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heit des Mannes auf ein galantes Abenteuer ausging. Eines Abends, da Frau Francey im Theater war. schlich er sich in das Haus ein und tauchte unerwartet vor ihr auf. Sie verlor in ihrem Schrecken die Kaltblütigkeit nicht und wies ihm die Thür, ohne Dienstboten zu Hilfe zu rufen. Wohl wissend, daß der Geck kein größeres Vergnügen kannte, als Frauen zu kompromittieren, schrieb sie ihm dann in Erinnerung eines Wortes, das er ihr beim Abschied gesagt, wenn er seinen Besuch erneuere, so werde sie ihn mit dem Revolver begrüßen. Brisebard antwortete, auch der Tod von so schöner Hand wäre ihm erwünscht, und als Francey letzten Sonntag auf der Jagd war, meldete sich der Zudringliche von Neuem bei dessen Gattin. Ec wurde eingeführt, bald darauf sah man ihn aber aus 2 Wunden blutend und schreiend: „Ich bin ein toter Mann" aus dem Hause stürzen; Frau Francey den Revolver in der Hand, hinter ihm drein. Ec lief so viel er konnte, wurde aber von seiner Verfolgerin eingeholt und mit 2 Schüssen niedergestreckt. Dann ließ Frau Francey sich selbst verhaften. Wie man hört, soll Brisebard vor 7 Jahren um die Hand seiner Mörderin angehalten haben, aber von ihren Eltern abschlägig beschieden worden sein. Nach einem nächtlichen Besuche in ihrem Hause, den sie geheim halten wollte, hatte er darüber für sie nachteilige Gerüchte verbreitet. Sie wollte ihn zwingen, eine schriftliche Ableugnung der ausgestreuten Bosheiten zu unterzeichnen, und als er ihr Ansinnen mit rohen Anzüglichkeiten beantwortete, vollzog sie die ihm zugedachte Strafe. Also genau eine Rächerin ihrer Ehre, wie die Frau des Abgeordneten von Marseille. Die öffentliche Meinung in Tonnerre soll Frau Francey günstig sein und über Brisebard urteilen, er habe nur bekommen, was er schon längst verdient".
Wevnrifctzles.
Modernisirte trojanische Pferde. Den französischen Zollbeamten fiel es vor einiger Zeit auf, daß sich die Zahl der für Paris bestimmten Wiegenpferde plötzlich sehr vergrößert hatte, ja es schien, daß sich der Gemüter der Kinder eine förmliche Manie nach diesem Spielzeug bemächt'gt habe. Als endlich der Argwohn rege wurde, öffnete man eines dieser Pferde und — fand darin eine Quantität feinster Cigarren und feinsten Tabaks ve.packt. Bekanntlich wird dieses Genußmittel den Liebhabern des- selben dort durch eine hohe Steuer verteuert. Wie erfinderisch ist doch ein ^ Schmugglerkopf.
7^^ In London stand jüngst die Wahl der Lord-Majors, das heißt des Oberbürgermeisters bevor. Aldermann Johnson war guter Hoffnung, daß er es werden würde, leider war auch Frau Johnson guter Hoffnung und das verdarb alles. Denn es ist alter Brauch, daß die Stadt der Oberbürgermeisterin eine silberne Wiege schenken muß, wenn sie in die Wochen kommt. Das wollten die Aldermänner, d. h. die Gemeinderäte, sparen und wählten Master Rottage, von dessen Frau nichts zu befürchten ist.
— Vom Feldmarschall Grafen Noon. Die „Deutsche Revue" bringt in ihrer letzten Nummer aus der Feder des Generalmajors z. D. von Bonin einen sehr beachtenswerten Artikel über das „Junkertum in der Armee," in welchem sich folgende interessante Mitteilung befindet: Der verstorbene Feldmarschall Graf Roon pflegte in seinen späteren Lebensjahren, nachdem die Gnade seines Kriegsherrn ihn in Würdigung seiner großen Verdienste reich mit irdischen Gütern bedacht hatte, mit Vorliebe zu erzählen, daß er als Hauptmann im Generalstabe zu Berlin mit Frau und Kindern in einer elenden Dachwohnung zwischen gebrechlichen Möbeln gelebt habe und bei starken Regengüßen genötigt gewesen sei, über seinem Bette einen Schirm aufzuspannen.
Auf den Mar q u e s as - In s e ln herrscht noch der Kannibalismus
und beruht auf dem Aberglauben, man nehme durch das Verzehren von Menschenfleisch die sittlichen und körperlichen Eigenschaften des Verzehrten in sich auf. Ein Marineoffizier Cheve schildert einen selbsterlebten Fall. Ec hatte einen Freund von vorzüglichen Eigenschaften. Nach kurzer Abwesenheit von einer Nachbarinsel zurückgekehrt, findet er seinen Freund nicht mehr: der König hat ihn gegessen! Der König ist ein kraftloser alter Schakal. „Willst Du junge Kraft gewinnen," sprach zu ihm der Oberpriester, „so frische Dein Blut auf mit trefflichem Saft." Da verzehrte der alte König den jungen Kciegsmann auf einer großen Platte von Baumrinde: „well pspporeck to bio tasto anä stulloä witb potstoos!" (gut gepfeffert nach seinem Geschmack und mit Kartoffeln gefüllt). — 0r. Clavel bestätigt auf Grund seiner während eines sechsmonatlichen Aufenthalts auf den Marquesas gewonnenen Erfahrungen, daß es sich keineswegs um das Gelüsten nach dem Fleische, sondern lediglich nach den persönlichen Vorzügen eines Menschen handelt. Die eingeborene Bevölkerung, welche vom Kapitän Cook auf 100,000 und 1833 noch auf 20,000 geschätzt wurde, ist heute nur noch 4865 Köpfe stark, vr. Clavel führt diese rasche Abnahme auf eine Reihe zusammenwirkender Ursachen zurück. Aehnliches erzählte dem Berichterstatter ein Schiffskapitän, der 15 Jahre in der Südsee gefahren war. Auch er behauptete, die Menschenfresserei beruhe auf Aberglauben, aber auch auf religiösen Vorschriften.
gemeinnütziges.
— Gegen das Säuern der Milch. Ein Gramm Boraxsäure auf 1 Kilo frische Butter genügt, um das Sauerwerden für längere Zeit zu verhindern. Auch Borax wirkt ähnlich, hat jedoch die üble Eigenschaft, die Milch bald gelblich zu färben. Borax in kleineren Mengen schafft übrigens Abhilfe, wenn die Butterkügelchsn beim Ausbuttern nicht Zusammengehen wollen. Probat ist ferner Natron gegen das Sauerwerden der Milch. Man setzt einen Theelöffel voll auf 1 Liter Milch. Natron ist überhaupt ein nicht zu unterschätzendes Hülfsmittel im Haushalte. Gemüse und Fleischbrühe werden, wenn auch schon sauer geworden, wieder genießbar, wenn man sie mit Natron aufkocht. Ranziger Butter und ranzigen Fetten kann man den frischen Geschmack wiedergeben, wenn man die eine wie die andere mit Wasser auswäscht, in dem Natron aufgelöst war.
— Konservierung der Aepfel. In Amerika wird zur Aufbewahrung von Aepfeln feingemahlener Gyps verwendet, um dieselben für lange Zeit frisch zu erhalten. Dazu werden aber nur gute und wertvolle Früchte genommen, die vollkommen ausgereift, trocken und unbeschädigt j?tn müssen. Ist die Schale mit einer feuchten klebrigen Haut bedeckt, so w sch. man sie mit einem trockenen Tuche ab, damit sie beim Herausnehmen a pc zu reinigen ist. Nun bringt man auf den Boden eines Fasses eine etwa 1 Centimeter hohe Schicht Gyps, legt auf diese die Aepfel regelmäßig, mit den Stielen nach oben und so, daß keiner den andern berührt uno füllt, wenn die Lage voll ist, so viel Gyps darüber, bis die Früchte gleichmäßig bedeckt sind, worauf man wieder eine neue Lage Aepfel ausbaut und sie wieder mit Gyvs bedeckt und man fährt damit fort, bis das Gefäß voll ist.
Handels- und Gewerdekammer Lalw.
Oeffentliche Sitzung.
Zaiilstag, den 3. Januar 1885, vormittags 11 llhr.
Tagesordnung:
1) Beratung des Etats pro 1885.
2) Beschlußfassung über einige Eingaben.
3) Prüfung der Gründung einer Aktiengesellschaft.
Der Vorstand:
Kommerzienrat Staelin.
man an einer so hohen Stelle braucht: gereiftes Alter mit dem Triebrad des jungen Eifers, eine Rede wie von Silber und ein Herz wie von Gold, sonst wäre er nicht so für seinen Vater in's Zeug gegangen. Ec ist bei dem Landvolke angesehen und bei den Herren auch und wird es nach beiden Seiten recht machen. Sein Vater ist alt, und es wird ihn wohl nicht kränken, wenn sein Sohn die Last trägt; die Ehre bliebe ja doch dem Holderhofer. Verzeiht mir, wenn ich ein heiliges Wort da hereinbringe. Man könnte fast sagen, wie es in der Schrift heißt: „„Und Alle, die den Sohn ehren, die werden auch den Vater ehren!"" Also schlag' ich vor, wir stellen den Herrn Förster Heribert Rathfelder als Kandidaten für den Landstand auf. Hab' ich Euren Beifall?"
Was dieser schlichten Rede folgte, spottet jeder Beschreibung. Ein Jubel ohne Gleichen durchwogte den Saal. Selbst die Unschlittkerzen vor den Blechblenden erzitterten in dem Sturme der Zustimmung, die jede etwa versuchte Opposition zu Schaden machte.
Wirklich merkwürdig! Anstatt zweier Kandidaten hatte man jetzt vier.
Heribert ward erregt aufgesprungen, um in hastiger Erklärung die ihm zugedachte Ehre abzulehnen; ein Blick auf den Rentmeister, der leichenbleich dasaß, rief ihm Alles zurück, was ihm drohte, wenn er die Kandidatur annahm. Und auch seinen Vater sah er erbleichen und Ulrich mit den Zähnen knirschen. Er wollte etwas hervorsprudeln, aber der Baron, den ein merkwürdiges Feuer ergriffen hatte, kam ihm zuvor, indem er laut in die Versammlung hineinrief:
„Ehre diesen wackern Männern und besondere Ehre dem Herrn Ge- meindeamann! Das ist der rechte Weg aus aller Wirrniß. Meine volle Zustimmung gehört dem Herrn Förster! der übrigens von morgen an Oberförster ist. Für einen Stellvertreter im Falle seiner Erwählung werde ich sorgen. Er kann nicht ablehnen, und ich bitte Sie, Herr Lehrer, schließen Sie die Versammlung!"
Gegen eine solche Protektion konnte vorerst Niemand aufkommen, und die Hauptbeteiligten waren so verwirrt, daß sie keines Wortes fähig waren.
Mit bebender Stimme fragte Born:
„Meldet sich Niemand mehr zum Worte?"
Aber ohne irgend eine Pause fügte er hinzu: „Dann erkläre ich die Versammlung für geschloffen!"
6. Auf dem Jahrmarkt.
Es war wieder „ein großer Tag" im Leben unserer Leute — der Jahrmarkt in Murrheim am ersten Mai. Dorthin ging einfach Alles, was über zwei Füße verfügte, nach Umständen auch, wer nur einen hatte, denn die Brücke vor dem altersgrauen Thors war reich besetzt mit Stelzfüßen, mit Blinden, Lahmen und Einäugigen. Die Einen waren schcecklich musikalisch, die Andern verlegten sich auf sehr fragwürdig schöne Deklamationen, wieder Andere auf den Verkauf von gedruckten Morithaten und Räubergeschichten, Manche sogar auf eine gewisse, wenig nachahmungswürdige Fingerfertigkeit in anderer Leute Taschen.
Bei diesen Leuten hielt sich der Holderjörg am liebsten auf und er zehrte ein ganzes Jahr an den,Eindrücken, die er hier aufspeicherte, wie der Dachs seine Vorräthe für den Winter. Er kaufte jedesmal eine Menge Räubergeschichten, die mit schrecklichen Versen schloffen. Nachdem er seinen Brückenzoll reichlich gegeben hatte, wandte er sich jedesmal zum „KäSperle- theater" (Marionettenspiel) und lachte sich fast tot über den Hanswurst und den Teufel, die sich prügelten. Dann besuchte er die verschiedenen Buden, in denen „die ganze Welt und noch zwei Häuser" zu sehen waren, und ließ in irgend einem Panorama seine Schielaugen über den Brand von Moskau wandern oder über das Blld des Marschalls Blücher, der eben 7 Franzosen auf einmal spießte. Auch in den Menagerien trieb er sich herum, wo etwa ein Kalb mit vier Köpfen zu sehen war, einige schäbige Affen und ein ausgestopftes Zebra mit einer angestrichenen Efelshaut. Am Schluffe ließ er sich dann von irgend einer Seherin aus Hindostan wahrsagen und bewahrte den dabei empfangenen Zettel mit dem „Horoskop" und dem „regierenden Planeten seines Lebens" wie ein Kleinod.
(Fortsetzung folgt.)