geschlagenen Mienen des Franzosen, aus seinen halbhingeworfenen Aeußerungen geschöpft!
Aber noch war die Rettnngsstunde nicht gekommen, noch drohte dem Flüchtling Gefahr. Gleichmäßig war die Heilung seiner Wunde vorgeschritten, seine Kräfte nahmen rasch zu und so kam denn die Stunde, wo er sein Versteck verlassen sollte, in dem er jeden Augenblick fürchten mußte, entdeckt zu werden. Die thätige aufopfernde Hilfe seines Vaters, Brudes und eines Irenen Freundes halten ihn aus den Händen der Franzosen befreit. — Aber wie leicht konnte es geschehen, daß das Retlungswerk noch am Schlüsse scheiterte. Die Kanonen von Aspern waren verstummt, die freudige Erhebung wieder dumpfem Schmerz gewichen.
Mil schonungsloser Willkür beherrschte der Feind die unglückliche Stadt. Die Preise aller Bedürfnisse stiegen ungewöhnlich, die schönsten Feldfrüchte sah man abmähen, um den Pferden zum Futter zu dienen. Der Tischlermeister Peter Tell, der Sattler- meistcr Eschenbach wurden, der Erstere wegen Widersetzlichkeit gegen die Eroberer, der Letztere, weil er Kanonen vergraben, erschossen.
Hatte ja doch Napoleon schon früher den Befehl bekannt gegeben, daß, wer seine Fahne nicht verlasse, dessen Haus sollte in Flammen gesetzt, dessen Eigenthnm eingezogen werden.
An einem kühlen Juniabende wollte man die beabsichtigte Flucht ia's Werk setzen. M
Schon neigte sich die Sonne zum Sinken, als Ottilie in Herrmann's Asyl trat, ihn noch einmal zu sehen und Abschied von ihm zu nehmen. Er erhob sich bei ihrem Eintritte von dem Ruhebett, auf dem er gelehnt. - ---WZ D --
Noch sah er bleich und angegriffen aus, und seine Bewegungen zeugten von Mattigkeit.
„Ach Ottilie!" rief er, ihr tief in die Angen blickend, „wir müssen nun scheiden — scheiden, um uns vielleicht nie wieder zu sehen. Sollte Gott es aber glücklicher fügen, wolltest Du dann mein Trost, meine Freude im Leben werden?"
„Herrmann," erwiderte das Mädchen mit unsicherer Stimme, „sprich nicht so, Du thust mir weh. Noch bist Du aufgeregt, und mißverstehst deine eigenen Gefühle. Zweifle aber nicht, in mir stets die liebevollste und treueste Freundin zu finden, und wenn uns auch das Schicksal trennen sollte, denke manchmal der Jugendgcspielin, die Dir ewig von ganzem Herzen gut bleiben wird."
Brennende Röthe bedeckte Herrmann's Wangen, seine bebenden Finger ließen des Mädchens Hand los — Schmerz und Unmuth erglühten in seinen Augen.
„Du hast recht," sagte er in bitterem Tone, „es ist das Beste, zu vergesse», was ich gehofft, erträumt!"
Große Thränen zeerlten an Ottlilien's Wimpern.
„Wer kennt nicht den schmerzlichen Contrast zwischen der Wirklichkeit und unseren Träumen," sprach sie mit weicher Stimme, „aber diese Stürme, die Dein Leben trüben, wie leicht kann die Sonne sie verscheuchen und tausend Blüthen der Freude Dir erblühen. Und sollte die treue Freundschaft der Jugendgespielin nicht auch eine kleine Blume sein, die Dir manche Stunde versüßen kann?"
Sie sah ihn mit den großen, in Thränen schwimmenden Augen bittend an.
„Ottilie," sagte Hermann, mit Anstrengung die bitteren Gefühle niederkämpfend, die sei» Herz bewegte», „Deine zarte Pflege hat nicht nur mein Leben erhalten, Deine Freundschaft hat es mir auch bis jetzt verschönert, erhalte sie mir!"
Er küßte ihre Hand und stand auf.
Einen Augenblick später traten Milder und Regina ein.
»Die Zeit drängt," sagte der Erstere, „die Dunkelheit bricht herein, wir müssen sie benutzen. Komm, Herrmann, nimm kurzen Abschied und dann fort von hier."
„Aber wo bleibt mein Bruder?" warf der junge Mann ein, „wir sollten ihn erwarten."
„Wir haben keine Zeit zu verlieren," versetzte Milder, „es werden neuerdings strenge Haussuchungen angestellt, und dann ist cs um Dich, um Ernst, um uns alle geschehen."
„Gerne würde ich noch zögern," sprach Herrmann seufzend, „aber ich sehe ein, Du hast recht. So lebe denn wohl, Ottilie, vergiß Alles, was Dir eine trübe Erinnerung sein könnte, und möchte Gott uns wieder vereinen, daß ich Dir beweisen kann, wie tief ich fühle —"
Er brach ab und wandte sich zu Regina.
„Auch Ihnen sage ich aus bewegtem Herzen Lebewohl." sprach er, ihr die Hand reichend und sie freundlich betrachtend. Mit gesenkten Augen stand sie zitternd vor ihm.
„Und wollen Sie mir zum Abschied nicht einmal einen Blick schenken?" fragte er, „wer sagt uns denn, ob wir uns je Wiedersehen?" Regina schaute empor — unter schimmernden Thränen- schlcier brach ein Strahl heißer zärtlicher Liebe aus ihren großen braunen Augen. Ihre blühenden Lippen zuckten, sie wollte sprechen, aber die Stimme versagte ihr.
Gerührt und überrascht stand der Scheidende vor ihr. Ach, hätten Ottiliens Augen nur ein einziges Mal mich so angeblickt! —
Herrmann und Milder verließen nun unter dem Schutze der cin- brechenden Dunkelheit das Haus, die beiden Mädcheu blieben zurück. Keine wollte sich zur Ruhe legen. Die tiefe peinigende Angst, die sie empfanden, die Ungewißheit, ob Diejenigen, welche ihnen über Alles theuer waren, sich retten konnten, quälte sie zu sehr.
Aber nicht nur des Oheims und Herrmann's wegen war Ottilie in Besorgniß. Ernst's unerklärliches Ausbleiben erfüllte sie mit heftiger Unruhe. Sie sehnte sich nach dem Ende dieser Spannung, und doch bebte sie manchmal zurück, als fürchte sie eine Trauerbotschaft zu vernehmen.
Die Lampe, welche auf dem Scitentische brannte, vermochte kaum das Dunkel des hohen Gemaches zu verscheuchen. Auf dem Ruhebett saßen die Freundinnen Hand in Hand. Ncginens Haupt lehnte an Ottiliens Brust. Vor dem Fenster rauschten die alten Bäume im Sturm, der mit gewaltigem Hauche die schwarzen Wolken auseinander jagte. Ein Seufzer und Stöhnen wehte vom Garten her durch das geöffnete Fenster.
Ottiliens Augen hefteten sich träumerisch auf die verblaßten, grauen Arabesken der Wand — es waren dieselben, welche sie vor vielen Jahren mit schläfrigem Blicke betrachtet, als die Wärterin das eintönige Schlummerlied gesungen.
Welch' seltsame Gestalten hatte sie damals in den Linien an der Wand zu sehen geglaubt, wie waren diese endlich undeutlich in einander geflossen, wenn die Mohnblume ihr Stirn und Wangen berührt. Wohl entsann sie sich dessen kaum mehr, ebensowenig als des alten Liedes.
Da mit einmal war es ihr, als töne die längst vergessene Weise in ihr Ohr. Ach, daß sie jetzt — gerade jetzt daran denken mußte — an die Zeit des süßen Friedens, des ungetrübten Glückes der Kindheit!
Ein leiser Schauer durchfröstelte sie, aber sie wollte sich nicht regen, um die schlummernde Freundin nicht in ihrer Ruhe zu stören.
Und das Rauschen vom Garten her schwoll und schwoll zu immer mächtigerem Brausen und dazwischen ertönte der Marseillaise wilde Melodie in abgebrochenen Klängen. Die alten Bäume winkten zum Fenster herein und winkten und bogen sich, bis Ottilie, von Schauder erfaßt, kaum länger hinznsehen vermochte.
Da plötzlich — stand Ernst vor ihr. Sein Antlitz war bleich, wie das eines Tobten, eine blutbefleckte Fahne trug er in der Hand. Sie wollte aufspringen — die Füße versagten ihr den Dienst. Die Marseillaise verstummte, der Wind im Garten schwieg mit einmal.
(Schluß folgt.)
Allerlei.
— Das Pariser klerikale Blatt „L'Univers" wirft dem Präsidenten der französischen Republik, Herrn Thiers, „Unwissenheit in religiösen Dingen" vor nnd erzählt als Beweis für diesen Vorwurf folgende, dem „Courrier de Bruxelles" entnommene Anekdote: „Bei der feierlichen Messe, welche gelegentlich der Wiederaufnahme der Kammersitznngen in der Versailler Schloß- kapelle gelesen wurde, empfing man den Herrn Präsidenten der Republik mit allen seiner Stellung gebührenden Ehrenbezeugungen. Ein Priester, der beim Eingänge der Kirche stand, bot dem eintretenden Hrn. Thiers das Weihwasser, indem er ihm einen Weih- wcdel hinhielt. Der Präsident faßte das Instrument an seinem unteren Ende und spritzte damit nach rechts und links, wie wenn er sich vor einem Katafalk befände. Nachdem er in dieser Weise vorgegangcn war, kehrte er sich nach dem hinter ihm schreitenden Präsidenten der Nationalversammlung, Herrn Grvve, um nnd übergab ihm den Wedel. Dieser, dem die kirchlichen Gebräuche noch mehr fremd sein mochten als dem Staatsoberhaupte, gerieth darüber in große Verlegenheit und wußte nicht, was er mit dem Wedel beginnen sollte. Er folgte Herrn Thiers, der sich auf seinen Platz begeben, und legte das verhäugnißvolle Instrument in diskreter Weise unter seinen Stuhl, wo es der Sakristan am andern Morgen nach langem Suchen auffand."
— (Ein überlisteter Gendarm.) Zwei Freunde gingen mit einander auf die Jagd; der eine hatte eine Jagdkarte, der andere nicht. Da wollte es ihr Unstern, daß ihnen ein als sehr streng bekannter Gendarm in den Weg kam. Der Jagd- paßlose wollte eben unsichtbar werden, als der Andere ihm zurief: „Gehe Du ruhig deiner Wege, ich reiße aus, wir treffen uns am See." — Gesagt, gethan. Der Gendarm ließ den ruhig wandelnden Jäger frei abziehen und lief, was er laufen konnte, dem Ausreißer nach. Der aber blieb nicht eher stehen, trotz alles Rufens, als bis er den Freund sicher wußte. „Was laufen Sie mir denn so nach?" rief er dem herankeuchenden Verfolger zu. „Herr — Ihren Jagdpaß — ich will ihn sehen!" „Hier, deshalb brauchten Sie nicht so zu rennen." — Das Treffen am See soll ein recht heiteres gewesen sein.
Auflösung des Silben-Räthsels in Nro. 19. Leichtsinn.