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Nagolder LagblattDer Gesellschafter"

Des Reiches Seemacht

Die deutsche Kriegsmarine und der deutsche Einheitsgsdanke

SlSK. Der Kampf Deutschlands um Seegeltung und damit verbunden die Schaffung einer deutschen Kriegsflotte sind mit kurzen Unterbrechungen Wunsch und Ziel der besten Deutschen seit nun einem Jahrhundert. Vergessen war lange Zeit in weiten Kreisen des deutschen Volkes die Erkenntnis von dem Wert, den das Bestehen der Hansa für das gesamte Deutsche Reich gehabt hatte. Seit ihrer letzten Fahrt 1630 war der Geist, der einst die gewaltigen Flotten deutscher Kaufherren über die nordischen Meere gesandt hatte, erloschen. Das Werk des Ero - tzenKurfürften scheiterte letztlich daran, daß der kleine bran- denburgische Staat ohne die Unterstützung des Reiches und der Hansestädte die großen maritimen Pläne dieses Fürsten nicht durchführen konnte.

' Da setzte mit dem Siegeszug des preußischen Zollvereins zum erstenmal wieder der Wunsch nach Seegeltung im deutschen Volke ein. Der große Nationalökonom FriedrichList zeigte in Wort und Schrift, was das Meer für die Völker bedeute. Es kam das schicksalhafte Jahr 1818, und jetzt merkte das deutsche Volk, daß sein Handel, der in den 30 Friedcnsjahren seit der napoleonischen Aera ausblühte, völlig schutzlos war. Einige alte dänische Fre­gatten fügten den Seestädten an der Nord« und Ostsee ungeheuren Schaden zu, und zwar durch eine Blockade, der das deutsche Volk nicht ein einziges kriegsverwendungsfähiges Fahrzeug entgegen­zusetzen hatte.

Jetzt wurde die Frage der Schaffung einer deutschen Bundesmarine in den Vordergrund aller nationalpoliti­schen Erwägungen gestellt. Diese Bundssmarine, die man in Wunschträumsn schon auf den Meeren fahren sah, wurde für kurze Zeit zum Symbol des deutschen Einheitsgedankens. Doch die Zei­ten waren lange vorüber, in denen man einfach die Koggen mit Kanonen bestücken konnte, um dann aus Handelsschiffen tüchtige Kriegsfahrzeuge zu machen. Wahl traten hochherzige Männer wie Eodeffroy und Sloman auf, die aus ihren Handelsflotten Schiffe stifteten, die man zu Kriegsfahrzeugen umbauen konnte. Auch die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. ging rüstig ans Werk und veranlaßte, daß 6 Millionen für eine Flotte aus­geworfen worden sollten.

- Doch wie all diese Pläne, die mit großartiger Begeisterung in Angriff genommen wurden, scheitern muhten, so ging später der Zank um die wirkliche Auszahlung dieser 6 Millionen erst richtig los. Die Zeit war eben noch nicht reif, und mit noch so gutem Willen läßt sich nicht eine Flotte au» dem Boden stampfen. Diese schmerzliche Tatsache mußten auch Männer wie der Bremer Groß« kaufmann Duckwitz, dem man das Marineressort übertragen hatte, und der Admiral Brommy erfahren. Mit dem Scheitern des deutschen Einheitsgedankens schlug auch die Todesstunde der ersten deutschen Flotte. Die tiefe Bitterkeit über das Scheitern dieser stolzen Hoffnungen drückte Theobald Kernerin einem Gedicht aus, von welchem ein Vers folgendermaßen lautet: " ÄIch Lin ein Deutscher auf dem Meer schwimmt eine Flotte mir nimmermehr."

Hier sehen wir nun aber schon ganz klar, daß der Gedanke einer deutschen Flotte mit dem deutschen Einheitsgedanken un- rrennbar verbunden war und ist.

Preußen hielt in den nächsten zwanzig Jahren durch eine kleine Flotte, die AdmiralPrinz Adalbert in aller Stille ge­schickt aufgebaut hatte, den See- und Flottengedanken wenigstens in Norddeutschland wach. Kaum aber hatte Bismarck das Deutsche Reich geeint, so trat, wie wir heute wißen, naturnot­wendig die Forderung nach der Schaffung einer deutschen Reichs flotte wieder gebieterisch vor die Leiter und Lenker des deutschen Schicksals. In dem GensralvonStosch wurde jener Mann gefunden, der den opferwilligen preußischen Geist der Pflicht­erfüllung bis zum äußersten in die Flotte hineintrug. Dieser Eeist sollte nie mehr von den Geschwadern der deutschen Kriegs­marine weichen.

Aus dieser kleinen, aber geistig völlig auf den Reichsgedanken ausgerichteten Flotte schuf dann der Großadmiral von Tirpitz das gewaltige Machtinstrument des deutschen Volkes zur See, nämlich jene Hochseeflotte, die in den Augen des deut­schen Volkes und der damaligen ganzen Welt als die sichtbar» Verkörperung des deutschen Reichsgedankens galt. Trugen die Soldaten des Heere» neben der Reichskokarde immer noch die verschiedenen Hoheitszeichen der deutschen Bundesstaaten und er­innerten so an die traurigen Jahrhunderte deutscher Zerrissenheit, so war die Marine vom ersten Tage ihres Bestehens an allein die Trägerin des schwarz-weiß-rotcn Hoheitszeichens und damit Verfechterin des Reichsgedankens. Es ist bezeichnend und sei hier vermerkt, daß auch die Schuhtruppe, die so viele Bindungen mit unserer Kriegsmarine von jeher gehabt hat, als reichseigene Truppe nur die Kokarde Deutschlands trug.

Die Begeisterung und Liebe des deutschen Volkes galten darum von jeher der Marine und ihren Angehörigen in besonders star­kem Maße. Der tiefste Grund dieser Zuneigung war das zwar oft unbewußte, aber doch in allen Herzen lebende Gefühl der Freude über die Wiederherstellung des Reiches, als dessen wahre Repräsentanten die blauen Jungens galten. Gerade die Flotte wurde ein Schmelztiegel der deutschen Volkwer- °ung, da hier Söhne aus allen Gauen des Reiches in jahr­zehntelanger engster Kameradschaft zusammenlebten, und sich an Bord der Schiffe kennen und verstehen lernten. Es ist übrigens uiel zu wenig bekannt, daß sehr viele Deutsche gerade aus dem Luden und Westen des Reiches bei der Kriegsmarine dienen. Die Erkenntnis, welcher Wert als repräsentativer Machtfaktor -^ bleiches der Marine innewohnte, war auch der hauptsäch- nchste Grund, warum am Ende des Weltkrieges unsere Feinde zu smem tödlichen Schlag gegen sie ausholten.

' NameVersailles" ist für immer verknüpft mit der SroMen Demütigung Deutschlands, unkt ein besonders haßwütiges «tuck davon war die Vernichtu ngderdeutschenFlotte und ihre Knebelung für dieZukunft. Doch ehe dieser Friedensvertrag in Wirksamkeit trat, sammelte sich noch einmal indem gedemütigten deutschen Volk aller Stolz und aller Glaube nn des ewigen Reiches Einigkeit und Herrlichkeit, als die Kunde von der heroischen Selbstversenkung der deutschen Kriegsschiffe in «capa Flow die Welt durcheilte. Wieder, wie in vergangenen ^agen, erkannte das Volk blitzartig, daß ihm hier mehr durch die Perstdie der Engländer vernichtet wurde als nur eine bestimmte nnzahl von Schiffstonnen. Hier schien der Glaube an die Wieder- Deutschen Reiches zu versinken. In Wirklichkeit .Tag von Scapa Flow einer der zunächst unsichtbaren Bau- "Vs kommenden Großdeutschen Reiches gewesen. Männer ° vvn Trotha, Admiral Zenker u. a. haben

csO" wieder^Flotten- und Reichsgedanken in den Mittelpunkt '»res Schaffen» gestellt

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Der Einmarsch der deutschen Truppen in Bulgarien

Deutsche Flak hat den Schutz der großen Donaubrücke über­nommen. (PK. Koch, Presse-Hoffmann, Zander-M.-K.)

Auch heute wieder steht die Flotte, genau wie im Weltkrieg, im Mittelpunkt des kriegreischen Geschehens und wieder sind die heroischen Taten, die sie vollbringt, Sinnbild der deutschen Einigkeit. Jetzt aber repräsentiert diese Kriegsmarine das ge­einte Erotzdeutsche Reich und hat damit ihren stärksten historischen Wirkungsgrad erreicht. Lange hat es gedauert, bis der Deutsche begriffen hat, daß eine der Hauptaufgaben seiner Geschichte in der Wiedererweckung und Durchführung seiner historischen Mis­sion auf den Weltmeeren besteht. Jetzt ist die Erkenntnis der totalen Einheit von Reichs- und Flottengedanken Gemeingut des ganzen Volkes geworden.

Diese Erkenntnis fürchtete England wie nichts anderes. Daher ist die Bekämpfung dieser deutschen Einheit einer der Haupt­gründe für Englands Kriegserklärung gewesen. Konnte sich der Großadmiral von Tirpitz in seinen Lebenserinnerungen mit Recht darüber beklagen, daß das deutsche Volk das Meer und damit sein Schicksal im Weltkrieg nicht voll begriffen hatte, so ist das heute nun nicht mehr der Fall.

Für alle Zeiten ist jetzt der Reichsgedanke des Groß­deutschen Reiches unlöslich mit dem der stolzen Kriegsmarine des Reiches verknüpft. Die Sehn­sucht der besten Deutschen unserer Vergangenheit hat damit ihre Erfüllung gefunden. RDS.

Das plulokratische Ralianlerungssystem

Vernichtendes Urteil eines englischen Fachmannes

Stockholm, 6. März. Der stellv. Leiter des Ernährungsamtes von Bournemouth, dem bekannten Badeort an der englischen Südküste, ist nach einem Bericht des LondonerDaily Herald" von seinem Amt zurückgetreten, weil er, wie er offen erklärte, angewidert" sei durch das gegenwärtige System der Lebens­mittelrationierung. Er wolle mit einem System, das so offen die bestergesteÜten Schichten der Bevölkerung vor den ärmeren bevorzuge, nichts mehr zu tun haben. Alle Versuche des Ernäh­rungsamtes von Bournemouth, den Ernährungsminister Lord Woolton zu einer Aenderung des jetzigen Systems zu bewegen, seien vergeblich gewesen. Unter diesen Umständen bliebe ihm nur der Rücktritt übrig. Harker steht, wieDaily Herald" weiter berichtet, auf dem Standpunkt, daß nur eine Rationierung nach deutschem Muster eine gerechte Verteilung der Le­bensmittel auf alle Schichten der Bevölkerung gewährleiste.

Erfolg der italienischen Staatsanleihe

Rom, 6. März. Der große Erfolg der Sprozentigen italienischen Staatsanleihe, bei der über 18 Milliarden Lire Schatz­scheine gezeichnet wurden, wird von der römischen Mor­genpresse stark unterstrichen, die betont, daß sich in Italien alle mit allem für den Sieg einsetzen. Die Ergebnisse der Zeichnung.

Freitag, den 7, März 1S11

so hebtMcssaggero" hervor, sind der stärkste Beweis des ent­schlossenen und unbeugsamen Willens des italienischen Volkes, den Kampf bis zum Siege fortzusetzea, der absolut und total sein muß. Das Vertrauen des italienischen Sparers in die Sache, für die italienische Soldaten an allen Fronten heroisch kämpfen, könnte nicht eindeutiger zum Ausdruck gebracht werden, wobei es weder einer Anfeuerung, noch eines Druckes bedurft habe, damit die Sparer ihrer Pflicht nachkamen. Bei dieser Generalmobilisie­rung des Sparvermögens verdiene die starke Anteilnahme der kleinen und mittleren Sparer ganz besondere Beachtung.

Schwarze Walke« über dem Mittelmeer

Flugplatz La Luca auf Malta um und umgepflügt. In sieben Minuten kurz und klein geschlagen.

DNV, 6. März. (PK) So hell und klar standen Berge nicht am blauen Himmel, so strahlend hell schien uns die Sonne lange nicht, so war uns lange Zeit kein Tag geschenkt, anzugrei­fen und im Hellen Licht auf den feurigen Igel Malta zu stürzen. Unsere Aufklärer haben Tag für Tag mit wachsamen Augen Malta besucht. Nichts entging ihnen und wenn sich der Tommy freute, so lange unbehelligt an seinen beschädigten Hallen, Unter­künften und Startbahnen zu bauen, wenn er sich freute, für die zerstörten neue Maschinen startbereit auf La Luca bereit zu stellen unsere Aufklärer sahen es und unsere Führung bezog all dies ein in ihre Pläne.

Der Start klappte wunderbar, Maschine nach Maschine jagte die Startbahn entlang, schwang sich hinauf, zog im großen Kreise um den Platz, schloß zum Verband auf und in Minuten waren alle schon verschwunden. Wer an diesem Tage nicht starten durste oder nicht konnte, der sah'ihnen nach und wußte jetzt schon, daß ihm etwas verloren war, daß ihm verwehrt war, einen der schön­sten und herrlichsten Einsätze mitzufliegen. Der ging auf bem Flugplatz auf und ab, sah den Wolken nach, die heute den Him­mel schmückten wie auf den Bildern eines alten Meisters und wartete, wartete...

llnd dann kamen sie zurück, in dichtem Verband, donnernd und brausend und schon im Anflug ein dröhnendes Lied von Sieg und von Erfolg singend. Sie landeten, rollten aus, die Männer sprangen heraus, strahlend, jubelnd, fast übermütig, glücklich ja, das war wieder einmal ein Schlag! Das war wieder einmal ein Fliegen und Siegen LaLucaliegtinTrümmern!

Dann erzählen sie tausend Einzelheiten. Der von der Flak, die sich wehrte mit rasendem Feuer, der von den englischen Jägern, die sich vergeblich schlugen, der von dem Bilde des Platzes, wie er klar und deutlich unten lag. Der sah unten Maschinen stehen, jener Hallen, jener Unterkünfte. Und der berichtet von seinen Treffern, der bestätigt, ein anderer sah es noch besser. Von Brand, Explosion und von der ungeheuren Qualmwolke, die über Malta lag und weit hinaus aufs Mittelmeer zog, berichten sie, strahlend im Gefühl eines großen Sieges.

Es hat alles wunderbar geklapp t", so faßt dann der Eruppenkommandeur all das Erzählen zusammen. Wir waren noch weit entfernt, da sahen wir schon Malta klar und deutlich liegen. Jede Einzelheit lag im hellsten Licht. Gegen das dunkle Meer hob sich die Insel ab wie ein Relief. Vor uns flogen andere Verbände, sie mußten gleich angreifen, wenn wir nicht zu früh kommen sollten. Und sie griffen an, stürzten, warfen, und als wir an der Reihe waren, da brannte und qualmte es da unten schon. Ich sah zwei englische Maschinen brennen, sah unsere Bomben bersten, das fetzte nach allen Seiten auseinander, die Wirkung muß furchtbar gewesen sein! Da schoß eine Explosion wohl 500 Meter hoch mit schneeweißem Qualm. Wir warfen, nach uns warf eine Kette nach der anderen. Wie auf dem Exerzierplatz so genau, sicher und ruhig. Um die Flak kümmerten wir uns nicht, die Vordschiitzen haben danach gefeuert, was aus den MGs. her­auskam. Englische Jäger sind dagewesen, zwei Maschinen unserer Gruppe wurden von ihnen angegriffen. Die Tommies hatten kein Glück. Beide Engländer sah ich in der Luft zerplatzen und ins Meer fallen.

In sieben Minuten war schon alles vorbei. In diesen sieben Minuten haben wir den Flughafen La Luca um- und umgepflügt. Da unten ist an vielen Stellen alles kurz und klein geschlagen. Eine ungeheure Qualmwolke lag über der Insel. Vom Flugplatz aus in sechs bis neun Kilometer Breite zog über alles, was westlich davon liegt, eine riesige, dichte, tiefschwarze Qualmwolke hinaus auf die See. Ueber Malta war es am Hellen Mittag dunkel geworden.

Kriegsberichter R. W. V i l l h a r d t.

Südlich vom Rhodope-Gebirge

Man sollte meinen, daß es in Europa landschaftlich, geogra­phisch und völkerkundlich nicht mehr viel Wesentliches zu ent­decken gibt. Es ist aber nur nötig, nach Südbulgarien zu fahren, von Plovdiv, dem früheren Philipoppel, über Assenow ins Rhodopegebirge zu steigen, um in ein Gebiet zu kommen, das noch in mancher Beziehung unerforscht ist. Dies mächtige Massen- gevirge zwischen dem Maritza-Vecken und Griechisch-Mazedonien hat Erzschichten und Silberadern von unglaublicher Ausdehnung. Schatzkammer des Balkans sagen die Einheimi­schen, wenn sie das Rhodopegebirge meinen. Schon die Römer hatten hier ihre Silberbergwerke; sie sind verfallen und ver­gessen und leben nur noch in der Ueberlieferung weiter fort. Seit Generationen sind zahlreiche Schürf- und Abbaurechte erb- und eigentümlich im Besitze der Familien, die in den Berg­nestern von Kirdjalü, Momtchilgrad, Ortaköi und Zlatowgard Hausen. Die Rechte werden kaum genützt; es fehlt an Arbeits­kräften, an Unternehmern, an Maschinen, an industriellem Wage­mut.

Vom Eebirgsknoten der Rila-Planina, der mit 2925 Metern die höchste Erhebung des östlichen Balkans ist, strahlen gegen Siidosten mehrfach gegliederte Kämme aus; zuerst das Perim- gebirge zwischen Strumitza und Mesta, dann der mittlere Dos- pado-Dagh und im Osten das eigentliche Nhodopemassio, das durch die Maritza-Nebenflüsse Anda, Ardino, Kritschma und durch eine Anzahl weiterer Wasserläufe in selbständige Abschnitte getrennt wird und das dann in der Richtung auf Türkisch- Thrazien über den Kar-Balkan und dem Karluk-Dagh langsam zur Ebene abfällt.Rhodope ist", wie selbst die besten Kenner des Balkans sagen,ein wirres, wenig erforschtes Vergland mit vielen sich immer wieder teilenden Kämmen, zwischen denen steile Schluchttäler zu den breiten Flußtälern der rumelischen Senke abfallen."

In diesem wildromantischen Teil Südbulgariens sind noch ge­schlossene Kolonien von Türken zu Hause. Ein Ortsname nur: Kirdjalü; das ist nicht bulgarisch, sondern unverfälscht tür­kisch. In den fünfhundert Jahren, in denen Halbmond und Roßschweif über Bulgarien wehten, wurden im Rhodopegebirge die türkischen Kirdjalüki seßhaft gemacht. Das waren fanatische und gewalttätige Banden, denen die Aufgabe gestellt war, die widerspenstigen Bulgaren, die von der Hohen Pforte und von

Allah und seinem Propheten Mohammed nichts wissen wollten, in Schach zu halten. Und wenn dieorthodoxen Christenhunde" dabei gelegentlich dezimiert wurden, dann war das nach der konstantinopolitanischen Auffassung weiter nicht schlimm. Kird­jalü, das war früher ein gefürchteter Bezirk im Lande Bulga­rien; Angst und Schrecken gingen von dort aus; wo sich die Kirdjalüki zeigten, da verrammelte man die Türen, bekreuzigte sich fromm und legte sein Schicksal in die Sand des Himmels. Kirdjalü, das ist heute ein orientalisch anmutendes Nest, ärm­lich und verkommen, fünfzig Kilometer nördlich der griechischen Grenze.

Es hat in Bulgarien mehrere solcher türkischer Zivilgarni- sonen gegeben. Die meisten haben ihren Namen vulgarisiert, aber wer diese Gegenden durchstreift, der glaubt, er sei irgend­wo in der Türkei, wo sie am türkischsten ist. Das Orientalische ist im Rhodope-Gebirge überall zu finden. Ein Liebhaber dieser Art von Romantik kommt in Südbulgarien bester auf seine Rech­nung, als wenn er über Eallipoli oder über den Bosporus ins echte Land der Türken reist.

Orientalische Inseln in Europa; die Bulgaren sind keine klein­geistigen Splitterrichter. Sie lasten die Fremdlinge in ihren Einöden rukig wohnen; aber sie haben keine Gemeinschaft mit ihnen. Durch das Rhodopegebirge ziehen heute noch die Kara­wanen von Flecken zu Flecken, von Ort zu Ort, tauschen Mehl gegen Tuch, Brot gegen Eier, zwei Lämmer gegen einen Ham­mel, genau so wie auf den Märkten und Handelsstraßen des Morgenlandes. Mit wiegenden Paßschritten ziehen Kamel­karawanen über die Saumwege; der Kaufmann im bunten Ge- wand reitet vorauf und die Treiber im orientalischen Aufzug führen die Tragtiere am Halftervand. Sie haben kaum Platz auf den schmalen Pfaden, auf denen früher nur Maultiere vor­sichtig Fuß vor Fuß setzten, um nicht abzustürzen. Es ist wenig Vieh in dieser Gegend. Das Kamel ist anspruchslos; es ist ein billiges Transportmittel.

Von den Höhen des Rhodopemassivs sieht man über Schluchten und Täler weit nach Süden über Tanti, Komotine und Dedea« katsch auf das Aegäische Meer, dasWeiße Meer" der Bul­garen, das bis vor drei Jahrzehnten die südliche Grenze des Landes war. Seit den unglücklichen Kriegen der Vor-Weltkriegs- 'zeit sind die Bulgaren von ihrem Weißen Meer abgesperrt, aber sie können ihr Dedeagatsch, ihr Alexandropolis, ihren ägäischen Hafen nicht vergessen. ^