Der Kurfürst von Hessen rechne! felsenfest uns seine Rück- kehr nach Hessen, er wartet mit Zuversicht ans Len Tag der Sühne und der Wiederherstellung Hessens, er erklärt, daß das Maß des Unrechts übervoll geworden sei und daß die Gerichte Gottes nicht mehr lange verziehen werden. Es sind das seine eigenen Worte in einem Brief, worin er den treuen Hessen dankt, die ihm einen Thronsessel nach Prag geschickt haben. Den ge­schenkten Thronsessel sieht er als ein Zeichen an, daß viele Hes­sen seine Wünsche theilen. Uebrigens schränkt er sich gewaltig ein.

Madrid, 22. Febr. In den Eones kündigte Serrano den Rücktritt Prims an sür den Fall, daß man die Bourbonen wieder auf den Thron bringen wollte. Serrano erhielt den Auf­trag, ein Ministerium zu bilden.

Washington, 2l. Feb. Das Repräsentantenhaus nahm ein Amendement des Senats an, nach welchen alle Unterschiede bei Wahlen ansgehoben sind. In mehreren merikauischen Staa­ten sind Ausstände ausgebrochen. Negrcte hal Puebla eingenom­men. In Cuba hat eine große Anzahl Insurgenten sich er­geben.

Struensee.

(Fortsetzung.)

Struensee wohnte im königlichen Schlosse selbst. Er wird ebenfalls im Schlafe überrascht, mit dem Tode bedroht, wenn er nicht gehorche, und gebunden nach der Citadelle gebracht. Beim Einsteigen in die Kutsche ruft er noch aus:Mein Gott, was habe ich denn verbrochen?" Brandt ergab sich nach kurzer Gegen­wehr ruhig in sein Schicksal. Nicht so die entschlossene Königin Caroline Mathilde. Graf Rantzau überbrachte ihr den Befehl des Königs; sie warf mit bittern Worten das Blatt zur Erde und verlangte ihren Gemahl zu sprechen. Es wird ihr verwehrt; sie schreit um Hilfe: sie will sich zum Fenster Hinausstürzen; nur dürftig bekleidet, mit dem Mrithe der Verzweiflung ringt sie mit den Offizieren, bis sie ohnmächtig hinsinkt.

Unter Begleitung von dreißig Dragonern, ein Major mit blankem Säbel ihr gegenüber, wird sie mit ihrem Säugling, der halbjährigen Prinzessin, in's Gesängniß geführt; erst nach zwei Tagen überwindet sich die gcmißhandelte Frau Nahrung zu ge­nießen und sich zur Ruhe zu legen. Am nächsten Sonntag, 19. Januar, stiegen von den Kanzeln Kopenhagen's Dankgebete zum Himmel dafür, daß endlich dasgottlose" Regiment gestürzt sei. Mit einem königlich befohlenen allgemeinem Tedeum in den Kirchen der Hauptstadt ward am 26. die neue Aera der bürger­lichen Gleichstellung, die Preß- und Glaubensfreiheit feierlich zu Grabe getragen.

Eingesperrt in ein finsteres Loch, mit achtzehn Pfund schwe­ren Ketten an die Wand geschmiedet, brach Struensee, so urplötz­lich von der höchsten Macht in das tiefste Elend gestürzt, in To­ben und Wüthen aus, wollte sich den Kopf an den Mauern zer­schmettern, dann sich durch Hunger tödten nnd ward nur durch die Androhung von Stockschlägen davon abgehalten. Ein Versuch, sich durch Verschlucken der Hornknöpfe seiner Jacke zu ersticken, mißlang. Nun war er ruhig, gab sich der Hoffnung hin nnd unterhielt sich mit Lesen. Brandt fand sich von Anfang an mit Gemüthsruhe und Heiterkeit in sein Schicksal, sang, spielte die Flöte, obgleich auch seine Hände mit schweren Ketten belastet waren.

Es ward alsbald eine Untersuchungskommission zur Abur- theilung der Staatsgefangenen eingesetzt, und zwar aus lauter Gegnern Struensee's und eifrigen Dänen; am 20. Februar nah­men die Verhöre ihren Anfang. In der ersten derselben benahm sich Struensee mit Fassung und Muth; aber schon am zweiten Tage verließ ihn diese Gemüthsstärke. Man machte ihm bemerk- lich, er könne sich dadurch retten, daß er die Königin bloßstelle, deren Verhalten nie der Gegenstand einer Untersuchung oder Ver- nrtheilnng sein könne; man bedrohte ihn, wenn er das Geständniß weigere, mit der Folter. Erliegend unter den Eindrücken des plötzlichen Schicksalswechsels, gebrochen durch die Kerkerhaft, in der Erwartung, durch das Eingcständniß eines verbrecherischen Umgangs mit der Königin werde der ganze Prozeß niedergeschla­gen werden und er selbst allenfalls mit Landesverweisung da­vonkommen, legte er wirklich das Bekenntniß ab, daß ein un­

erlaubtes Verhältnis; stattgesunden habe zwischen ihm nnd der Königin Caroline Mathilde. Er bestätigte diese Aussage am 20. Februar durch seine Unterschrift. Mehr als blos wahrscheinlich ist, daß Struensee in seiner Verwirrung einen Strohhalm zur eigenen Lebensrettung zu ergreifen hoffte, wenn er die Königin in seine Sache verwickelte; aber mag jenes Bekenntnis; richtig oder nicht gewesen sein, Struensee erniedrigte sich auf's Tiefste und verdiente damit gewissermaßen das traurige Schicksal, wel­ches ihm aufgespart war. Die Hofdienerschaft unterstützte die Anschuldigung eines unerlaubten Umgangs durch Klatschgeschichten über Vorgänge, welche bei einem Arzte , der eine Frau und kleine Kinder behandelt, alltäglich sind.

Außerdem ward Struensee, nnd zwar in der gehässigsten Weise, angeklagt der Aneignung der königlichen Machtvollkom­menheit und des Mißbrauches derselben, der Annahme von kö­niglichen Geschenken, der Gefährdung der Gesundheit des Thron­erben durch eine allzu strenge Erziehung, und andererallerhöch­sten Verbrechen", welche theils nicht bewiesen, theils bei der Be­willigung des Königs nicht strafbar waren.

Auch der Hofmarschall Brandt ward verhört, und den Haupt­gegenstand der Anklage bildete ein unglaublich einfältiger Vor­fall. Des geistesschwachen Königs Christian's VII. Lieblings- Unterhaltung nemlich bestand darin, sich mit den Herren seiner Umgebung persönlich zn raufen. Auch Brandt halte er wieder­holt dazu aufgefordert, und als dieser sich stets weigerte, nannte er ihn öffentlich einen Feigling, warf ihm eine Cilrone in's Ge­sicht und behandelte ihn mit schroffer Mißachtung. Um diesen Auftritten ein Ende zu machen, war dann auf Struensee's Rath Brandt eines Abends eingetreten und hatte seine Majestät zu einem Versuche aufgefordert, wer stärker fei; bei der nun ent­stehenden Balgerei hatte Brandt allerdings den König, als die­ser ihm den Finger in den Mund steckte, gebissen, auch ihn am Halse blutig gekratzt. Im klebrigen hatte sich Seine Majestät sehr befriedigt über die bewiesene Kraftprobe gezeigt, hatte Brandt den Versöhnungskuß gegeben und war von da an freundlicher als vorher mit ihm gewesen. Diese alberne Geschichte wurde vom Gerichtshof ausgelegt als ein frevelhaftes Vergreifen an der geheiligten Person des Königs; außerdem legte'man Brandt ohne alle Beweise die Mitwissenfchast um Struensee's angebliches Verhültniß zur Königin und die Unterschlagung von Staatsgel­dern zur Last.

In den Anklageschriften gegen Struensee wie gegen Brandt spricht sich der blinde Fanatismus des Parteihasses und des- nenlhumes aus. Die beiden Angeklagten verantworteten sich schriftlich in würdiger Weise; die offizielle Vertheidigung war voreingenommen und lau, die Richter waren eifrige Gegner. Und so war es kein Wunder, daß schon am 27. April l772 der Urtheilsspruch erging, Struensee habe wegen des in mehr als einer Hinsicht begangenen Verbrechens beleidigter Majestät Ehre, Leben und Gut verwirkt, sei von seiner gräfliche» und allen ihm sonst ertheiltcn Würden degradirt, sein gräfliches Wappen solle vom Henker zerbrochen, ihm selbst erst die rechte Hand, dann der Kopf abgchauen, der Körper geviertheilt und auf's Rad gefloch­ten, Kopf und Hand aber auf einen Pfahl gesteckt werden. Ver­sunken in einen Strudel von Vergnügungen, unterschrieb der er­bärmlichste und verlottcrtste aller damaligen Fürsten, wie Jenssen- Tusch den König Christian VII. nennt, dieses barbarische Urtheik gegen den ehemaligen Vertrauten und Günstling ohne Bedenken. Ein gleiches Urtheil ward gegen Brandt ausgesprochen. Das ganze Verfahren von Anfang bis Ende war völlig schamlos, von einer schreienden Ungerechtigkeit. Alles, was Struensee zum Ver­brechen gemacht wird, enthält eben so viele Anschuldigungen ge­gen den König selbst; alle die unsterblichen Verdienste, welche das Land dem staatsmännischen Blicke Struensee's zu verdanken hatte, wohlthütige Einrichtungen, die selbst die rachcdurstigen Ge­walthaber zum Theil nicht rückgängig zn machen wagten, sie wurden mit Stillschweigen übergangen, weil man eben nur ver- urtheilen, nicht Recht sprechen wollte. Und noch abscheulicher ist es, aus einer elenden, vom König selbst vielfach mit seiner Die­nerschaft geübten Balgerei dem armen Brandt ein todeswürdiges Verbrechen zu machen.

(Fortsetzung folgt.)

Äedaknon, Druck und Verlag der G. W. Zaiscr'fchen Bucbbaudlung.