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Pferd geleitet. Auch das Leichenbegängniß des Bruders des Prinzen August, des Prinzen Friedrich, war schon dadurch einfacher, als nicht diese vielen fremden Offiziere des schönsten Elitekorps, der preußischen Garde dabei waren, wie bei Prinz August, dem Generalobersten (Feldmarschall) der preuß. Kavallerie und langjährigem Kommandeur des preußischen Gardekorps. Der St. A. schreibt über die Beisetzungsfeierlichkeit:Neben S. K. H. dem Prinzen Wilhelm wohnten derselben der regierende Fürst von Waldeck, die Herzoge Nikolaus und Albrecht von Württemberg, der Prinz Hermann zu Sachsen- Weimar und der Herzog von Urach bei. Nächstdem war ein Trauerabge- fandter des Herzogs von Sachsen-Altenburg (die Mutter des Verewigten war eine Prinzessin von Sachsen-Altenburg) anwesend. Ferner hatte sich eingefunden neben dem gesammten württ. Hofstaate und dem Ordonnanz­offizier des hohen Verstorbenen die von Seiner Majestät dem Kaiser gesandte Militärdeputation, bestehend aus den Kommandeurs des 1. Garderegiments zu Fuß und des Garde-Kürassier-Regiments, dem Kommandeur des 10. Ulanen­regiments, dessen Inhaber der Verstorbene war, und drei weiteren Offizieren desselben Regiments. Außerdem waren erschienen von Standesherren die Fürsten Waldburg -Zeil, Hohenlohe - Langenburg. Waldburg - Wolfegg und Waldburg-Wnrzach, sowie die Erbgrafen v. Rechberg und v. Königsegg; ferner sämmtliche Minister und viele hohe Staatsbeamte, der ständische engere Ausschuß, eine Deputation der Stadt Ulm mit dem Oberbürgermeister an der Spitze, die Mitglieder der Kreisregierung, der Bezirksstellen und des Gemeinderats von Ludwigsburg. Die Mehrzahl der Anwohnenden bestand aus der Generalität des Landes, sowie Vertretern des K. Offizierkorps. Die Rede wurde von Oberhofprediger Prälat v. Gerok gehalten. Eine große Anzahl von Blumenspenden und Kränze wurden von hoher Hand zur Nieder­legung am Sarge gespendet. Es verlief die Beisetzungsfeier in durchaus dem hohen Range und der hervorragenden Persönlichkeit des Verstorbenen entsprechenden würdigen Weise. Dragoner und Ulanen der Ludwigsburger Regimenter eskortirten den Sarg. Die Spaliere und die Ehrenwache an der Schloßkirche wurden von den übrigen Ludwigsburger Regimentern ge­bildet: Infanterie, 3. und 4. Regiment Nr. 121 und 122, Artillerie, 2. Re­giment Nr. 29 und Trainbataillon Nr. 13. Der mit 6 Rappen bespannte Leichenwagen trug die König!. Krone. Zur Seite gingen 8 Stabsoffiziere, 4 Lieutenants trugen Helm, Ehrensäbel, Orden und Ehrenzeichen des Ver­storbenen hinter dem Leichenwagen. Bei der Versenkung des Sarges mit der Leiche gab die Artillerie 36 Schüsse als Ehrensalve. So ruht nun Prinz August unter den vielen der ritterlichen Helden aus dem Hause Württemberg, einer der hervorragendsten und mit den höchsten Ehren über­häufte, an der Seite seines Bruders des einstigen württ. Armeekorpskomman­danten und Inspekteurs, des Prinzen Friedrich.

Stuttgart, 19. Januar. Am 16. ds. Mts. fand im Schlosse Wächtersbach bei Gelnhausen die Verlobung des ältesten Sohnes Seiner Hoheit des Prinzen Hermann zu Sachsen-Weimar, des Prinzen Wilhelm, mit der Prinzessin Gerta, jüngster Tochter Seiner Durchlaucht des Fürsten Ferdinand von Isenburg statt. (Der Bräutigam ist 1853, die Braut 1863 geboren.)

Aus dem OA. Neuenbürg, 16. Januar. Die Schwarzwaldge­meinde Bermbach wird im Lauf dieses Jahres zu der Wohlthat einer ausgiebigen Wasserversorgung kommen. So reich die Thäler des Schwarz­waldes an Wasser sind, so spärlich ist es in der Regel auf der Höhe zu finden, und bei länger andauernder Trockenheit sind unsere hochgelegenen Ortschaften nicht viel anders dran, als früher die Albgemeinden. Hier ist nun im Zusammenhang mit anderweitigen Verhandlungen ein Uebereinkommen zwischen Staat und Gemeinde erzielt worden, wornach letztere drei reiche Quellen auf einem Grundstück des Staates fassen und in den Ort leiten kann. Restmittel und der Besitz eines Weidablösungskapitals, mit welchem die Gemeinde noch im letzten Jahr abgefunden worden ist, gestatten derselben für den beträchtlichen Aufwand aufzukommen, an welchem übrigens auch der Staat im Verhältnis seiner Steuerpflichtigkeit teilnimmt. Dem Vernehmen

nach wollen auch andere unserer Bergorte diesem Gedanken der Wasserver­sorgung näher treten. Von einer noch im letzten Monat in Bernbach aufgetretenen Masernepidemie, von welcher unsere gesammte Jugend bis zum Alter von sechzehn Jahren heimgesucht ward von 119 Schülern sind nur zwei verschont geblieben sind die Nachwehen noch nicht überall überstanden. Im ganzen jedoch hat die Krankheit einen normalen Verlauf genommen. Jetzt ist sie ins Badische übergegangen. In Moosbrunn brannte vor acht Tagen zur Nachtzeit ein dort an der badischen Grenze stehendes Wohn­haus bis auf den Grund nieder. St. Anz.

Cannstatt, 16. Jan. Nie hat wohl unsere Allee vom Wilhelms' bad zum Kursaal um diese Jahreszeit ein ansprechenderes Bild munteren Treibens gezeigt, als gestern und besonders am heutigen Tage, denn endlich ist es Dank der günstigen Witterung und vielen Anstrengungen gelungen, durch Ueberrieselung der Fahrstraße und einer Seitenpromenade eine Schlitt­schuhbahn herzustellen, um die uns unsere benachbarte Residenz beneiden kann. Vor einigen Tagen noch hatte man Aussicht, die wunderschön angesetzte Eis­decke des Neckars befahren zu können, aber die Ungunst der Temperatur hat leider die Hoffnungen der Eissportfreunde zu Schanden gemacht. Auch der zum Schlittschuhlaufen angelegte See in der Nähe des Hotel Hermann konnte nur ganz wenig seiner Bestimmung dienen, da er ganz an denselben Mängeln krankt, wie die Eisbahn im Stöckach. Um so mehr erfreut man sich daher der herrlichen Bahn am Kursaal, die in einer Ausdehnung von ca. 250 m Länge und 15 m Breite jedenfalls geeignet ist, einer ansehnlichen Menge ge­nügenden Raum zu freier Bewegung zu bieten. Heute ist der Neckar neuer­dings mit einer sehr hübschen Eisdecke bedeckt, allein die ziemlich ausge­sprochene Neigung der Temperatur zu Thauwetter läßt wenig auf Be­nützung hoffen.

Reutlingen, 19. Jan. Die von dem Ausschüsse des Gauverbands der 7 landw. Vereine Reutlingen, Tübingen rc. beschlossene Eingabe an den Reichstag wegen Erhöhung der Kornzölle ist nun, wie die Schw. K.Ztg. berichtet, in Umlauf gesetzt. Es heißt in derselben: Während die Industrie unter dem Einfluß der neuen Zollgesetzgebung sich allenthalben im Gebiete des deutschen Reiches wieder mehr und mehr zu heben und den heimischen Markt zu behaupten beginnt, liegt die Landwirtschaft, welcher man nicht den gleichen Schutz gewährt hat, tief darnieder. Es läßt sich mit Sicherheit vorhersehen, daß die deutsche Landwirtschaft, namentlich in den nicht besonders gesegneten Lagen, ohne ihr Verschulden immer weniger rentabel wird, wenn nicht die deutsche Gesetzgebung sich ihr günstiger gestaltet und die Zölle auf die Produkte der Landwirtschaft endlich in ein richtiges, der nationalen Ar­beit auch auf diesem Gebiete Schutz gewährendes Verhältnis zu den Jndustrie- zöllen gebracht werden. Ein dauerndes Darniederliegen der Landwirtschaft muß ein Erkranken des gesamten Staatswesens nach sich ziehen. Soll aber die deutsche Landwirtschaft wieder gesunden, soll dem deutschen Grundbesitzer Mut und Kraft erhalten werden, so ist es höchste Zeit, die dazu geeigneten Schritte zu thun. Wenn auch neben der Erhöhung der Getreidezölle sonstige gesetzgeberische und wirtschaftliche Maßregeln nötig sind, um die Landwirtschaft aus ihren gegenwärtig unbefriedigenden Zuständen zu erheben, so wird doch zunächst eine Erhöhung der Getreidezölle notwendig, um die Preise des wich­tigsten Produktes der Landwirtschaft, des Getreides, in ein richtiges Verhält­nis zu dessen Produktionskosten, wie sich solche im Jnlande ergeben, zu setzen. Sollte auch nur der doppelte Betrag des bisherigen Eingangszolles auf Ge­treide, statt 50 H auf 1 Ztr. Waizen 1 und statt 25 ^ auf 1 Ztr. Gerste 50 H erreicht werden, so wird damit doch für die inländischen Pro­duzenten der Vorteil erreicht, daß die Einfuhr von ausländischem Getreide sich ermäßigt und damit der Absatz von inländischem Getreide zu mittleren Durchschnittspreisen erleichtert wird. Die Landwirtschaft treibenden Bewohner des 8. Gauverbands, bestehend aus den 7 Oberamtsbezirken: Böblingen, Herrenberg, Münsingen, Reutlingen, Rottenburg, Tübingen, Urach, beehren sich deshalb den: Hohen Reichstag die ehrfurchtsvolle Bitte zu unterbreiten,

aus dem man im Holderhof so feines Linnen spann. Auf den grünen Rasenflächen um den Hof dehnten sich große Leinwandstücke, die in der Sonne bleichten, und auf sie nieder flockten die versengten Blüten der Hollunderbüsche, die ringsum wucherten und denen keine Scheere die frei entfaltete Fülle beschnitt.

Die alte Jul begoß das Linnen, das von ferne wie ein See aussah, in den von Zeit zu Zeit der Holderjörg wie ein kühner Taucher sich verlor. Der alte Holderhofer war bei den Zimmerleuten, die sehr viele Pausen machten, um die Pfeifen zu stopfen und dem kühlen Most zuzusprechen, der aus den unergründlichen Fässern des Hofkellers floß. Die Bäuerin saß immer noch bei ihrer Näharbeit und theilte ihre Gedanken zwischen dem großen Ereigniß des Tages und dem gewitterschwülen Verhältnisse der beiden Brüder, das die feingesponnenen Fäden ihres Planes zu zerreißen drohte. Ulrich war noch nicht heimgekehrt, und wie nach einer stillen Verabredung fragte Niemand nach ihm: man kannte genügend seine unnahbare Wildheit. Der Baron war Nachmittags mit Heribert gekommen, um auf die Jagd zu gehen.

Es war zwar eigentlich noch Hegezeit, aber damals nahm man es noch nicht so genau, am allerwenigsten Ulrich, der sogar häufig genug die Reviere verwechselte. Er hatte das Gespräch zwischen Vater und Tochter im Wurzgärtchen belauscht und kam jetzt mit seinen wilden Gedanken zu gar keinem Ende mehr. Dem Baron gönnte er die Schwester unter keinen Um­ständen; dieser war ihm zu hochmütig, und zudem befand er sich die Schuld war ganz auf seiner Seite als Wilderer auf beständigem Kriegs­füße mit demselben. Die Schuld hat eben eine sonderbare Logik. Jul'S Nachrichten, der seltsame Brief, ein harter Auftritt mit dem Hellerwirt und des Kommissionärs infames Lügengewebe hatten seinen zornmütigen Sinn auf's Höchste erregt, und der Haß gegen den Bruder, der überall Sieger wurde, bäumte sich immer höher, wie die grauen Wolken, die eben gleich gerüsteten Heerscharen am Himmel aufstiegen. Er hatte aus einem hohlen

Baume seine Büchse genommen und streifte ziellos umher, wie der wilde Jäger, mit grimmigem Behagen dem fernen Donnerrollen lauschend, dem fahle Blitze vorauseilten, wie ein falsches Lächeln. Er hörte auch einmal einen fernen Schuß, aber er kümmerte sich nicht weiter darum.

Heribert und der Baron hatten den Holderhof bald wieder verlassen, denn Bertha war nirgends zu finden, und der rasche Freiwerber mußte sich mit dem allerdings sehr bedeutungsvollen Worte der Holderhoferin begnügen, die kurzweg sagte:

Der gnädige Herr kann meine Tochter haben; sie muß sich nur zuerst in den Weg Hineinsinden aber das kommt schon."

Heribert war sprachlos vor Erstaunen und hörte den späteren Erläuter­ungen des Barons nur mit halbem Ohre zu. Ein tiefes Weh krampfte sich in sein Herz, wenn er an seinen Freund dachte und an die holde Schwester, die wohl kaum mit Freude nach der goldenen Kette griff, die man ihr bot. Er wurde einsilbig und eine finstere Stimmung beschlich seine brave Mannes­seele, in der geschwisterlich zugleich sorgenvollen Gedanken des Bruders wegen aufwachten, der jedenfalls wenig zur Entsagung neigte.

Die beiden Schützen wandelten stille dem Walde zu und waren nicht einmal in der Stimmung, dem immer heiteren Holderjörg zuzuhören, an dem sie vorüberkamen. Er lauschte eben dem zweitönigen Rufe des Kukuks und rüttelte dabei die Groschen und Sechser in seiner Lederhose (man hatte dann das ganze Jahr Geld); dann ahmte er den Ruf des unsichtbaren Sängers nach, rüttelte aber immer weiter und rief den Beiden zu:

Die Herren sollten es auch so machen! Es gehört zu den wunder­baren Sachen. Und man muß es thun zur Zeit, so lang der Bursche schreit. Hat er den Kragen an den Kirschensteinen abgefressen, so hat er auch das Glückbringen vergessen!"

(Fortsetzung folgt.)