Mo. 22
80. Jahrgang
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Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 L p. Spalte im Bezirk, sonst 12 L.
Donnerstag, äen 19. Februar 1885.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 L, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 L.
Amtliche Wekcrnntr^rcrchurrgerr.
Calw.
An )ie Ortsvorsteher.
Unter Bezugnahme auf den im neuesten Ministerialamtsblatt Nr. 2 enthaltenen Erlaß des K. Ministeriums des Innern, betreffend „die Maßregeln wider die Schafräude" vom 2. Februar d. I. Nr. 792 werden die Ortsvorsteher veranlaßt, binnen einer Woche dem Oberamt ein Verzeichniß der Schafbestände ihres Gemeindebezirks — auch der Hausschafe — unter Angabe der Stückzahl derselben und Bezeichnung derjenigen Heerden, welche zur Sommerweidc auf eine andere Markung gebracht werden. vorzulegen, bezw. Fehlanzeige zu erstatten.
Die Schafbesitzer sind im Sinne der Ziff. 11 des obenerwähnten Ministerialerlasses zu belehren und ist bei Einsendung der Verzeichnisse anzuzeigen, ob dies geschehen ist.
Den 18. Februar 1885. K. Oberamt.
Flaxland.
'politische Hlcrchvichten.
Deutsches Reich.
Reichstag. Montags-Sitzung. Beratung des Roggen- und Weizenzolls. Soz.-Dem. Wremer: Den Bauern sei, wenn wirklich eine Preissteigerung eintreten sollte, geholfen, aber den Arbeitern nicht. Eine einseitige Preisregülierung dürfe der Staat nicht vornehmen, v. Fischer: (n.l.) Die Productionskosten werden bei den jetzigen Getreidepreisen nicht mehr erzielt. Sehr schwer lasse sich in der Praxis zur Einführung anderer Productionszweige übergehen. Die Behauptung, daß der Getreidezoll nur dem Großgrundbesitz zu gute komme, sei völlig unhaltbar. In Süddeutschland kenne man überhaupt den großen Unterschied innerhalb der Landwirth- schaft nicht, dort handle es sich um die große Masse des Bauernstandes, dort sei der Getreidezoll wesentlich eine demokratische Forderung, habe doch selbst die Volkspartei bei den Wahlen wenigstens für die bestehenden Getreidezölle sich erklären müssen. Eine Preissteigerung des Brots sei nicht zu besorgen, nur ein weiterer Rückgang der Getreidepreise werde verhindert werden. Thomsen (d.fr.) bekämpft die Vorlage vom sittlichen und politischen Standpunkt aus. Man treibe ein gefährliches Spiel und fördere die revolutionäre Strömung. Fürst Hatzfeldt (Rpart.) legt dar, daß politische Nachteile von der Erhöhung nicht zu erwarten seien, dagegen seien die wirtschaftlichen Vorteile außer Zweifel. Fürst Bismarck und Richter beteiligen sich darauf an der Debatte und zum Schluß will Mayer (Würt.)
noch auf v. Fischers Ausführungen über die Stellung der Volkspartei zum Getreidezoll zurückkommen, wird aber daran vom Präsidenten gehindert. In namentlicher Abstimmung wird mit 192 gegen 151 St. beschlossen, den Roggenzoll auf 3 Mk. festzusetzen. Auch über die Weizenzölle wird namentlich abgestimmt. Der Satz von 3 Mk. wird mit 229 gegen 113 Stimmen genehmigt. Nach 6 Uhr wird die 7stündige Sitzung geschlossen.
— Nach einer Mitteilung der „Allg. Ztg." hat Prcmierlieutenant Schulze, Führer einer deutschen Kongo-Expedition, eine erhebliche Strecke Landes für Deutschland erworben. Die deutsche Flagge ist darnach am südlichen Kongo-Ufer bei Noki am 12. Dez. gehißt und die Grenzpfähle gesetzt worden. Das Gebiet liegt sehr günstig, die Strömung ist gering, natürliche Häfen und große Tiefe gestatten See- und Kriegsschiffen zu ankern. Deutschland hat also nun am Kongo einen eigenen Hafen, wo seine eigenen Schiffe auf dem freien Flusse hinauffahren und ihre Waren ohne Zoll direkt in deutsche Magazine schaffen können. Der Kaufvertrag ist mit der Assoziation sowie den Eingeborenen abgeschlossen.
Frankreich.
Paris, 16. Febr. Eine Depesche des Generals Briere de l'Jsle aus Längson vom 13. d. M., 1 Uhr nachmittags, meldet: Heute Mittag wurde auf der Cidadelle von Langson die französische Flagge gehißt. Der Fluß wurde überschritten. Kulua ist okkupiert. Die chinesische Armee befand sich seit letzter Nacht nach einem heißen Kampfe, welcher 8 Kilometer vor dem Orte stattfand, auf der Flucht.
Ucrges-WeuigkeiLen.
Nagold, 16. Febr. Das eine halbe Stunde von hier gelegene, in den letzten Jahren ziemlich besuchte Bad Röthenbach wurde um nur 29,000 im Zwangsvollstreckungswege veräußert. Der Badeort wird seiner seitherigen Bestimmung erhalten bleiben.
Nottenburg, 15. Febr. Das bischöfliche Ordinariat in Notten- burg veröffentlicht folgenden Erlaß an die Pfarrämter und Kuratieen der Diözese: Da das Geburtsfest Sr. Majestät des Königs Heuer auf einen Freitag fällt, so sehen wir uns veranlaßt, den Teilnehmern an den statthabenden Festmahlzeiten Dispens von dem kirchlichen Abstinenzgebot zu gewähren. Rottenburg, den 10. Febr. 1885. ff Carl Joseph, Bischof.
Oberstenfeld, 13. Febr. Am gestrigen Abend explodierte im obersten Dachraume des Hauses von Kaufmann Kayser hier ein Fäßchen mit Sprengpulver. Die Familie saß gerade am Nachtessen und wurde durch den donnerähnlichen Knall in nicht geringen Schrecken versetzt. Die Exloston richtete am Dache erheblichen Schaden an, auch wurde ein Kamin infolge der Erschütterung arg mitgenommen. Auf welche Weise die Explosion entstand, ist bis jetzt noch nicht ermittelt.
Feuilleton. * °°rb°t°n.
Me Königin Louise
und ihre Schützlinge.
Historische Erzählung von Karl Prenzlau.
(Fortsetzung.)
„Nicht hier hinaus," mahnte das Mädchen. „Gehen Sie durch die Hinterthür. Sie kommen dann in den Garten und von dort aus führt eine Pforte in's Freie. Ihr Weg führt Sie am Memel entlang, und Sie erreichen binnen wenigen Minuten die Landstraße, welche nach Tauroggen führt."
„Dank, tausend Dank, teure Alma! Und nun auf Wiedersehen, wenn alle Gefahren glücklich beseitigt sind und das Vaterland frei ist."
Er eilte durch die Hofthür in den Garten und kam bald auf den ihm von Alma bezeichnten Weg. Angstvolle Zweifel, quälende Sorgen zerrissen seine Seele.
Er führte nur eine geringe Geldsumme mit sich, und seine Uniform mußte ihn dem ersten besten des Wegs daher kommenden Soldatentrupp ver- rathen. Es galt die Aufbietung der äußersten Vorsicht und Behutsamkeit, um unentdeckt zu bleiben.
3.
Das entsetzliche Ereignis war nicht ohne Zeuge geblieben. Eine nicht unbedeutende Menschenmenge hatte sich vor dem Hause angesammelt, und dieser oder jener Bekannter der Familie hielt sich für berechtigt, einzutreten und um
Aufklärung zu bitten. Unter dem Beistände zweier Nachbarinnen wurde die Leiche in das Zimmer geschafft. Man sandte nach einem in der Nähe wohnenden Arzt. Das unheimliche Gerücht verbreitete sich mit rasender Schnelligkeit durch die Stadt und diesem Umstande war es wohl zuzuschreiben, daß ein französischer Auditeur an der Spitze von sechs Mann auf das Haus zu rückte, um den Sachverhalt zu untersuchen und festzustellen.
Unter den Neugierigen, welche vor dem Reimer'schen Hause Posto gefaßt hatten, befand sich auch der den beiden Frauen so feindlich gesinnte Kreuzer. Mit tückischer Freude schaute er auf das ratlose Hin- und Herrennen der Frauen und kaum gewahrte er den Auditeur, als er auf denselben mit den Worten zutrat: „Herr Oberstlieutenant!" verfahren Sie mit aller Strenge gegen das Weibervolk da drinnen. Ich kenne die Witwe Reimer und ihre hochmütige Tochter und weiß, daß es keine ärgeren Feinde der großen Nation gibt, als diese Beiden.
„Wir werden das sehen und beurteilen, mein Herr!" antwortete der Franzose in ziemlich geläufigem Deutsch, indem er mit seinen Begleitern einen Weg durch die Menge bahnte.
Frau Reimer stand weinend und die Hände ringend am Fenster, als der Auditeur eintrat und sofort in eigentümlicher Hast auf den Leichnam zuschritt, während die Soldaten an der Thür Posto faßten.
Kaum hatte er einen Blick auf die erstarrten Züge geworfen, als er wie im jähen Erschrecken zusammenzuckte, und mit ernstem Blick auf die Witwe sagte: „Das ist ein trauriger Fall, Madame, ein sehr trauriger Fall! 'Der Ermordete war ein Liebling des Kaisers, ein intelligenter, durch manche Waffen- that ausgezeichneter Offizier. Diese Sache kann sehr gefährlich für dieses Haus werden!"