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daß man eine französische Redensart nicht so ernst nehmen dürfe wie eine deutsche Wahrheit. Mit der Anhörung und den Erwiderungen wäre es genug gewesen, und zum Schluß hätte sich die Abweisung des els.-loth. Antrags gebührt, da doch sonnenklar ist, daß noch aus lange Zeit ohne be­sondere Befugnisse der obersten Gewalt dieses Land nicht zu seinem und unserem Wchl zu regieren ist, an welcher Aufgabe ja sogar ein Stück des europäischen Friedens hängt. Statt dessen kamen dieFreisinnigen" durch ihren Redner v. Stau ffenb erg den elsässischen Unzufriedenen so weit entgegen, daß diese gewissermaßen lachenden Mundes ihren Antrag zurück­zogen. Unter Berufung auf die Verheißungen vonfreisinniger" Seite wird jetzt die Agitation im Lande einen neuen Aufschwung nehmen. Das ist der unerfreuliche Ausgang der elsaß-lothringischen Debatte, wenn auch die Deutschfreisinnigen sich freuen mochten, dadurch einer für sie unbequemen Abstimmung überhoben zu sein. Fast noch schlimmer ist die Mißhandlung der Abg. Meier und Wörmann in der Dampferkommission. Bekanntlich stellten dort die Sozialdemokraten den Antrag: Mitglieder des Reichstags dürfen bei Strafe des Verlustes ihrer Mandate weder als Eigen­tümer noch als Teilnehmer an einer der subventionierten Postdampfschiffs­linien beteiligt sein, noch dürfen sie dem Verwaltungs- oder Aufsichtsrat einer subventionierten Postdampfschiffahrtsgesellschaft angehören." Mit Hilfe der Freisinnigen und Ultramontanen wurde dieser Antrag angenommen, und Meier und Wörmann traten verstimmt und verbittert aus der Kom­mission aus. Sie hätten wohl besser gethan, zu bleiben und die Entscheidung des Hauses abzuwarten, wiewohl dies leichter zu raten, als zu thun ist, da nach solchen Vorgängen zum Bleiben eine fast übermenschliche Selbstüber­windung gehört Hütte. Aber was soll die Dampferkommission ohne Meier und Wörmann? Ohne Bamberger wird sie sich behelfen können, aber die eigentlich Sachverständigen fehlen nun. Konsul H.H. Meier in Bremen, der Direktor des Nordd. Lloyd, eines der ruhmreichsten Institute des deutschen Handels, war schon früher Mitglied des Reichstags, steht aber dem gegenwärtigen mit den großen Handels- und kolonialpolitischen Aufgaben besonders wohl an. Wörmann, der große Hamburger Rheder und Be­sitzer der afrikanischen Faktoreien, die zur Entwicklung unserer Kolonialpolitik den ersten Anlaß gegeben'', ist eigens gewählt worden, nicht um die Ham- burgischen Interessen zu vertreten, sondern als erster Sachverständiger in der deutschen Kolonialpolitik. Nun diese Behandlung in der Kommission! Als ob die Beiden nur für Bremen und für Hamburg oder gar für den eigenen Geldschrank thätig gewesen wären! Was berechtigt zu dieser klein­lichen Auffassung? Es geschah alles offen, was sie thaten. Der Antrag und der Beschluß galten denn auch mehr der Sache und der Partei als den Personen. Es war Gelegenheit da, der Kolonialpolitik selbst einen Spaß zu geben und dabei zwei hervorragende Nationalliberale schwer zu verletzen. So ging man denn fröhlich ins Zeug: Sozialdemokraten, Freisinnige, Ultra­montane.

Die Vermutung, daß der kleine Belagerungszustand nicht über Frankfurt werde verhängt werden, stellt sich als richtig her­aus. Dagegen verlautet, es werde dem preußischen Landtag eine Vorlage zugehen, welche eine erhebliche Verstärkung des Polizeiaufsichtspersonals in Frankfurt a. M. bezwecke. Gleichzeitig mit dieser Vorlage soll auch bean­tragt werden, den hinterlassenen Kindern des Polizeirats Rumpfs das volle Gehalt für Lebenszeit zuzuwenden.

England.

Der englische Feldzug gegen die Araber des Sudans entwickelt sich mit immer größerer Intensität. Am 27. v. M. hat auch die zweite der von General Wolseley von Korti aus ausgesandten Ko­lonnen , welche unter dem Oberbefehl des Generals Earle die Nilroute ver­folgt, Fühlung mit dem Feinde bekommen und dessen Angriff zurückgeschlagen. Mit einiger Spannung erwartet man das Eintreffen dieses Korps vor Berber, wo sich der Feind festgesetzt hat und wo es möglicherweise zu großen Kümpfen kommen könnte. Hinsichtlich der ursprünglich von General Stewart geführten Kolonne, welche nach der Verwundung Stewart's und der Abreise des Obersten Wilson nach Karthum von Nusri befehligt wird, machen sich Befürchtungen wegen ihrer numerischen Schwäche geltend. Die

Mühlenthal, und sogar der zum Schalten seiner selbst herabgewelkte Heribert hatte es sich nicht nehmen lassen, den ersten Schritt dem Bruder entgegen zu thun, der wie der verlorene Sohn verloren war und wiedergefunden. Da er noch schwach war, fuhr er auf dem Bernerwägelchen mit den Rappen nach Mühlenthal.

Das Wiedersehen der beiden Brüder war natürlich zuerst etwas pein­licher Art. Aber Uri hatte sich überwinden gelernt; das Unglück, die Gewissens- niarter und das ruhelose Flüchten durch die Wälder hatte seinen starren Sinn geknickt, und Heribert empfand ein inniges Mitleid mit ihm, als er bewillkommend an das Wägelchen trat, bleich und hager, mit vielen grauen Fäden im schwarzen Kraushaar, die wenige schwere Tage gesponnen, und mit fieberisch glänzenden Augen, die um Vergebung zu flehen gelernt hatten.

Als Uri den Bruder, dessen Stirne noch eine schwarze Binde umschlang, vom Wägelchen hob, zitterten seine Hände und Lippen, und die abbittenden Worte erstickten in einem schweren Schluchzen, das seine breite Brust wie im Sturme hob. Heribert aber faßte seines Bruders Hand, drückte sie leise und sagte bewegt:

Ich bitte Dich nur um Eines, Ulrich; mache nicht viele Worte, mache lieber gar keine, es ist alles vergeben, voll und ganz vergeben. Laß uns nicht darüber reden; es ist Gott sei Tank! nicht so schlimm geworden, als es hätte werden können, und daß Du Dich selber gefunden hast, das ist genug."

Beide schwiegen, aber ihre Augen waren feucht, und es war rührend anzusehen, wie die Brüder, Arm in Arm, die Treppe Hinaufstiegen.

Ueber die schiefe Nase des Holderjörgs kugelten zahllose Thränen, als er dieses Wiedersehen miterlebte, und er kam sich ungemein wichtig vor, denn

Kämpfe bei Abu Klea und bei Metamneh hatten das nur aus 1500 Mann bestehende Korps stark geschwächt; nun hatte zwar General Gordon dem­selben 500 Mann unter Nusri Pascha zu Hilfe geschickt, allein ungefähr ebensoviel von den englischen Truppen begleiteten Wilson nach Karthum, so daß Nusri Pascha kaum viel über 1000 Mann zur Verfügung hat, welche fast von allen Seiten vom Feinde umringt sind. Wenn trotzdem Hoffnung vorhanden ist, daß eine Niederlage dieser kleinen Truppe vermieden werden wird, so ist dies einmal den sehr starken Stellungen zuzuschreiben, welche dieselbe bei Gubat eingenommen, und andererseits dem Umstande, daß Wol­seley bereits erhebliche Verstärkungen nach Gubat abgesandt hat, welche, wenn vom Feinde unbehelligt, in 10 bis 14 Tagen in Gubat eintreffen können. Das weitere Vorgehen der Engländer gegen Karthum hängt von dem Ergebnis der Beratungen ab, welche Wilson und Gordon in Karthum über die militärische Lage im Sudan pflegen werden. Selbstverständlich sieht man in England dem Berichte Wilson's, welcher die ersten vollständig sichern und ausführlichen Nachrichten über den seit ungefähr einem Jahre in Karthum eingeschloffenen Gordon bringen wird, mit Spannung entgegen.

Amerika.

New - Aork, 27. Jan. Der New - Aork Herald veröffentlicht ein Telegramm aus Paris, welches Einzelheiten über das Planen der Dy­namitattentate in London enthält. Darnach wurde das Komplott in einem Restaurant in Paris ausgeheckt, und das Dynamit von einer Frauensperson nach England hinübergeschafft. Ein geheimer Dynamitarden- kouvent soll in Paris im Febr. gehalten werden. O'D onovan Rosa's Zeitung für diese Woche enthält einen Plan, London in Brand zu stecken, indem man 50 Männer und Frauen in verschiedenen Miethäusern um 3 oder 4 der Hauptplätze herum einquartiere und in denselben gleich­zeitig Feuer anlege.

Afrika.

Nunmehr veröffentlicht auch derReichsanz." einen Auszug aus dem amtlichen Bericht des Che,s des westafrikanischen Geschwaders über die Ereignisse im Kamerun-Gebiet, dem eine Kartenskizze beigegeben ist, aus welcher die Operationen der deutschen Truppen erst mit voller Klarheit zu übersehen sind. Der Hauptarm der Kamerunmündung, den die deutschen Truppen mit den Dampfern der KolonieDualla" undFan" und den Booten derOlga" und desBismarck" hinauffuhren, hat südwestliche Richtung; zu beiden Seiten münden in denselben Seitenarme ein, westlich der Mungo-Creek und ein weiterer, Bormanns genannter, Zufluß, östlich Doktor-Creek. Am westlichen Ufer, auf der von den beiden westlichen Zu­flüssen mit dem Hauptstrom gebildeten Halbinsel liegen Hickory-Stadt und dahinter King Old-Bell-Stadt. Vor Hickory-Stadt an der Spitze der Halb­insel erfolgte die erste Landung der Olgaleute mit derDualla", gleichzeitig bei King Old-Bell-Stadt die der Bismarckleute mit demFan." Hickory- Stadt lag so zwischen beiden Landungsplätzen in der Mitte und sollte ge­meinschaftlich genommen und niedergebrannt werden. Eine Vereinigung beider Abteilungen war aber nicht möglich, da zwischen King Old-Bell-Stadt und Hickory-Stadt ein tiefer Sumpf sich befand, der den Führern unbekannt ge­wesen war. Die Bismarckleute, geführt von Kapitän Karcher, dem Kom­mandierenden der Expedition, steckten indes King Old-Bell-Stadt in Brand, die Olgaleute, welche mit der Verbrennung von Hickory-Stadt bis zur Vereinigung abzuwarten hatten, führten diese Verbrennung nur zu einem kleinen Teil aus. Während sie am Strande auf die Vereinigung warteten, kam vom jenseitigen östlichen Ufer, wo neben einander Joß-Stadt, Bell-Stadt, Aqua-Stadt und Dido-Stadt liegen, dis Nachricht von der Gefangennahme des Pantänius, der in einer am Fuße der einige Tage zuvor von den Aufrührern niedergebrannten Bell-Sladt gelegenen Schmidt'schen Faktorei stationiert war. Ohne die Vereinigung mit den Bismarckleuten abzuwarten, brach nun der Führer der Olgaleute, Kapitänlieutenant Riedel, auf eigene Verantwortung auf und segelle nach dem jenseitigen Ufer über, den Ueber- bringer der Nachricht beauftragend, dem Kommandanten bei den Bismarck­leuten, Kapitän Karcher, hievon Mitteilung zu machen. Bei dieser zweiten Landung der Olga-Leute auf dem östlichen Ufer, die zur Rettung des Pan­tänius unternommen wurde, erfolgte nun der gefährliche, mit empfindlichen

er hatte nach seiner Meinung eine wirklich und wahrhaftige Näubergeschichte erlebt und eine Rolle darin gespielt. Ebenso bewegt war der Hellerwirt, der dabei stand und mit seinem runden Sammetkäppchen immer wieder über seine Fischaugen fuhr.

Die große Nebenstube imletzten Heller" war festlich hergerichtet, und die glückselige Hellergreth hatte sogar einen Kranz von Stechpalmen, mit Rosen über flockt, um das Bild des Gekreuzigten geschlungen.

Nach einer Weile kamen die Holderhofer alle: der Hofbauer mit seiner Annemarie, Bertha und Pauline und die alte Jul, die einen ungeheuren Korb schleppte, in den die Holderhoferin für ihren Erstgeborenen, der iu's Gefäng­nis wanderte, ungeheure StückeGediegenes" (geräuchertes Fleisch) und einige Flaschen altes Zwetschgenwasser verpackt hatte. Ein Holderhofer mußte als Gefangener imponieren, und sie wußte wohl, daß die Gefängnis­wärter nicht unempfindlich waren gegen derartige Genüsse, die noch erhöht werden konnten durch eine Schweinsblase voll Sechsbätzner, die sie dem Unglückskind" heimlich zusteckte.

Man machte bei dem ersten Wiedersehen nicht viele Worte, denn das widerstrebt bei so rührenden Anlässen der ganzen Natur des Landvolkes. Es gab auch keine Umarmungen und Zärtlichkeiten.

Als der Holderhofer denUnglücksbuben" so zerknirscht und herab­gekommen vor sich sah, zerschmolz sein altes braves Herz in Mitleid, und er konnte nur mit stockender Stimme sagen:

Grüß Gott, Uri! Du hast mir viel Schweres angethan, aber ich seh', es hat Dich noch mehr mitgenommen, als mich, und wir schweigen am liebsten davon. Du hast das Rechte vor, und das Andere wird unser Herrgott machen."