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Nr. 13
Dienstag, den 18. Januar 1927.
101. Jahrgang
Um die Lösung der Regierungskrise.
Fortsetzung der Besprechungen.
Die Deutsche Vollspartei lehnt die große Koalition ab. — Fühlungnahme Dr. Marx mit der Sozialdemokratie.
TU. Berlin, 18. Jan. Reichskanzler Dr. Marx empfing gestern nachmittag um 4 Uhr den Vorsitzenden der Fraktion der Deutschen Volkspartei, Dr. Scholz, und um 5 Uhr die Vorsitzenden der Demokratischen Fraktion, Koch und Erkelenz. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, erstreckten sich die Besprechungen zunächst nur auf sachliche Fragen. Personenfrage» sind noch nicht erörtert worden.
Nach den demokratischen Parteiführern empfing Dr. Marx den Abg. Müller-Franken als Vertrc er der sozialdemokratischen Fraktion. Dr. Marx teilte diesem mit, daß die Deutsche Volkspartei nicht bereit sei, die große Koalition nritznmachcn. Nach Mitteilung von sozialdemokratischer Seite stellte dann weiter Abg. Müller-Franken an den Reichskanzler die Frage, ob die Parteien evtl, eine Minderhcitsregiernng bilden würden mit einer Unterstützung von links, uns zwar ohne eine Neutralität des Kabinett- n'ch beiden Seiten emzngchen. Dr. Marx habe erwidert, das: das Zentrum dazu bereit sei, daß er aber noch nicht wisse, wie die Deutsche Volkspartci zu dieser Frage stehe.
Die sozialdemokratische hat für heute nachmittag eine Sitzung des Fraktionsvorstandes vorgesehen und die Fraktion selbst aus Mittwoch, 12 Uhr, einberufen. Heute vormittag wird Dr. Marx den deutschnationalen Parteiführer, Graf Westarp, empfangen.
Die Tagrsordung für die nächste Plenarsitzung des Reichstags.
TU. Berlin, 18. Jan. Die Tagesordnung für die morgige Plenarsitzung des Reichstags liegt nunmehr vor. Der Präsident hat angcsichts der ungeklärten politischen Lage davon abgesehen, die Entgegennahme einer Regierungserklärung, wie ursprünglich boabsichtigt war, auf die Tagesordnung zu setzen. Auf der Tagesordnung stehen daher nur kleine Vorlagen.
Stegerwald über die deutsche Arbeiterschast und die Regierungskrise.
TU Köln, 18. Jan. Auf einer von der Vereinigung Kölner Arbeiterzcntrumrwähler einberufenen Versammlung, die sich mit den Vorgängen bei der Besetzung des Kölner Regierungspräsidenten Postens beschäftigte, hielt Ministerpräsident a. D. Steger- wald das Hauptreferat über -das Thema „Die christlichen Arbeiter in der deutschen Politik." Obwohl sich, so führte der Redner u. a. aus, in rechtlicher Hinsicht die Lage der deutschen Arbeiterschaft im letzten Jahrzehnt bedeutend gebessert habe, so kranken heute in sozialpolitischer Hinsicht die Volksmassen vorwiegend an der großen Wohnungsnot, an der gewaltigen Arbeitslosigkeit und an dem vielfach unzureichenden Maß der Löhne. In der Reichstagsfraktion und dem ParteivorstanL des Zentrums habe sich die Arbeiterschaft die Gleichberechtigung errungen. Es frage sich heute, ob die Gleichberechtigung der Ar-
Eine Rede des Reichsinnenministers in Karlsruhe.
Karlsruhe, 18. Jan. Ans dem internationalen Kongreß der Demokratischen Parteien nahm am Montag vormittag Reichs- innemninister Dr. Külz das Wort, um zu dem Problem des sozialen Friedens Stellung zu nehmen, für dessen Lösung die Demokratie besonders berufen sei. Er legte dar, daß die soziale Spannung unserer Zeit in allen Ländern und bei allen Völkern letzten Endes die gleiche psychologische Ursache habe, die darin bestände, daß mit der fortschreitenden Industrialisierung die Arbeit entpersönlicht werde, daß der Arbeiter mit seiner Arbeit keinen seelischen Zusammenhang mehr habe. An Stelle dieses verloren gegangenen persönlichen Zusammenhanges mit der Arbeit müßte den Arbeitern der persönliche Zusammenhang mit ihrem Betriebe gegeben werden. Das sei ein vollwertiger Ersatz. Der Arbeiter dürfe sich innerhalb des Betriebes nicht als totes Rad in einem öden Mechanismus fühlen, sondern müsse sich fühlen als menschenwcrte Persönlichkeit. Das sei der Grundgedanke aller Entwicklung.
Der Minister untersuchte dann, wie dem Arbeiter dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit mit seinem Betriebe geschaffen werden könne und unterschied in dieser Beziehung zwei große Fragengruppen nach der materiellen und der organisatorischen Seite. Der materielle Zusammenhang könne ihm gegeben werden etwa durch Beteiligung am Aktienzins oder ähnliches. Der Gewinn eines Betriebes sei das Produkt aus Kapital, Handarbeit und Geist. Keines von den dreien könne allein irgend einen Gewinn erzielen. Deshalb habe auch keiner der Träger
beiterfchaft in Siaat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur mir nach den Grundsätzen der Sozialdemotrat:« durchgekämpft werden könne, oder ob das Bürgertum die politische Reise der Arbeiterschaft anerlenne. Bei der Behandlung der gegenwärtigen Regierungskrise betonte Stegerwald, daß die Zentrumsxartei keine Koalition mitmache, bei der ihr die Möglichkeit fehle, weitgehend die Marschroute zu bestimmen. Es stehe fest, daß die Zerttrumspartei es auf alle Fälle ablrhne,, sich zum Anhängsel von rechts oder links machen zu lassen.
Graf Westarp über die Stellung der Dcutschnationalen.
TU. Berlin, 18. Jan. Auf der achten Reichsangestcllten- tagung der Dcutschnationalen Volkspartei führte Graf Westarp u. a. aus: In der Deutschnationolen Volkspartei habe gerade der Gedanke der Volkspartei mustergültige Durchbildung erfahren. Das Zentrum stehe immer noch auf dem Standpunkt, sozialpolitische Gesetze müßten mit der Sozialdemokratie gemacht werden. Im Interesse des Landes sei eine solche Politik nicht mehr möglich. Er habe auch den übrigen Parteien gegenüber keinen Zweifel gelassen, daß die Deutschnationalen sich auch in Zukunft nicht dazu mißbrauchen lassen würden, die Schaffung sozialpolitischst:!: Gesetze zusammen mit der Sozialdemokratie zu ermöglichen. Diese Dinge müßten mit den Dcutschnationalen geregelt werden. Es gelte, das Zentrum von der Sozialdemokratie loszulösen. Unter dem Druck der Dawesgesetze sei allerdings eine durchgreifende soziale Hilfe nicht möglich. Ein sozialer Aufstieg werde nur dann möglich sein, wenn das, was im Lande verbraucht werde, auch dort produziert werde. Die Sozialdemokratie denke antisozial, indem sie das Volk in zwei einander bekämpfende Klassen trenne. In der Deutschnalionalen Volkspartei sei besonders wichtig die ausgleichende Arbeit der Vertreter der einzelnen Stände und Berufe. Die Dcutschnationalen wollten vor allen Dingen der Jugend und der Elternschaft den christlichen Charakter der Schule und Erziehung sichern. Man dürfe nicht vergessen, daß die Zeit des Kaiserreiches eine Zeit d>s Ausstiegs und des Glückes gewesen sei und man müsse danach streben, wieder zu einer Staatsform zu kommen, die alle nationalen Kräfte zu- sammenschließe und nach Innen und Außen zu vertreten verstehe. Die deutschnatianale Forderung auf Befreiung Deutschlands von fremder Herrschaft müsse immer wieder erhoben werden, wenn der Weg dazu vielleicht auch noch lang sei. Das Vaterland und seine Freiheit seien das Allerheiligste auf Erden.
Nach längerer Debatte fand eine Entschließung einstimmige Annahme, in der der deutschnalionalen Reichstagsfrakiion der Dank für die Maßnahmen, die zum Sturze der Mindcrhcits- regierung geführt hätten, ausgesprochen wird. Die Reichsangc- stelltentagung erwartet von der Reichstagsfraktion, daß sie sich jedem Versuch, erneut eine Minderheitsregierung ins Leben zu rufen, widersetze und jede Regierung, die sich nicht auf «ine feste Mehrheit mit Einschluß der Deutschnationalen stütze, mit allen parlamentarischen Mitteln bekämpfe.
dieser drei Momente allein Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Diese Frage des materiellen Anspruchs auf Gewinn wird nach Ansicht des Ministers auf Seiten der Arbeitnehmerschaft weit überschätzt. Der Minister ist vielmehr der Meinung, daß die beste Gewinnbeteiligung des Arbeiters an dem Betriebe ein anständiger, auskömmlicher Lohn und eine richtige soziale Fürsorge sei. Das Problem sei aber auch organisatorisch und damit auch psychologisch. Es werde sehr oft nur als Problem der Arbeitszeit betrachtet. Das sei irrig, denn dies sei nicht das einzige Problem. Zur Frage des Achtstundentages betonte der Minister, daß diese Frage als sozialwirtschaftlichcs Problem behandelt werden müsse. Der Achtstundentag sei als Normalarbeitstag zu erstreben und festzulegen und zwar in allen Ländern, denn nur dann sei er möglich. Der Minister warnte abr davor, den Achtstundentag als Dogma zu behandeln, weil auf die Eigenart des Betriebes Rücksicht genommen werden müsse. Buttmehr sei das Problem ein Problem der Arbeitsfähigkeit und Arbeitsfreude. Als solches werde es vielfach noch vom Unternehmertum verkannt.
Me könne nun der innere Ausamenhang Äes Arbeiters mit dem Betriebe gefördert werden? In Deutschland sei zunächst gearbeitet worden mit der Organisation des Betriebsrates. Dieser sei jedoch nicht das geworden, als was man ihn schuf, weil die Befürchtungen der Arbeitgeber gegen ihn zu groß und die Hoffnungen der Arbeitnehmer auf thn ebenfalls zu groß waren. Mit fortschreitender Entwicklung sei es sehr wohl möglich, daß der Betriebsrat ein Instrument werden könnte, auf dem man spielen könne; gegenwärtig sei er noch kein richtig abgestimmtes Instrument. Man sei aber in Deutschland weiter gegangen und habe den Arbeitern auch in den Gesellschaften, die
Tages-Spiegel.
Die Verhandlungen von Dr. Marx brachten bisher keine Klä- rung über die Regierungsbildung.
Die Deutsche Volkspartei lehnt die große Koalition ab. Die Sozialdemokratie wünscht eine ausschließliche Stützung eines Kabinetts der Mitte auf die Linke.
Auf dem intenmtionalen Demokratenkongreß in Karlsruhe sprach Reichöinneuminister Dr. Külz über das Problem des Wirtschaftsfriedens.
Die Vorschläge des Generals von Pawelsz wurden von dem Interalliierten Militärkomitee für unzureichend ertlärt.
Der Deutsche Volksbund in Ost-Oberschlesien hat gegen die Ablehnung der Schulentschcidung Calonders durch die polnisch« Regierung Beschwerde beim Völkerbund eingelegt.
Der englische Schatzkanzler Churchill stattete gestern nachmittag dem italienischen Finanzminister Volpi einen Besuch ab.
Die militärischen Führer des Nordens beabsichtigen, Tschang- tsolin zum Präsidenten von China wählen zu lassen.
Das Reichsgericht hat die Revision der zum Tode verurteilten Leiftrder Attentäter verworfen und damit das Todesurteil bestätigt.
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einen Auffichtsrat haben, eine Vertretung im Aussichtsrat gegeben. Aber auch hier zeig« sich, daß der Arbeiter sich innerhalb dieser Körperschaft nicht richtig orientiere. Der positive Nutzen, den die Arbeiterschaft aus dieser Beteiligung an den Aufsichts- ratssitznugen habe, sei minimal. Schließlich trüge auch der Gedanke des Schiedsgerichts dazu bei, dem Arbeiter den persönlichen Zusammenhang mit dem Betriebe zu bringen. Man habe in Deutschland weder ein rein fakultatives noch rein obligatorisches Schiedsgericht führen müssen. Dann ergebe sich die schwierige Frage der Abgrenzung dieses Schiedsgerichtes und der Abgrenzung seiner Zuständigkeiten.
Grundlegend sei überall, so schloß der Minister seine mit Beifall aufgenommene Rede, der Geist, mit dem man an die Lösung des Problems herangehe und dieser sei klar: Man dürfe nicht im Arbeiter eine in Menschengestalt --cileidtte Maschine sehen, sondern einen in seinen Persknlichkeitswertrn geachteten Menschen. _
Die Restpunktverharrdlurrgen.
Das Versailler Militärkomiiee und die deutschen Restpunktcoorschlüge.
TU Paris, 18. Jan. Das Versailler Militärkomiiee hielt gestern nachmittag eine Sitzung ab, über die folgendes Eommu- nique ausgeg.-en wurde:
,^Das Komitee trat am Alontag nachmittag von 2.30 Uhr bis 5.30 Uhr zusammen. Es fand ein Meinungsaustausch über die von den deutschen Delegierten am 14. Januar übergebrnen Noten statt. Das Komitee beschloß, die imin-li-l)«» Verhandlungen mit General von Pawelsz und Legationsrat Förster fottzuset- zen. Die deutschen Vorschläge haben das Komitee nicht völlig befriedigt, das eine Abänderung der Vorschläge verlangen wird. Die Verbindung Mischen dem Koniitee und den deutschen Delegierten wird General Baratter aufrechterhalten. Die dcut'.l-en Unterhändler wurden gestern nicht gehört. Die Mitglieder des Komitees werden die Sonderbesprechungen mit den Deutschen fortsetzen. Sie erstrecken sich zur Zeit besonders auf die Rechtsbasis des Versailler Vertrages und aus einzelne Punkt« der Befestigungsanlagen. Die Sitzung zeitigte keine endgültigen Ergebnisse, aber es ist weder von einem Abbruch noch von einem Stillstand der Verhandlungen die Rede."
Neue Aufklärungen des Generals von Pawelsz.
TU. Paris, 18. Jan. Zu dem Stand der Rcstpunktever- handlungen wird von zuständiger deutscher Seite in Paris mit- getoilt: Nachdem das Militärkomiiee die deutschen Vorschläge geprüft hatte, fand zwischen den deutschen Unterhändlern und General Baralier eine neue Besprechung statt, in der General von Pawelsz die erbetenen Aufklärungen über die deutschen Vorschläge gab. Die Verhandlungen werden fortgesetzt und nehmen einen normalen Verlauf.
Die Rheinlandräumung vor den« Pariser Kabinett.
TU. Paris, 18. Jan. Wie die Pariser Blätter melden, wird stch die heutige Vormittagssitzung des französischen Kabinetts mit der Möglichkeit der vorzeitigen Rheinlandräumung beschäftigen.
Das Problem des Wirtschaftsfriedens.