Gelde befinden sich viele Coupons württ. Staatspapiere.

Darmstadt, 26. April. Eine Petersburger Korrespondenz derDarmstäoter Zeitung" findet in dem Besuch des Deutschen Kaisers in Petersburg und in der in Aussicht stehenden Drei- kaiserzusammenkunft in Wien eine Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens, der gegenüber das Gebühren der österreichischen Presse einen unangenehmen Eindruck mache.

Berlin, 23. April. Schulze-Delitzsch wird in den ersten Tagen des August in Wien den Verbandstagen der dortigen Genossenschaften beiwohnen und so zum ersten Male in Oestreich vor das Forum der Oeffentlichkeit treten. (Frkf. I )

Berlin, 24. April. Das ging heute lebhaft her im H e r- renhause, die Rechte machte die denkbar größten Anstrengungen, um die Kirchengesetze zu discreditiren. Der Neid muß es den Widersachern lassen, daß sie nicht ungeschickt operirten, und wer die Generaldebatte aufmerksam durchnimmt, wird finden, daß in dem Wust von Phrasen doch manches Körnchen Wahrheit versteckt liegt. Witzleben ging ganz rücksichtslos vor; er ist des Glaubens, die evangelische Kirche werde durch die neueste Gesetzgebung schwer gefährdet. Manteuffel ist der gleichen Ansicht, die zu entkräften des Grafen Münster zahme Schutzrede lange nicht ausreichte. Grüner ließ kein gutes Haar an ihnen. Er sieht den Staat mit den Kirchengesetzen in den Absolutismus zurückfallen und begreift nicht, wie die Liberalen, indem sie sür die Vorlagen eintreten, noch weiterhin sich liberal nennen können. Dr. Falk bemerkt gegen Grüner, er selbst sei kein Liberaler mehr. Grüner hatte noch bemerkt, bis 1871 sei Bismarck's Kirchenpolitik correcl gewesen, von da ab nicht mehr. Graf Krassow nöthigte den Minister v. Bismarck, in die Debatte cinzugreifen, und Bismarck ging ganz aus sich heraus. Er bekämpfte die Feudalen, besonders nachdem sich auch Kleist-Retzow hatte hören lassen, so scharf wie nie zuvor. Graf Roon polemisirte zwar auch gegen Kleist-Retzow und Brühl und Genossen, aber weitaus nicht mit der Heftigkeit, die Bismarck an den Tag legte. Morgen beginnt die Spezial-Discussion, der Bismarck indeß nicht beiwohnt, denn er reist heute Abend nach Petersburg ab. (Frks. I.)

Berlin, 2b. April. In der heutigen Sitzung des Reichs­tags erklärt der Abg. Laskcr vor Eintritt in die Tagesordnung gegenüber der Verwahrung der Aeltestcn der Berliner Kaufmann­schaft, daß ihm durchaus ferngelegcn habe, in seiner Rede vom 4. d. M. von der Berliner Börse zu sprechen und noch weniger von den hochachtbaren Männern, die zufällig an der Börse ihre regelmäßigen Geschäfte machen müßten; er habe damals dem all­gemeinen Sprachgebrauch gemäß den Ausdruck Börse gebraucht und müsse in solchen Fällen auf gütige Interpretation gerechnet werden.

Berlin, 25. April. Wie verlautet, hat der Minister­präsident die Einleitung der eigentlichen Disziplinaruntersuchung in der Angelegenheit Wagener's angeordnet. Auf Vermittelung des Justizministers übernahm Oberstaatsanwalt Luck die Aus­arbeitung der Anklageschrift. Der Czar wird dem Kaiser bis Gatschina entgegcnkommen.

Berlin, 26. April. Wie aus guter Quelle verlautet, hat der Reichskanzler den Wunsch ausgesprochen, daß die weitere Benutzung des Reichspreßgesetz-Entwurfes im Reichstage bis zu seiner Rückkehr aus Petersburg verschoben werden möge.

Ein Arzt schreibt aus Berlin.Am 12. April wurde ich Abends gegen 11 Uhr zu einer Sterbenden gerufen. Die Wohnung befindet sich in einem ärmlichen, abgelegenen Viertel. Ich betrat eine ziemlich große Stube, welche von vier Familien zugleich bewohnt wird. Die resp. Viertel waren indeß nicht mittelst Bretterverschlag getrennt, sondern einfach durch Kreidestriche be­zeichnet. Ich fand eine alte Frau, die in den letzten Zügen lag und unter meinen Händen auch starb. Zur Seite des ärmlichen Bettes lag der Sohn der Sterbenden, total betrunken, den man aus dem Wirthshause hierher geschleppt hatte; die Schnapsflasche sah aus der Rocktasche hervor. In dem angrenzenden Zimmer- vicrtel lag eine andere Frau in Wehen und brachte zur selben Zeit Zwillinge zur Welt. In der rechten Ecke des Zimmers zankten, unbekümmert um die Vorgänge in dem Gemache, Mann und Frau; Gegenstand des Streites war die Klage der Frau, ihr Mann arbeite nicht und vertrinke Alles, »«§> der zärtliche Gatte antwortete durch Rohheiten; die linke Ecke war ruhig; dort schliefen oder schienen zu schlafen ein Ehepaar mir 5 Kindern! Ich habe manches Elend in meiner Praxis ge­sehen, schließt unser Freund, aber solche Zustände waren mir bis jetzt unbekannt."

Frankfurt, 25. April. Die Untersuchung gegen die Tumul­tuanten hat begonnen. Ein beträchtlicher Theil derselben ist auf frischer That ertappt worden. Von den Schuh- und Kleiderplün- detcrn wurden etwa 8 dingfest gemacht und ihnen der Raub ab- genommcn. Auch der Bursche, welcher bei Reutlingen die Gas­röhren durchschnitt und hieraus das entströmende Gas ansteckle, ist verhaftet. Die Bierbrauer werden sich, da sie mit ihrer Ent­schädigungsforderung von der Stadt abgewicsen worden, an den Staat wenden. Gestern Nachmittag wurde ein Theil der Gefal­lenen, soweit sie nicht von ihren Angehörigen reklamirt waren, beerdigt.

Die Iran k'f.u rterBrauereien erklären in einer öffentl. Bekanntmachung, daß sietrotz ihrer wohlbegründeten Ansprüche sich entschlossen haben, zu den früheren Verkaufspreisen znrückzu- kehren; denn sie und ihre Sache sollen nicht zum Vorwände dienen, daß Leben und Eigenthum bedroht erscheinen."

Der schon zu Bundestagszeiten removirte Diamantenherzog Karl von Braunschweig erläßt in der GenferPatrie" einen geharnischten Protest gegen die bekannten Vereinbarungen über die braunschweigische Erbfolge. Er sagt u. a.:Wir Karl rc. protestiren gegen die dunkeln Machinationen, durch welche man über unser Herzogthum und unsere unverjährbaren Rechte verfügt. Diejenigen, welche uns unterstützen sollten, greifen uns an und plündern uns, den Erben des ältesten Hauses der Welt. Wir prophezeien, daß der Kommunismus sich dies zu Nutzen machen wird. Gottes Wille geschehe. In Urkunde dessen haben wir Gegenwärtiges unterzeichnet und unser Staatssiegel beigefügt. Karl."

Rom will seine alte Herrschaft über die Welt nicht aufgeben; kann es nicht herrschen mit Hülfe der Regierungen, so will es herrschen ohne sie und wider sie. Das deutsche Reich will von dieser Herrschaft nichts wissen, die Falk'schen kirchlichen Gesetze sollen ein Mittel zur Bändigung der Priesterherrschaft sein. Am 24. April hat dies Fürst Bismarck im Herrenhause noch einmal ausgesprochen. Zwei Feinde, sagte er, sind zu bekämpfen, die (rothe) Internationaleund derUltramontanismus. Er sei kein Gegner der katholischen Kirche und sein Kampf gehe nur gegen die Priesterherrschaft, die sich für die Kirche ausgebe. Diese Partei sei sehr gefährlich und man müsse darauf sehen, daß der König Herr im Lande bleibe. Herrn v. Kleist-Retzow gegenüber erklärten Bismarck und Roon, daß seine (Kreuz-Zeitungs-) Partei keine conservative sei, daß sie vielmehr die Autorität des Staates schädige.

In Lands Hut ließ sich ein Schauspieler um den Preis von 1000 fl. für einen Kaufmann ins Gefängniß stecken. In den letzten 14 Tagen der 4monatlichen Hast wurde der Betrug entdeckt.