August die Verzinsung der auf Grund der Gesetze vom 26. Juli j und 27. Oktober 1870 ausgegebenen verzinslichen Kassenscheine aufgehört. Da noch nicht alle derartigen Scheine eingelösl sind, so wird im heutigen Staatsanzeiger wiederholt aufgefordert, dieselben durch Uebergabe an die Staatshauptkasse in Stuttgart oder an ein Staatskameralamt zur Einlösung zu bringen.
Der Extrazug von Stuttgart nach Straßburg ist gestern in gelungener Weise mit Betheiligung von über 800 Personen zu Stande gekommen.
Tuttlingen, 30. Aug. Sicherem Vernehmen nach ist es den Bemühungen des württembergijchen Gesandten in Bern gelungen, für die Mutter des Augustin Teufet von Gunningen, welcher bei den Züricher Unruhen im letztvecfloyenen Frühjahr in Folge der von dem schweizerischen Militär ergriffenen Maßregeln seinen Tod fand, eine entsprechende Entschädigung von der Regierung des Cantons Zürich auf dem Wege gütlicher Verständigung zu erlangen.
München, 2. Septbr. Durch königl. Entschließung d. d. Berg den 31. August ivird der Landtag auf den 29. September einberufeii.
Atis Hessen - Darmstadt den 3. Sept. Im Orte Bieber bei Offenbach sind 12 Familien (ca. 60 Personen) aus der katholischen Kirche ausgeschieden und der dortigen kleinen evangelischen Gemeinde beigetreten. Der Anlaß zu diesem Schritte ist in der Einführung des Unfehlbarkeitsdogmas zu suchen. Wie man hört, sollen noch mehrere Personen beabsichtigen, dem mit Obigem gegebenen Beispiel zu folgen.
Berlin, 31. August. Von der Reichsregierung ist die Zahlung der dritten halben Milliarde nach den Vorschlägen des französischen Finanzministcrs zugegeben worden. Pouyer-Quertier zahlt 100 Millionen baar und 400 Millionen in Wechseln mit drei-, resp. viermonatlichen Fristen. In Folge dessen wird, wie der „Magdcb. Ztg." geschrieben wird, im Laufe des September die Räumung der Pariser Forts vor sich gehen. Interessant ist, daß an der Zahlung der französischen Kriegskontribution der gesammte Geldmarkt Europas participirt und zum nicht geringsten Theile die französische Kriegsschuld durch deutsches Geld bezahlt wird. Große englische, französische und deutsche Bankhäuser verhandeln über eine» Plan, wie der Rest der Kriegsschuld in verhältnismäßig kurzer Zeit aufgebracht werden kann, damit auch die Räumung der Champagne möglich werde. Die Reichsregie- rnng ist jedem guten und soliden Vorschläge unbedingt zugänglich.
Aus Berlin, 2. Sept., berichtet man der „A. Z.": Die internationalen Verhältnisse in Europa würden heute einen durchweg befriedigenden Anblick darbietcn, wenn nicht der Gesundheitszustand. des türkischen Großwessiers zu berechtigten Besorgnissen Anlaß gäbe. Rach der in der Diplomatie vorherrschenden Ueber- zeugung wäre der Tod Aali Pascha's ein unersetzlicher Verlust für ganz Europa, und dieß um so mehr, als unter allen Staatsmännern der Türkei nur einer ist, welcher in die Fußstapfen des Friedeusmannes treten würde, Kybryslü Pascha, und dieser eine auch an einem Faulfieber rettungslos darniederliegt. Die Sache geht uns in Deutschland näher an, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Berlin, 4. Sept. Die „Krcuzzcitung" und die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bestätigen, daß Graf Bismarck- Bohlen von der Stellung als Generalgouverneur von Elsaß- Lothringen entbunden worden ist und den Rang eines comman- direnden Generals erhalten hat.
Dresden, 1. Sept. Eine aus neun Mitgliedern bestehende Deputation überreichte heute dem Generalfeldmarschall Kronprinzen Albert einen von den Offizieren des Stabes der früheren Maasarmee gewidmeten Marschallstab.
Dresden, 3. Sept. Cs erregt Aufsehen, daß der Vizepräsident des hiesigen Oberappellationsgerichtshofes, Or. Siebenhaar, in feinem so eben erschienenen „Lehrbuch des fächs. Privatrechts" sich über den Sozialismus dahin äußert, daß er ihm volle Berechtigung zuerkennen müsse, „insoweit, als er den Zweck hat, den Unterschied aufzuheben zwischen Menschen, welche das Recht haben, sich durch die Arbeit Anderer zu bereichern, und Menschen, welche dazu bestimmt sind, im Interesse der Kapitalisten und Spekulanten zu arbeiten und ein kummervolles Leben zu führen." (S. M.)
Hanau, 31. Aug. Der Strike ver Cigarre narbei tcr, welcher mit großer Energie und bis jetzt wenigstens ohne Aussicht auf baldige Erledigung nach neunwöchentlicher Dauer immer noch fortgesührt wird, ijl jetzt in ein anderes Stadium getreten. In der Hoße'schen Fabrik, in weicher bisher noch allein gearbeitet worden, haben heute Morgen die Arbeiter ebenfalls die Arbeit eingestellt, so daß jetzt nur eine Fabrik, welche kürzlich die verlangte Lohnerhöhung bewilligt hat, noch arbeitet. Sämmtiiche übrigen Cigarreniabriken ruhen jetzt schon über neun Wochen. Eine derartige Ausdehnung eines Strikes würde natürlich ohne sehr bedeutende Unterstützung von Außen nicht möglich sein und soll, nach glaubwürdiger Angabe, dieselbe, welche namentlich von London aus hierher gelaugt, bis jetzt di- bedeutende Summe von 13,000 st. erreicht haben. Außerdem hat ein Tbeil der Arbeiter jetzt eine Productiv-Association gebildet, über welche sich natürlich erst nach Verlauf einiger Zeit urthei- len läßt.
Zülpich, 3t. Aug. Unter allseitiger Theilnahme schloß heute in hiesiger Stadt nach 40jährigem Liebesverhältnisse ein Junggeselle von 84 Jahren mit einem 73jährigen Fräulein ein eheliches Bündniß. „Alte Liebe rostet nie."
Die Umwandlung des preußischen Staatsschatzes zu einem Reichsschatz, oder richtiger gesagt, die Fundirnng eines Neichs- schntzes unter Hinzutritt des preußischen Staatsschatzes bildet einen der wichtigsten Gegenstände, welcher die nächsten parlamentarischen Sessionen beschäftigen wird. Die vom Reichskanzler vorgeschlagrne Bildung eines Neichsschatzes aus den Mitteln der französischen Kriegskontribution findet übrigens bei allen Bundesstaalen lebhaften Anklang.
Die Einberufung des Reichstags wird neuerdings erst auf den 19. oder 20. Okt. erwartet. Die bayrische Regierung soll wegen des nahen Zusammentritts der bayr. Kammern diesen Aufschub gewünscht haben.
Hinsichtlich der Bezeichnung der deutschen Reichsielegraphen' behörden sind ähnliche Vorschriften erlassen worden, wie für die Reichsposibehörden. Die sämmtlichen Reichstelegraphenbehörden führen demnach fortan die Bezeichnung: „Kaiserlich deutsch w."
Nach einer im preuß. Kriegsministerinm veranstalteten oberflächlichen Zusammenstellung der während des Kriegs von 1870/7 l. zur Vertheilung gelangten Eisernen Kreuze beläuft sich die Ge- sammtzahl derselben auf ca. 40,000: es ist das eine Zahl, welche, wenn man sie in Vergleich stellt zu den während des Feldzuges von 1813 -19 verliehenen Kreuzen, hinter dieser Verleihung nicht unerheblich znrückbleibt.
Der Kaiser wird vor den ersten Tagen des Oktober nicht in Berlin zurückermartet. Nach seiner Rückkehr soll aus den königlichen Residenzschlössern an Stelle der bisher dort wehenden Königsflagge die deutsche Reichsfahne aufgezogen werden, wozu man bereits Vorkehrungen trifft.
Der von sämmtlichen deutschen Privarcisenbahnen dem Fürsten v. Bismarck zum Geschenk gemachte, äußerst bequem und luxuriös gebaute Salonwagen wird dieser Tage auf dem Salzburger Bahnhofe eintrefsen, und der Fürst ivird denselben zum ersten Male ans seiner Rückreise nach Gastein benützen. Sämmt- liche Bahnbehörden im deutschen Eisenbahnvereinsgebiet sind m- struirt, daß dieser Salonwagen unter Ausschluß jeder Kontrole Seitens des Zngbegleitnngspersonals sieht und eine Taxerhcbung nirgends und in keiner Weise zu geschehen habe.
Richard Grcpe, ein junger preuß. Artillerist, der in Bad Tcplitz sein lahmes Bein badet, schreibt seinen Eltern in Wittenberg von einem Erlebniß, das auch Andern Freude machen wird. Er begegnet einem alten Herrn, der seine Kriegsdenkmünze von 1370 betrachtet und ihn anredet. Woher haben Sie Ihr lahmes Bein? — Bei Orleans ist mir eine Kanone darüber gefahren. — Sie sind so jung und waren schon Soldat? — Ja, ich bin voriges Jahr mit 19 Jahren eingetreten und habe bei Metz und Orleans gekämpft. — Ei, Sie sind ein recht herzhafter und für Ihr Vaterland begeisterter Mann; ich bedaure den Unfall, der Sie getroffen hat. — Jeder preußische und deutsche Soldat verdient dieses Lob, sie haben alle begeistert und tapfer gejochten. — Da haben Sie ganz Recht, fugte der Alte, besuchen Sie mich doch in meiner Wohnung. — „Ein Diener nannte die Nummer des Hauses, ohne mir den alten Herrn zu neunen. Ais ich bald nachher in dis schöne Wohnung trat, empfing mich der alte Herr freundlich mit den Worten: Da sind Sie ja schon, setzen Sie sich und erzählen Sie mir von dem Kriege. Eine Flasche Champagner! befahl er dem Diener. — Ich erzählte dem alten Herrn zwei Stunden lang und wir tranken 3 Flasche» Champagner, er freute sich sehr über die deutschen Soldaten und über die herrlichen Siege über die Franzosen. Ich sagte ihm auch, daß ich bei Belfort meinen armen Bruder verloren, der meines Vaters einzige stütze in seiner Schmiede gewesen sei. — Das thut mir sehr leid, sagte der Alte und entließ mich, hieß mich aber im Vorzimmer warten. — Nach zwei Minuten kam der Diener und gab mir zwei ganz neue 25- Thalerscheine, ich solle mir etwas dafür zu gute thuu. Nachher erfuhr ich erst, daß der alte Herr, der sich über 1870 so gefreut hat, der letzte Kurfürst von Hessen war."
Straßburg, 3. Sept. Heute Nachmittag traf der König von Sachsen hier ein und setzte nach kurzem Aufenthalte seine Reise zunächst nach Metz fort. (Frks. I.)
Wien, 4. Sept. Es ist nunmehr abgemachl, daß der Reichskanzler Graf Beust, sowie die Ministerpräsidenten Grafen Andrassy und Hohenwart der Salzburger Begegnung beiwohnen werden. Kaiser Franz Joseph reist morgen Abend von hier nach Salzburg ab.
Dem Vorstande des ersten Wiener Turnvereins ist bereits von Polizei wegen bedeutet worden, dieser Verein dürfe keine deutsch-patriotischen Lieder mehr singen. Ob es auch wahr, daß, wie heute zu lesen, die Leierkastenmänner ans ihrer Drehorgel die „Wacht am Rhein" ans polizeiliche Anordnung entfernen mußten, kann ich nicht mit Zuverlässigkeit behaupten, so viel aber weiß ich, daß hiesige Gesangvereine bereits vertrauliche Winke erhielten, sich politischer Demonstrationen zu enihalten. Die Zeit ist also nicht ferne, wo die Polizei dem Deutschen vorschreiben wird, wie er seinen Gefühlen Ausdruck verschaffen darf.
Ga st ein, 2. Septbr. Der König von Griechenland empfing den Besuch des deutschen Kaisers und machte alsdann seinen Gegenbesuch. Nachmittags trat der König die Weiterreise an. Kaiser Wilhelm reist, sicherem Vernehmen nach, in Begleitung des Fürsten Bismarck, Mittwoch nach Salzburg ab, wo derselbe Donnerstag mit dem Kaiser von Oesterreich zusammentrisft.
Wildb ad-Gastein, 2. Sept. Am gestrigen Gedenktag der Schlacht bei Sedan ergriff Se. Maj. der Kaiser bei Tafel das Glas, und brachte ein Hoch aus „auf das treue ruhmreiche Heer, ans de» Patriotismus und die Opferfreudigkeit in allen