T a g e s - N e u i g k e i t e n.
Am 10. d. M. findet in Stuttgart ein Astronomenkongreß statt, zu welchem Gäste aus fremden Ländern, England, Rußland, Schweiz rc, bereits angesagl sind.
Wildbad, 2. Sept. Gestern Mittag vereinigten sich die hier anwesenden Offiziere, 50 an der Zahl, mit General v. Voigts- Rhetz zu einem Festessen im k. Badhotel zur Jahresfeier der Schlacht von Sedan. General v. Boigts-Rhetz brachte zuerst ein stilles Glas auf die Gefallenen aus, und dann einen Toast auf den Kaiser Wilhelm, an welchen zugleich ein Telegramm nach Gastein abgcsandt wurde.
Die Aussicht auf einen guten neuen Wein wird täglich besser. Die Zahl der Sommertage betrug am Mittwoch 44. Da 40 Sommcrtage für einen trinkbaren Wein nöthig sind, dürfte nach dieser Rechnung eine gute Qualität zu hoffen sein.
München, 0. Sept. Kaiser Wilhelm wird Freitag den 8. d. Mts., um 10 Uhr 45 Min. Vormittags in München, um 12 Uhr 15 Min. in Peisenberg eintresfen, von wo die Reise nach Hohenschwangau fortgesetzt wird. Prinz Luitpold und Graf Rechberg werden den Kaiser an der bayerischen Grenze erwarten. Der König fährt demselben von Hohenschwangau entgegen. Am nächsten Sonnabend erfolgt die Weiterreise des Kaisers über Kempten nach Lindau, von wo sich derselbe nach der Insel Mainau bei Eonsianz begibt.
Berlin, i>. Sept. Eine Wiener Korrespondenz der Kreuz- zeitnng bemerkt zu den Gasteiner Verhandlungen, daß bei denselben vermieden worden sei, die eigentliche römische Frage, d. h. die Frage der Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes, zur Erörterung zu bringen; diese Frage durfte als eine rein innere italienische Angelegenheit aufgesaßt worden sein, deren internationale Erledigung von Italien nicht nur nicht begehrt, sondern entschieden abgelehnt wurde.
Mainz, 5. Sept. In der am 11. d. zusammentretcnden 2>. Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands, zu welcher eine große Zahl von Theilnehmcrn erwartet wird, werden dem „M. I." zufolge „die brennendsten Fragen der Gegenwart, die römische Frage, die Stellung der Negierungen zum Konzil, die Stellung der Katholiken im deutschen Reich, die Unterrichtssrage, die Angelegenheit der Missionen und die sozialen Interessen, durch kompetente Männer behandelt werden."
^Dic „Kreuzzeitung" hatte den deutschen Offizieren empfohlen, künftig mit den französischen Behörden nicht mehr in französischer, sondern in deutscher Sprache zu korrespondiren. Wie die „Köln. Z." bemerkt, ist diese Andeutung nicht unbeachtet geblieben.
Norddeutsche Blätter berichten: Die Rekruteneinstellungen, die in den lebten Jahren regelmäßig erst am 2. Januar begannen, finden diesmal schon tbeils am II. September, theils am l->. November statt. Am erstgenannten Termin erhalten die in Frankreich stehenden Okkupations- trnppen, sowie die im Elsaß garnisonirenden Regimenter ihre Rekruten, am 15. Nov. finden dagegen die Einstellungen bei den heimatbiichen Garde- und Linienregimentern statt. Während bei den alteren Garderegimentern 230 Mann per Bataillon eingestellt werden, erhalten die übrigen Regimenter 200 Mann per Bataillon, den Jäger-Bataillonen werden je 160 Rekruten zugewiescn. Im Ganzen gelangen bei der Infanterie des deutschen Reiches, die beiden süddeutschen Königreiche ausgenommen, nahezu 80,000 Mann zur Einstellung, mit der Reiterei, Artillerie, Train :e. über IM,000 Mann. In Bayern ist die Stärke der einzustelien- den Mannschaften auf 1t,000 Mann festgesetzt, in Württemberg, wo die Neuformation bereits begonnen hat lanstatt bisher 19 Jnfanteriebataitlone find gegenwärtig deren 21 fornurt), werden über 6000 Rekruten eingestellt, so daß also im ganzen Gebiete des deutschen Reiches pro 1371—72 über 120,000 Mann unter die Fahne gestellt werden.
Die Kapitulation von Sedan wurde gestern von den deutschen Truppen in der Umgegend von Paris gefeiert. Die Forts waren illnminirt, die Kanonen wurden abgefeuert und vielfache Gelage abgehalten. Die hiesigen Blätter sind sehr ungehalten, daß die Deutschen diesen Tag feierlich begangen und die Gefühle der Bevölkerung nicht geschont haben, in deren Mitte sie leben. Als ob die Franzosen uns zu Gefallen lebten!
In Wien sollen bereits 3000 Familien erklärt haben, daß sie das Unfehlbarkeitsdogma nicht anerkennen.
Salzburg, Nachmittags 3 Uhr. Der Kaiser von Oesterreich ist soeben angekomme»; er wurde lebhaft begrüßt. Beust, Audrassy, Hohenwart, Hofmann, Schweinitz sind früher angekom- men. Abends. Kaiser Wilhelm ist 7 Uhr Abends eingetrossen und im Hotel „Erzherzog Karl" abgestiegen, vor welchem beide Kaiser sich herzlichst begrüßten. Kaiser Wilhelm war in österreichischer, Kaiser Franz Joseph in preußischer Uniform. Bismarck, Beust und Audrassy waren zugegen. — Die „Salzburger Amtliche Zeitung" begrüßt die Kaiser-Zusammenkunft. Sie sagt: In der Begrüßung der beiden Kaiser erkennt die öffentliche Meinung mit Fug und Recht den sichtbaren Ausdruck einer Glück verheißenden Uebereinkunft. Ungetrübt durch irgend welche Hintergedanken, frei von Nebenabsichtci»» stellt sich diese Harmonie als natürlichste Bürgschaft des Friedens dar, nicht blos für Oesterreich-Ungarn und Deutschland, sondern für ganz Europa.
.Salzburg, 7. Lept. Bismarck und Beust konferirten gestern nach der Hoftafel bis Mitternacht. Heute war Audienz der anwesenden österreichischen Minister bei Kaiser Wilhelm.
Der kleine Rath von Baselstadt hat einen Gesetzentwurf durchberathen, welcher die Verkündung und den Abschluß der Ehen den Civilstandsbeamten überweist. Den Ehegatten bleibt
fceigestellt, die geschlossene Ehe nachträglich noch kirchlich einsegnen zu lassen; aber kein Geistlicher darf eine Ehe einsegnen, ohne daß ihm die Bescheinigung über die vollzogene Civilehe- schließung vorliegt. Mit der bürgerlichen Trauung sind keinerlei Gebühren verbunden. Der Vorgang Basels wird hoffentlich nicht allein bleiben.
Thurgau. Napoleon hat den Plan, nach Arenenberg zu übersiedeln, bis auf Weiteres aufgegeben, denn die Pferde, die er nach der Abreise von Wilhelmshöhe dahin hatte bringen lassen, sind laut der „Thurg. Ztg." nach England abgesührt worden
Das Elend in Paris ist sehr groß: man kann sich davon überzeugen, wenn man irgend einen der großen Märkte besucht. Zahlreich sind die armen Frauen und Kinder, welche die einkausenden Hausfrauen um ein wenig Gemüse oder Kartoffeln anbctteln, und man sicht diesen armen Geschöpfen die Noth und Entbehrung an, welche sie ausgestanden haben
Der „Franks. Ztg." schreibt man aus Paris über die französische Armee: „Tie alte Armee, deren Angehörige von der jungen mir dem Titel: „fies cupitulsräs" beehrt werden, sieht auf die Letztgenannte mit scheelen Blicken herab, die junge Armee, deren Mitglieder die alte mir der Bezeichnung „I.es K»x»r«Is" begrüßt, blickt auf die alte mit verhaltenem Ingrimm. Die Soldaten und Offiziere der beiden Gruppen sprechen nicht miteinander und kehren sich den Rücken, wo sie sich treffen. Ein blutiger Zusammenstoß zwischen FuyardS und Capitulards liegt nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit, die ein vorsichtiger Mann in den Kreis seiner Erwägung ziehen muß. Die Preußen, die sich demnächst wohl nach Zahlung einer weitern Quote der Kriegsentschädigung wieder einige Etappen zurückziehen und den Dingen hinter sich freieren Spielraum lassen werden, dürfen sich den Bauch vor Lachen halten."
In der Umgegend von Paris ist den Deutschen wiederum bei 'Nacht eine Anzahl von Pferden gestohlen worden. Dieselben standen, 25—30 an der Zahl, in einer Scheune, während die Reiter selbst in einem benachbarten Hause einquartirt waren. (Eine Stallwache scheint demnach hier nicht zu existiren )
Der Pariser Spezial-Korr. der „Times" schreibt unterm 3. d.: Die Meldung von einer Zusammenkunft zwischen dem Präsidenten der französ. Republik und Fürst Gortschakoff entbehrt der Begründung.
Versailles, 5. Sept. Das 4. Kriegsgericht fällte das Unheil über fünf der Brandstiftung durch Petroleum beschuldigte Frauen. Drei sind zum Tod, eine zur Deportation, eine zu Zuchthausstrafe verurtheilt.
Brüssel, 5. Sepl. Die Mechaniker haben einen Strike begonnen, doch beabsichtigen die Arbeiter nur eine succcssive Arbeitseinstellung. Die Arbeitgeber berathen dagegen über eine gemeinschaftliche Schließung aller Werkstätten.
K o nstantin o p el, 6. Sept. . Der Großvezier Aalt Pascha ist gestorben.
Rom, 2. Sept- Wieder sind fünf Klöster durch k. Deere! crpro- prürt worden. Natürlich sind die Clericalen darüber wütbend. Noch mehr bringt sie Das außer sich, was in der cotadt der Päpste jetzt anstandslos gedruckt wird. So schrieb der liberale „Tempo"- „Vorwärts! Endigen wir mit diesen Verirrungen der Dummheit, des Fanatismus und der Chariatanerte!" rc. (Die Berliner clericale „Germania" bemerkt jammernd dazu: „Dies in Rom, dem Sitze des Oberhauptes von 200,000 katholischen Christen! Es fehlt nicht viel, daß in Rom die Christen die Kirchen nicht mehr werden besuchen können und ihre religiösen Vereinigungen im Geheimen und Verborgenen werben abhalten müssen.")
London, 1. Sept. Das Striken scheint eine ansteckende Krankheit zu sein, und in Newcastle haben Pie Krankheitskeime sich auf das chrenwerlhe Polizeipoksonal selber verpflanzt und dieses, mit seinem Superintendenten unzufrieden, hat erklärt, am kommenden Mittwoch die Arbeit einzusteüen, wenn dieser nicht vorher abgedunkt hat, und wenn ihnen nicht wesentliche Verbesserungen in ihrer Lage zugesichert werden. Die Herren Spitzbuben von Newcastle werden sich ohne Zweifel jetzt schon ins Fäustchen lachen.
^ Was die Londoner Blätter am Jahrestage der Schlacht von L-edan über die Kämpfe dort und ihren Ausgang sagen, muß dem ältlichen Herrn in Chislehurst wie Musik zum Ohre klingen, denn selbst seine entschiedenste» Gegner hier sind nachgerade in Anbetracht der heutigen Lage Frankreichs geneigt, ihn milder zu bcurtheilen als je zuvor. So erklärt sich „Daily News", die zu keiner Zeit sich vor dem Glau; des napoleonischen Gestirns gebeugt, sich doch entschieden gegen die Behauptung des Generals Wimpffen, daß es möglich gewesen wäre, mit der ge'chla- genen Armee durch die deutschen Heere durchzubrecheu. „Der General (sagt das genannte Blatt) ist ein wackerer, tapferer Offizier, allein er war erst 18 Stunden vorher von Algier aus dem Kriegsschauplatz ein- getrosfen. Er hatte sich nicht persönlich von der großen Ueberlegonheit der preußischen Organisation überzeugen können. Die Geschichte des Feldzuges zeigt, daß thatsächlich Niemand durch die preußischen Linien durchgehrochen ist oder dem schrecklichen Griff der Preußen entrann. Bazaü< Trochu, Tncrot, Chanzy und Bourbakt, Alle versuchten cs nach der Reihe, und versuchten es vergehen?. Cs kann nicht sein, daß in allen diesen Fälle» das Fehlschlagen auf Rechnung der Unsähigkeit der Comman- deure kommt. Die strenge Wahrheit ist, daß die Franzosen sich gut schlagen, daß aber die Preußen gelernt hatten, sich noch besser zu schlagen."
Rußland hat des griechischen Königs Bemühungen für die Großmachtsidee als unzeitgemäß gefunden. Kaiser Alexander riech selbst zur Ruhe und völliger Zurückziehung auf das Ncform- gebiet des inneren Staatslcbens.
Die städtischen Beamten inNew-Nork haben wie die Naben gestohlen und im letzten Jahre allein die Stadt um mehr als 5 Mill. Dollars betrogen. Die meisten dieser allmächtigen Herren kamen durch Parlei- ränke ins Amt, arm wie Kirchenmäuse und haben sich seitdem den dicksten Wanst angemästet. Man höre das Sündenregister der New-Norker Times: „Der Mayor (Bürgermeister) hat vom 1. Jan. bis 3l. März 1L71 die Summe von 2,801,207,05 Dollars auf Grund von „Specialrechnungen" aus der Stadtkaffe gezogen und ist bis jetzt noch nicht im Stande gewesen, über den Verbleib des Geldes Auskunft zu geben. Eine Rechnung von 600,000 Dollars ist für Teppiche, welche die Firma I. A. Smith geliefert