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politische Wclchvichien.
Donnerstag, äen 12. Februar 1885
Deutsches Reich.
— Am Sonntag den 22. findet in Berlin die zweite Generalversammlung des deutschen Kolonialvereins statt. Der Verein zählt jetzt nach zweijährigem Bestehen ca. 9500 Mitglieder. Es ist bekanntlich bean- tragt, den Sitz des Vereins von Frankfurt a. M. nach Berlin zu verlegen. Die Motive hiefür betonen, daß die Thätigkeit des Vereins die praktische Lösung der Kolonialfrage in nächster Zeit in Angriff nehmen müsse. Auch wird die Uebersiedelung notwendig erachtet, um die Auswanderungsfrage unter fortwährender Fühlung mit den leitenden Faktoren des Reichs lösen zu können. Es sollen durch systematische, sorgfältige Erhebungen diejenigen überseeischen Länder und Gegenden ermittelt werden, in denen deutsche Auswanderer entsprechende klimatische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse und für Erhaltung ihrer geistigen und wirtschaftlichen Beziehung zum Mutterland günstige Bedingungen vorfinden. Direktor Dr. Hasse-Leipzig beantragt die Erklärung: „Der Deutsche Kolonialverein hält für das geeignete Ziel einer deutschen Massenauswanderung die außerhalb der Tropen gelegenen Teile von Südamerika." Prof. Fischer-Marburg will die „Errichtung einer aus erprobten sich ausschließlich dieser Thätigkeit widmenden Kräften gebildeten Kanzlei als einer allgemeinen, ohne Entgelt jedermann zugänglichen Vorbereitungs- und Auskunftsstelle für private überseeische Unternehmungen Deutscher."
— Am Roten Meer und am Cnngo tauchen dunkle, hoffentlich nicht leichr entzündliche Punkte auf. Die Italiener haben die Plätze Beilul und Massaua mit Bersaglieri's und Artillerie besetzt und die egyptischen Truppen entwaffnet und gefangen genommen. Sie thun dies und wer weiß was noch im geheimen Einverständniß mit England, aber sehr gegen den Wunsch aller anderen Großmächte.
— Zu der neuesten Verschiebung in der Gruppierung der Großmächte, der Schwenkung Italiens von den drei Karsermächten weg zu England hinüber, sagt die „Köln. Ztg.:" „Für uns hat das italienisch-englische Verhältnis auf Unkosten des Sultans den großen Gewinn, daß es das französisch-deutsche Einvernehmen naturgemäß stärki. Was England und Italien am Mittelmeere und am Noten Meere erstreben, ist ja doch zuletzt die Schwächung der Stellung Frankreichs, in welcke letzteres gunnütig wohl nicht nicht willigen wird." — Die Mißbilligung des Verfahrens scheint ziemlich allgemein zu sein, daß Italien sich von England Lander schenken läßt, deren
rechtmäßiger Herrscher der Sultan ist; Länder allerdings, die es sich erst holen muß. Die Türkei wird dabei ganz ignoriert. Die neueste Version dieser Art, sich in Besitz zu setzen, wird von einem englischen, dem Glad- stoneschen Kabinet ergebenen Blatt vertreten, den „Daily News," welche geltend machen, daß die Besetzung Massauahs durch Italien eine Wohlthat für die Civilisation sei. Dieses Wort muß nur zu oft herhalten. England habe zwar Italien nicht dazu verholfen, werde aber keinerlei Einspruch erheben. Die osmanische Herrschaft, welche der Civilisation schädlich und für Egypten so fatal gewesen sei, dürfe unter keinen Umständen wiederkehren. Das Völkerrecht, das in den letzten Jahren ohnehin in der Okkupation ohne Abtretung und in der Repressalie ohne Kriegserklärung eigentümliche Institute neu ausgenommen hat, würde durch die Anerkennung der Rücksichten auf die Civilisation als eines Rechtfertigungsgrundes für die Ansichnahme fremder Territorien eine gefährliche weitere Bereicherung erfahren.
— Am Congo haben die Portugiesen die Mündung besetzt und 4 Kriegsschiffe daselbst stationirt. Die holländischen und anderen Handelshäuser haben dagegen protestirt und England hat zwei Kriegsschiffe geschickt. Auch die Congo-Conferenz in Berlin macht ein ernstes Gesicht.
Kiel, 7. Febr. Heute Mittag fand auf der kaiserlichen Werft der Stapellauf der Kreuzerkorvette „6" statt, welche vom Prinzen Wilhelm auf den Namen Alexandrine getauft wurde. Bei der Feierlichkeit waren Prinz Heinrich, die Admiralität und d>e Spitzen der Behörden anwesend.
Frankreich.
Paris, 7. Febr. Aus Tonkin und China liegen Berichte von Waffenthaten der französischen Armee vor, welche derselben zum Ruhme gereichen. In Tonkin haben die französischen Truppen vom 4. bis 6. Febr. in der Nähe von Langson Gefechte mit den Chinesen siegreich bestanden. Sie haben das befestigte Lager von Dong-Song erobert. Eine Depesche des Generals Briere del'Jsle aus Haho vom 4. Februar meldet: „Wir unternahmen gestern Mittag den Vormarsch gegen drei das verschanzte Lager von Dong-Song beherrschende Forts. Dieselben wurden nach einem glänzenden Gefechte genommen. Unsere Truppen zeigten bewunderungswürdigen Eifer, große Tapferkeit und zeichneten sich durch genaues, nachdrucksvolles Vorgehen aus; erst die einbrechende Nacht konnte ihre Kampfeslust zügeln. Bei Tagesanbruch werden wir den Feind in der Richtung auf Dong-Song und Lang- Song weiter verfolgen." Ein ferneres Telegramm d,s Generals Briere de t'Jsle aus Dong-Song vom 6. Februar meldet: „Dos ganze verschanzte
Feuilleton.
Die Königin Louise
«nd ihre Schützlinge.
Historische Erzählung von Karl Prenzlau.
(Forlsetzung.)
„Sie haben wohl einen anstrengenden Marsch gehabt?" fragte di^ Witwe.
„Es ist in der letzten Zeit scharf genug gegangen, Madame", antwortete der Feldwebel, „wir haben unerhörte Strapazen und Mühseligkeiten erduldet, Hunger und Durst in Uebermaß gelitten, und oft genug sind wir dem blutigen Tod mit genauer Not entgangen. Planchen Kameraden sahen wir fallen, aber was wollen alle diese Schmenen besagen gegen die bittere Empfindung, daß durch das vergossene Blut Ntchls gewonnen ist?"
„Aber nun, nun dürfen wir doch hoffen?" fragte Frau Reimer. „Unsere hochverehrte Königin ist auf dem Wege hierher. Man erwartet viel von ihrer Unterredung mit dem Kaiser der Franzoien."
„Und wird sich getäuscht sehen", sagte Humbert trübe. „Wenn auch ein Frieden zu Stande kommt, so werden wir denselben nur mit schweren Opfern erkaufen können!"
„Auch Sie teilen die allgemeine Ansicht?" bemerkte die Witwe kopfschüttelnd. „Und doch — ich kann unser schönes Land nicht verloren geben.
„Ja, sie ist eine der edelsten und verständigsten Frauen der Gegenwart, aber gegen die furchtbare Gewalt des Kriegsgottes wird auch sie so wenig etwas vermögen, als wir Alle."
„Trotz der ungünstigen Zeitverhältnisse", fuhr die Witwe fort, „hat die Oltsobrigkeit den möglichst feierlichen Empfang der Königin beschloss,». Es ist eine Deputation aus den schönsten Jungfrauen der Stadt gewählt, welche sie am Thore empfangen soll. Wie es heißt, wird auch der Kaiser der Franzosen ihr seinen Staatswagen und eine Dragoner-Eskorte entgegen
senden, ein Beweis, daß auch der gewaltigste Mann des Jahrhunderts sich dem Einflüsse nicht entziehen kann, welchen weibliche Seelengröße und Tugend auf jedes Menschen Herz ausüben!"
Der junge Krieger blickte mit gespannten Antlitz auf die Thür, hinter welcher in diesem Moment der leichte Tritt der Tochter des Hauses vernehmbar wurde. Dann wandte er sich an die Witwe mit der Frage:
„Ich müßte mich sehr irren, wenn ich nicht annehmen sollte, daß auch ihre Fräulein Tochter zu denjenigen zählt, welche Ihre Majestät zu begrüßen haben? Ich habe noch nie ein so schönes anmutiges Mädchen gesehen!"
„Ihre Vermutung ist richtig", bestätigte Frau Reimer. „Alma ist dazu auserseh.n, die Ansprache zu halten. Ja, das Kind ist meme ,inzige Freude."
Geräuschlos öffnete sich die Thür. Mit den von der hastigen Beschäftigung leicht geröteten Wangen, den zwanglos um Stirn und Nachen flatternden Locken glich sie einem Seraph, der, zur Friedensbotschaft ausersehen, in die zagende und bangende Menschenwelt eintrat.
Humbert fühlte sich von der reizenden Erscheinung dermaßen geblendet, daß er unwillkürlich von seinem Sitze emporschnellte und die Jungfrau mit einer Verbeugung begrüßte.
»Ihr Z>mmer ist bereit, Herr Feldwebel", nahm diese im freundlichen Tone das Wort.
Humbert wollte sich entfernen. Auf die Einladung der Witwe ließ er sich jedoch bereit finden, den Abend in dem kleinen Familienkreise zuzubringen und an der bescheidenen Abendmahlzeit Teil zu nehmen.
Er konnte sich den lebhaften Eindruck nicht verhehlen, den Alma'S Schönheit und wunderbarer Gemütsreichtum auf ihn gemacht und unwillkürlich gab er sich einem Zauber hin, der bei der eigentümlichen Lage der Verhältnisse für ihn geheimnisvoll werden mußte.
Andererseits aber fühlte sich Alma durch den reichen Geist und die angenehmen Umgangsformen des Gastes gefesselt, die ja auf eine sorgfältige Erziehung schließen ließen.