doch keine Ursache zur Eifersucht gegen Wille haben — er ist bereits so gut wie verlobt."
„Du gibst mir das Leben wieder!" ries Hagen entzückt aus.
„Still! still! Ich will sehen, ob ich Dir nicht noch mehr geben kann!" erwiderte Seltenstem. „Liegt nicht das Lustschloß Monrepos in der Nähe?"
„Gewiß, eine Stunde von hier. Aber was geht uns Monrepos an?"
„Mehr, als Du denkst, lieber Schatz! Und nicht wahr, Prinzessin Mathilde ist dort?"
„Ja wohl, schon seit vierzehn Tagen! Aber sprechen wir von Luisen! Prinzessin Mathilde soll höchst liebenswürdig sein, indeß . . ich stehe in.gar keiner Beziehung zu ihr."
„Wer weiß? sagte Seltenstein mit seinem bisherigen, geheim- nißvollen Lächeln. „Aber weiter! Spricht man in Eurem Städtchen da nicht davon, daß Prinz Julius in Monrepos erwartetwird?"
„Ja doch, ja doch!" erwiderte Hagen ungeduldig. „Was haben wir aber mit den Prinzen und Prinzessinnen zu schaffen?"
„Geduld, Geduld, lieber Freund! Noch eine letzte Frage! Wann wird der Prinz erwartet?"
„In vierzehn Tagen! Hofrath Wilke soll ja eben in seiner Begleitung kommen und hat dem alten Dornberg, seinem Vetter, geschrieben. Es handelt sich in Monrepos um eine Vermählung der hohen Häupter."
„Ganz recht — in vierzehn Tagen also — wohlan, wir gebrauchen nur drei Tage — heute ist Mittwoch — nächsten Sonnabend wird der Bürgermeister Dir seinen Platz verkauft haben, und der alte Dornberg Deine Verlobung mit seiner Tochter Luise feiern!
„Aber, Seltenstein, Du bist doch nicht närrisch geworden?"
„Nicht im Geringsten, mein Freund! Folge nur meinen Rathschlägen, nnd alles wird sich ganz prächtig machen. Für heute hast Du nichts weiter zu thun, als Deiner Luise den Wink zu geben, daß Prinz Julius dieser Tage incognito unter dem Namen Seltenstein in Dings da — Deinem Städtchen Frankenheim — eintreffcn nnd im Gasthof zur Rose anssteigen würde."
„Zum Löwen meinst Du? Das ist das erste Hotel in Fran- kcnheim."
„ Zum Löwen also! Du kannst nebenbei einfließen lassen, daß er sein Incognito streng bewahren will, weil er ganz insgeheim seine zukünftige, schöne Verlobte aus der Ferne beobachten möchte."
„Und dieser Prinz . . .?"
„Werde ich sein, Freundchen!" sagte Seltenstem lachend. „Ein Studentcnstrcich, weiter nichts! Ich werde mit Extrapost ankommen, meinen ehrlichen Namen Seltenstcin ins Fremdenbuch schreiben und das Uebrige dem Zufalle überlassen, der ohne Zweifel für uns thätig sein wird."
„Aber wenn man erfährt?"
„So erfährt man weiter nichts, als daß ich der Ober-Lan- dcs-Gerichts-Assessor Seltenstem bin, und damit Basta. Haben mich die Leutchen für den Prinzen Julius gehalten, so ist das ihre Sache. Ich für meine Person decke mich, und Du hast nichts weiter zu thun, als mich ganz einfach für Deinen Freund Seltenstein aus der Residenz zu erklären und anzuerkennen.
Hagen sing allmählich an zu begreifen, und feine Augen blitzten. „Ich verstehe!" sagt er. „Das ist so ein recht echter Göttinger Streich! Seltenstem, Du bist ein Engel!"
„Ei, Gott behüte, vorläufig noch nicht einmal ein Prinz!" erwiderte der Assessor lachend. „Aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Welches Blatt liest man bei Euch?"
„Die Trompete. Sie ist das einzige, was hierher kommt."
„Wo wird sie gedruckt?"
„In Waldstädt — zwei Stunden von hier."
„Gut! So werden wir also auch in die Trompete stoßen! Genug für heute! Ich werde zu meiner Poststation, nnd Du wirst nach der Stadt zurückkehren, um Deine Luise zu benachrichtigen. Morgen sehen wir uns wieder — übermorgen wird Dir der Bürgermeister sein Grundstück verkaufen, und Sonnabends feiern wir die Verlobung. Adieu, Hagen!"
Hagen umarmte den Freund mit stürmischer Seligkeit nnd rannte strahlend vor Freude nach dem Städtchen zurück. Eine Stunde später hatte Luisen seinen Brief; noch eine Stunde später mußte der Apotheker Dörnberg, daß Prinz Julius incognito als Assessor Seltenstein nach Frankenheim kommen werde; um fünf Uhr Abends rannte er spornstreichs zum Bürgermeister, um diesem die wichtige Neuigkeit mitzutheilen; um halb sechs Uhr kannte die Frau Bürgermeisterin das bevorstehende Ercigniß; um sechs Uhr erfuhr es die Frau Nachbarin, um sieben Uhr erzählten sich's die Mägde an den Brunnen, und um halb acht wußt' es die ganze Stadt. Einzelne zweifelten zwar noch und schüttelten die weisen Häupter, aber Dornberg und der Bürgermeister glaubten Alles aus's Haar, denn Luise hatte ganz nebenbei eiufließen lassen, Hagen wäre ein Universitätsfreund des Prinzen Julius, nnd von Hagen grade habe sie zufällig die Nachricht vernommen. Kein Zweifel also, daß Alles richtig war. Fast hält' es Abends in der Ressource Streit gegeben, als der Syndikus noch einige leise Bedenken gegen die Sache äußerte. Der Bürgermeister wurde
hitzig, raisonnirte über die Leute, „die immer alles besser wissen wollten," von „ungläubigen Thomas'sen" von „Gelbschnäbeln" und dergleichen mehr, bis auch der Syndikus spitzig wurde, und sich endlich der Apotheker in's Mittel legen mußte, um die erhitzten Gemüthcr zu beruhigen. Aber am andern Morgen triumphirte der Bürgermeister, als er um acht Uhr beim Kaffee die „Trompete" studirte. _ (Forts, folgt.)
— (Unglaublich, aber wahr.) Aus Düren berichtet man unterm 21. d. M. der „Köln. Ztg.": Vor einigen Tagen verließ uns ein höchst merkwürdiger Gast. Bei seiner Ankunft und auch lnoch Monate lang nach derselben hätte sicherlich niemand die Kühnheit gehabt, ihm eine so glückliche Rückkehr z» seinem Negimeine, resp. zu den Seinigen, zu prophezeihen. Es war nämlich der Füsilier A. F. Beit ( 6 . Komp., 2. Bat., Jnf.- Reg. Nr. 72), der, bei Gravelotte verwundet, am 23. August halb bewußtlos im hiesigen Vereinslazareth anlangte. Von 3 Schüssen war seine Stirn rechter Seits in symmetrischer Entfernung von 2/4 Zoll durchbohrt. Unzählige Nisse gingen von den durchlöcherten Stellen nach allen Richtungen hin. Der ganze vordere Theil der Stirn gab, wie ein Guttaperchaball, dem Drucke nach, ja, bei jedem Athemzuge hob sich das ganze Vorderbaupt durch das darunter liegende Gehirn. Eine vorsichtige Operation ergab, daß der mittlere Schnßkanal das ganze Gehirn durchsetzte; bei den beiden anderen schien das Geschoß nur eine kleine Strecke desselben durchbohrt zu haben und dann im Knochen seitwärts stecken geblieben zu sein. Eine genauere Untersuchung wäre natürlich für den Patienten mit zu großer Gefahr verbunden gewesen. Sechs Wochen lang blieb er in fast gänzlich bewußtlosem Zustande, theils in soporösem Schlafe, theils im Delirium; das Leben wurde nothdürftig durch Wein und Fleischbrühe erhallen. Tagtäglich sah mau seiner Auflösung entgegen. Aber nein, die Natur spottete der menschlichen Wissenschaft. Nach ungefähr sechs Wochen erholte sich der Kranke zusehends; die Gehirnfunctionen kehrten allmälig zurück. Mit jedem Tage besserte sich das Aussehen der Wunden, die bisher nur stinkenden Eiter in ungeheurer Menge abgesondert hatten nnd die in ihrem Grunde noch das Gehirn pulsirend erblicken ließen. Nach und nach wurden 18 Stück Knochen nebst einem Stück Leder aus den Schädelöffnungen entfernt, außerdem traten 5 durch den Nasenkanal — ein untrügliches Zeichen, daß auch die Grundfläche des Schädels an einer Stelle getroffen war. Vor vierzehn Tagen, also ungefähr 9 Monate nach der Verwundung, ging noch ein Knochenstück (wie eine halbe Haselnuß) durch die letzte offen gebliebene Stirnöffnung nnd ein ähnliches durch die Nase. Zwei sind von den Schädelöffnungen, natürlich nur durch Fleischmasse, jetzt vernarbt; die letzte sondert noch eine große Masse Eiter ab. lieber drei Viertel Jahre blieb der tapfere Krieger, der sich allgemein die Liebe und Achtung seiner Umgebung im hiesigen Vereinslazarethe erworben hatte, in unserer Mitte. Seines Handwerks ein Schlosser, hatte ihn auch in den schlimmsten Tagen seines Leidens sein Humor nicht verlassen. Als ihm geäußert wurde, seine Kopfknochen würden wohl schwerlich dauerhaft zusammenheilen, gab er die naive Antwort: „Ich werde schon einen Reifen herum- lezen." Fröhlichen Muthes (soviel wie anzunehmen, alle Gehirnfunktionen unversehrt) trat er vor einigen Tagen seine Rückreise zum Regimente an, um von da nach der Heimath entlassen zu werden. Sicherlich ist obiger Fall einer der merkwürdigsten, die in dem von der deutschen Nation so glorreich beendigten Kriege vorgckommen sind. Wohl nie hat eine Verwundung einen bis jetzt so glücklichen Verlauf genommen. Wie es möglich war, daß das Leben bei einer so bedeutenden Verletzung des Centralorgans erhalten wurde, darüber kann uns nur die Autopsie nach dem Tode näheren Aufschluß geben; über den Sitz der «och in der Schädelhöhle zurückgebliebenen Geschosse sind natürlich auch nur bloße Dermuthungen aufzustellen.
— (Werth einer deutschen Zeitungsnummer im belagerten Paris.) Während der Belagerung der Seinestadt durch die Deutschen schleppten ausgefallene Franzosen als Siegesbeute einen deutschen Tornister zurück, in welchem sich die Nr. 11 des „Daheim" vom 10. December befand. Diese mit zahlreichen und vorzüglichen Kriegsbildern und ansprechenden Aufsätzen ausgestattete Nummer erwarb das Bureau des „Figaro" für tausend Franken und veranstaltete eine französische Ausgabe, in welcher der Text zwar eine starke Umwandlung erlitt, im Uebrigen aber vielleicht zum ersten Male in Paris eine schwache Kunde von der wahren Lage der Dinge durchschimmern ließ. Dieses französirte „Daheim" wurde zu 20 Cts. die Nummer verkauft und soll reißenden Absatz gefunden haben.
— (Gegen die Fettleibigkeit), gegen welcher manche Leute so unendlich leiden, empfiehlt ein englischer Arzt Dr. Dokin das regelmäßige Trinken von abgerahmter Milch als eine Concurrenz der berühmten Banting-Kur. Es wird von Patienten, die diese Kur bereits durchgemacht haben, versichert, daß dies eine weit angenehmere und dabei nachhaltiger wirkende Kur wäre, als die Banting'jche Kur. Nur ist dabei die Hauptbedingung, daß Sahnender Nahm sehr sorgfältig von der Milch abgeschöpft werden muß.
Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Z ai s er 'schon Buchhandlung.