Der Leser keimt den berühmten Römer Marius, der auf den Trümmern des von ihm zerstörten Carthago saß und sogar weinte, wie man sagt. Ein Venetianer Ururenkel hat von ihm wenigstens die eine Liebhaberei geerbt, auch auf den Trümmern anderer Leute zu sitzen. Er stahl einem Notar 80,000 Franks und einem Kaufmann 70,000 Franks, wurde erwischt i^id sitzt nun wirklich und — weint.
In Spanien herrscht noch immer die seitherige Ungewißheit in Betreff eines künftigen Königs. Ein Staatsstreich Prim's wird immer wahrscheinlicher. (B.-Z.)
London, 2. Febr. Es sind Stimmen laut geworden, welche Arbeitcrauswanderungen im Großen durch den Staat unterstützt wissen wollen. Sie haben vorderhand keine Aussicht durchzudrin- gen. Aber die Noth im ganzen Lande ist groß, und die Fälle, ivo die Todtenschau ein „Verhungert" verzeichnet, sind häufiger als seit langer Zeit. (St.-A.)
Nach freundschaftlichem Uebereinkommen mit der Pforte wird der Vicekönig von Egypten in Zukunft nur noch 15,000 Mann Soldaten unterhalten.
^Hinrichtungen in Japan, s Dem Privatbrief eines Kölners, der als Stabsgefreiter auf dem preußischen Schiffe Medusa dient, entnimmt die Köln. Ztg. folgende Beiträge zur Charakteristik der Kultur in Japan: „Am 9. Sept. v. I. wurden neun Japaner auf verschiedene Art hingcrichtet. Es sollen im Ganzen 40 Mann vom Leben zum Tode befördert werden. Diese sind Rebellen und Aufwiegler aus dem letzten Kriege. Die Mehrzahl wurde mit dem Schwerte enthauptet, die Hauptaufwiegler aber auf andere Weise gctödtet. Wir waren am Land, um die Folterungen mit anzusehen. Ein großer, blasser, eher einem Geiste als einem lebenden Wesen ähnlicher Mann wurde an ein Kreuz gebunden, die Beine weil anseinander; zwischen denselben befand sich ein Holzklotz, welcher oben spitz zulief und ihm als qualvolle Stütze diente. Um den Hals war ein Strick gewunden, welcher an dem Kreuze befestigt war. Ober- und Unterarme waren ebenfalls mit Stricken umwunden. Als dies geschehen war, blieb er ungefähr eine halbe Stunde hängen und mußte sehen, wie seine acht Gefährten, einer nach dem andern, den Kopf durch das Schwert verloren. Die Köpfe wurden, rein gewaschen und gekämmt, auf viereckigen Postamenten aufgestellt bis zum Abend, wo sie mit- sammt den Leibern auf dem Richtplatze eingescharrt wurden. Nachdem der Gekreuzigte nun zugesehen, wie es seinen Gefährten geschehen, wurde ihm mit einem Spieß in die Seite gestochen, worauf eine Menge Blut floß. Das Gesicht verzerrte sich auf eine gräßliche Weise; nach ungefähr 10 Sekunden bekam er einen zweiten Stich in die andere Seite. Vor Schmerz biß er in den Knoten des am Halse befestigten Strickes und starb auch in dieser Stellung. Kurz bevor er den letzten Athemzug that, wurde ihm mit einem anderen Spieße, welcher Gegenhaken hatte, in den Bauch gestochen und die Gedärme herausgezogen. Ihr kennt Euch nicht denken, wie schauderhaft es für mich war, diese Zuckungen und Verzerrungen des Gesichts und des ganzen Körpers auzusehen; es war mir, als hätte ich die Stiche selbst bekommen. So blieb er den ganzen Tag über hängen zum warnenden Beispiel für die Menschheit. Diese Exekutionen kommen jetzt täglich vor, bis Alle hingcmartcrt sind. Die Japaner sehen dich mit der größten Gleichgültigkeit an."
Tag u il d Nacht.
(Schluß.)
Was sollten wir der unglücklichen Familie zum Tröste sagen? Leider bestätigten sich die trüben Annahmen des alten erfahrenen Bergmanns, und leider noch viel gräßlicher, als er selbst es für möglich gehalten. Nach und nach kamen Frauen zurück, die Botschaft brachten; sie erzählten, daß gegen vierhundert Arbeiter eingefahren und verschüttet feien. Der Greis hörte stumm die Berichte an Von Zeit zu Zeit murmelte er: „Mein armes Gretchen!" Wir blieben noch eine Stunde bei ihm, daun kehrten wir nach dem Gasthaufe zurück, um uns eines Stübchens für die j Nacht zu versichern. Arbeiter aus den benachbarten Dörfern zogen an uns vorüber, der Unglücksstätte zu. Vor den Häusern jammerten Weiber und Kinder, deren Ernährer am Morgen aus- gezogen waren. Eine drückende Hitze lag auf dem blühenden Thale, das mir wie eine große Gruft erschien. In den nächsten s Stunden kam keine Nachricht von dem Schachte, die Leute, die dorthin gezogen, blieben aus. Wir fragten noch einmal bei Vater Reich an, der ängstlich am Gartenzaune stand.
— Nichts! nichts! antwortete er. Ich werde wohl gehen müssen, um mein Gretchen zu holen.
Er stützte sich auf seinen Krückstock und wollte den Garten verlassen.
— Bleiben Sie! rief ich ihm zu. Wir werden gehen!
— Holen Sie mein Gretchen! bat er flehentlich.
— Wir bringen es Ihnen!
— Und den Andreas . . .
Thränen erstickten seine Stimme.
Da wir den Weg kannten, es hatte sich in dem Dorfe ja nichts verändert, bedurften wir keines Führers. Wir gingen
über den Steg, am Ufer des Baches hin und betraten die schmale Schlucht, die sich neben der Mühle öffnete. Dürftig gekleidete Kinder kamen uns entgegen, die laut weinten. Wir beschenkten sie, aber unsere Silberstücke trockneten die Thränen. doch nicht. Die Erregung hatte unsere Müdigkeit verscheucht; wir erstiegen rasch den Berg und eilten über das Feld dem Schachte zu, dessen Brettergebäudc wir erkennen konnten. Ein dichter Schwarm von Menschen wogte auf und ab, als wir ankame». Aller Gesichter waren bleich und verweint. Die Rettungsarbeiten waren im volle» Gange. Bis zur Grube selbst konnten wir nicht Vordringen, da Beamte den Zutritt wehrten. Wir drängten uns durch die Menge nach allen Seilen hin. Die Jammerscenen, die sich uuseru Blicken boten, zu beschreiben, ist einer Feder nicht möglich. Hier und dort versuchte es eine verzweifelnde Frau, sich an den Schacht zu drängen; die Wächter mußten sie mit Gewalt zurückführen. Das Geschrei und Gewimmer, das sich überall vernehmen ließ, war herzzerreißend. Wir traten um die Ecke des großen Holzschuppens, in dem wir vor Jahren dem Frühgebete der Bergleute beigewohnt. . . Da lag eine Frau aus den Knieen und starrte nach dem Schachte. Das schwarze Haar umflatterte wirr ihr bleiches Gesicht.
— Andreas, Andreas! schluchzte sie. Ist die Grube noch nicht offen? wie lange es dauert! Sehen Sie doch nach, bat sie, ich will mit meinem Mann heimkehreu! Der Vater wartet . . . . und meine Kinder ....
Sie brach zusammen. Wir durften nicht zweifeln, daß wir Gretchen gefunden hatten.
Unseren Bitten, Zie möge mit uns nach dem Dorfe zurück- kchren, setzte sie beharrliche Weigerung entgegen; sie selbst wollte in den Schacht fahren und den Mann herausholen. Minutenlang lauschte sie, als ob sie sich das Geräusch deuten wollte, das von den arbeitenden Bergleuten verursacht ward. Je länger ich sie beobachtete, je deutlicher erkannte ich die Zuge des einst so schmucken Mädchens. Mein Reisegefährte hatte indeß Erkundigungen über den Fortgang der Rettungsarbeiten eingezogen; man bezweifelte, daß vor Abend ein Resultat erlangt werden könnte. Immer neue Zuzüge von Arbeitern kamen Maschinen wurden in THLt ig- keit gesetzt, um die Ventilation hcrzustelleu. Hunderte von Müttern und Kindern harrten unter Thränen und lautem Schluchzen auf den Verlauf der Dinge. Hoffnungen und Befürchtungen wurden laut ausgesprochen. So verfloß Stunde um Stunde. Die Sonne sank tiefer, der Abend kam. Gretchen hatte ihren Platz nicht verlassen, sie kauerte zusammengebrochen am Boden. Ihre hohlen Augen waren trocken, der Quell ihrer Thränen war längst versiegt. Wir boien ihr Erfrischung an; sie verneinte es durch langsames Bewegen des Hauptes. Von Zeit zu Zeit hob sie die Hände empor, um halblaut zu beten. Und wie sie, sahen wir noch viel andere Frauen und Mädchen, die unter furchtbaren Qualen heiße Gebete zum Himmel sandten. Das Abendroth ward immer dunkler und die Sterne wurden sichtbar.
Da entstand ein Tumult an dem Schachte. Man hatte die erste Leiche zu Tage gefördert. Gretchen strich die Haare aus der Stirn, sie wollte hören, deutlich hören, was dort vorging. Ihr Athem stockte und ihre Augen schienen aus den Höhlen hervortreten zu wollen.
— Das muß Andreas sein! flüsterte sie. Gewiß, er kommt zuerst, denn er sehnt sich nach mir und den Kindern. Auch hat er versprochen, wiederzukommen . . .
Plötzlich sprang sie auf, den Bergleuten entgegen, die den tobten Kameraden zu den Schuppen tragen wollten. Sie warf sich über ihn, erfaßte sein Haupt und starrte ihm ins Gesicht. „Andreas, Andreas!" schrie sie in durchdringenden Tönen. Regungslos lag sie neben der Leiche, die man nach einigen Minuten weiter trug. Als die arme Wiltwe aus der Ohnmacht erwachte, war sie sich der Umgebung nicht mehr beivußt, sie sprach wirr wie in Fiebcrphantasie. Willenlos wie ein Kind ließ sie sich nach dem Dorfe zurückführeu; sie hatte den Verstand verloren. Vater Reich, erschöpft von dem qualvollen Warten, blickte empfindungslos auf die Tochter, die weder ihn noch ihre Kinder erkannte. Die Mutter des Verunglückten jammerte wie eine Verzweifelnde. Wir veraulaßten den Wirth, eine Wärterin in das Haus des Jammers zu senden und ließen zur Pflege der Unglücklichen alles entbehrliche Geld zurück. Denselben Abend noch traten wir den Weg zur Eisenbahn an; das, was wir gesehen, wird ewig in unserm Gedächtnisse fortleben. Wir hatten glückliche, aber auch elende Menschen gesehen.
— (Kunstgriff eines Lehrers.) Ein Lehrer in Hohenzollern hatte einen Knaben ziemlich derb angelassen. Da eilte die erzürnte Mutter während der Schulzeit in das Lehrzimmer und beginnt zu schelten. Der Lehrer sah, was alles kommen könne. „Das Einmaleins!" ruft er gebieterisch, und die ganze Elaste fällt in Hellem Chor ein. Das Weib tobt und schimpft, die Kinder schreien noch munterer und der Lehrer lacht in sein Herz hinein. Ver- blüfft verläßt endlich das Weib die Schulstube und der Lehrer
bleibt Herr des Schlachtfeldes^_—
Redaction, Druck und Vertag der G- W. Zaiser'fchen Buchhandlung-