München, 30. Jan. Der Erzbischof ha! zugleich mit dem Fastenpatent einen Hirtenbrief ergehen lassen, der sich mit dem allgemeinen Concil befaßt. Er hofft von dem Concil,dessen Entscheidungen über Glaubens- und Sittenlchren unfehlbar sind", daß es Hilfe bringe gegen die Krankheiten,an welchen die Welt daniederliegt", gegen denüberall herrschenden Geist der Entchristlichung", der auch bei uns in Bayern schon in die Schu­len einzudringen suche,um die zarten Kinderherzen zu vergif­ten, gegen die Neigungen und Gefühle der Frömmigkeit und Gottesfurcht abznstumpfeu und ein glaubensloses Geschlecht her­anzubilden." Diese Anspielung auf das Schulgesetz wird von derBayer. Laudesztg." als vollkommen ungerechtfertigt zurück­gewiesen. Inzwischen scheint die Sache unter der Bürgerschaft Eindruck gemacht zu haben; denn der Münchener Gemeinderalh beschloß eine Petition gegen das Schulgesetz.

Berlin, 30. Jan. Abgeordneterhaus. Verhandlung über die Regieruugsvorlage, betr. die Beschlagnahme des Vermögens des ehemaligen Hess. Kurfürsten. Graf Bismarck vertheidigt die Vorlage und erwähnt, daß vor einiger Zeit der Frieden bedroht schien und die Spannung erst in Folge des Ministerwechsels in den Donausürstenthümern nachließ. Die drohende Störung des Friedens war durch Mißverständnisse wie durch Verläumdungen der rumänischen Regierung entstanden. Mit zunehmender Gefahr, den Krieg ausbrechen zu sehen, hieng die Steigerung der pren- ßenfeindlichen Agitationen zusammen. Diesen Aufhetzereien müsse ein Ende gemacht werden. Leider fpeknlire man im Auslande noch immer und nicht mit Unrecht auf die Zerrissenheit und den Mangel patriotischer Gesinnung in Deutschland. Schließlich wurden sämtliche Kommissionsanträge mit großer Mehrheit an­genommen. Der Eisenbahnvertrag mit Hessen, betr. den Ban der Hanau-Osfeubachcr Eisenbahn, wurde angenommen. Am Schlüsse der Sitzung verliest Jakoby ein Privattelegramm aus Stuttgart, in welchem Mayer und Frese die Anschuldigung, in Verbindung mit dev Agenten für die Welfenlegivn zu stehe», zurückweisen, und sagt, er verzichte auf einen Kommentar. (Ge­lächter.)

In Berlin ist's in einer Arb eit er Versammlung zwi­schen den Lassalleancrn und Schultze-Delitzschs zu einer Schlacht gekommen. Die Lassalleaner stimmten die Marseillaise an, lie­ßen Schweitzer hochleben und hiebenin der Begeisterung, für die Sache der Arbeit die erste Schlacht schlagen zu können", mit Stöcken, Schlittschuhen aus ihre Gegner ein, die Schnitze leben ließen. Schweitzers Social-Demokrat rühmt,es siel Hieb ans Hieb auf die feindlichen Schädel, die Unserigen standen im Kampfe fest wie die Felsen in der Brandung der See; ihre Haltung war vorzüglich." Die Verwundungen waren sehr zahlreich.

Der König von Preußen hat den Arzt Dr. Wilms, der das Opfer Zastrow's behandelt, zu sich kommen lassen und ihm gesagt: Lassen Sie sich den armen Knaben so angelegen sein, als ob es mein eigener Sohn wäre.

Die Entdeckung eines Salzlagers beiScegeberg im Holsteinischen ist von großer Wichtigkeit. Es wird gegenwärtig eine so bedeutende Quantität Salz in Preußen eingeführt, daß die Eingangsabgabe von diesem Artikel in den drei ersten Quar­talen des vorigen Jahrs über l Million Thaler betragen hat. Man hofft nun in Preußen, daß das inländische Salz von See- geberg nicht nur das fremde Produkt verdrängen, sondern auch ein bedeutender Ausfuhrartikel werden werde.

Wien, 28. Jan. Gestern hat, und zwar in Wien, die erste Prüfung von einjährigen Freiwilligen stattgefunden. Das Ergebnis) aber wirft ein eigenthnmliches Licht auf dieIntelli­genz", welche sich zu den Begünstigungen des einjährigen Dien­stes drängt, denn von 7 Aspiranten haben 5 die Prüfung nicht bestanden, obgleich dieselbe nur die bescheidensten Ansprüche an das Wissen stellte. Der eine der strebsamen Jünglinge war ab­solut nicht anzugeben im Stande, an welche Staaten Oestreich gränzt, ein anderer ließ das rothe Meer an Rußland vornber- sließen.

Der Mord an dem Civilgouverneur von Burgos hat in Spanien zu noch viel schrofferem Zwiespalt unter den Parteien Anlaß gegeben. Die Republikaner und Demokraten wollen den­selben zu einer Hetze gegen die Geistlichkeit benützen und die Geistlichkeit, die jetzt ihre Existenz in Gefahr sicht, sammelt nun alle ihre Anhänger um sich und ihrer sind namentlich unter

^ der weiblichen Bevölkerung gar viele, die sodann auch Einfluß ! ans die Männer ans:ben so daß ein offener Kampf unter ihnen kaum mehr lange ansbleiben kann.

Türkei. Man meldet derWeser-Ztg." ans Berlin vom l. Febr.: Griechenland habe die Erklärung der Konferenz vor­läufig im Prinzipe angenommen, mache seinen formellen Beitritt jedoch davon abhängig, daß die Pforte die Imitative zur Wie­deranknüpfung der diplomatischen Beziehungen ergreife und die bereits ausgcwicsenen griechischen Unterthanen entschädige. An der Beseitigung der noch bestehenden Schwierigkeiten werde nicht mehr gezweiselt. (St.-A.)

In Egypten ist der Schleier gefallen: die Frauen des Vice- königs dürfen ohne Lchleier im offenen Wagen ansfahren.

Die Leide» Wniseil.

tLchlnb.) i

Zwei Tage später fand Pierre, welcher mit Hilfe der Po­lizei Nachforschungen nach der unschuldigen Camilla veranstaltet hatte, die entseelte Leiche der Armen in dem Todtenhanse der Seine, der Morgue, wo dieselbe, kaum eine Stunde früher aus dem Flusse gezogen, ansgestellt worden war. Angestellte weitere Erkundigungen ergaben, daß Camilla nach dem Sturze Napoleon's von ihren Pflegeeltern aus dem Hanse gewiesen worden war, als die für sie bezahlte Pension anshörte. Camilla war sodann <>amc clu Comptoir in einem Modewaren-Geivölbe geworden, um nur ihr Leben durchznschlagen; hier aber hatte sie ein junger Mann von Stande, ein ehemaliger Rittmeister der Garde, anfgefunüen, und sic unter Hcirathsversprechen und anderen Vorspiegelungen bewogen, ihm in eine kleine Wohnung zu folgen, die er für sie miethew und mit allem Luxus moblirte. Man kennt das Ergeb­nis) solcher Verbindungen : uach weniger als Jahresfrist war die Verhörte, Verführte von ihrem Verführer schmählich verlassen, als dieser bei der Rückkehr Napoleons von Elba wieder zum Heere eilte. Ehe es der Armen noch gelungen war, des Kaisers Unterstützung und Schutz auf's 'Neue ;n erwerben, war die ent­scheidende Schlacht von Waterloo geschlagen und Napoleon's Schicksal besiegelt. Verzweiflung und Schande ließen das schöne Mädchen immer tiefer fallen, bis das Wiedersehen ihrer glückli­cheren Cousine vielleicht sie zn dem furchtbaren Entschlüsse getrie­ben hatte, ihrem vernichteten, verfehlten Dasein ein Ende zn machen.

Drei Tage später saßen Pantine und Pierre am späten Abend mit Vater Hndel und Marie und dem alten, würdigen Pfarrer vor dem alten Kamin, in welchem ein Fenerchen trau­lich brannte. Tiefes Schweigen herrschte, und jedes schien sei­nen eigenen wehmüthigen Gedanken nachzuhängen.

Da rief der alte Landmann plötzlich:Meiner Treu! es ist doch eine seltsame Welt! Wer hätte sich träumen lassen, als ich vor Jahren als ein armer Tagelöhner mit den beiden Wai­sen an der Seite der Landstraße stand und mein Kaiser mit der Kaiserin heransuhr, welcher damals der mächtigste Monarch in der ganzen Welt war, daß alles noch ein solches Ende nehmen würde! Camilla wählte sich den Kaiser zum Vormund und Pau- line entschied sich für den armen Bauern. Nun sitzt der Kaiser gefangen und verbannt auf St. Helana, und Camilla ruht auf dem Kirchhof; während ich wohlhabend bin, mein Pierre ein be­rühmter Mann und Panline eine glückliche, geachtete und gefeierte Frau geworden ist. Ehrwürdiger Herr, Sie sind so weise: lö­sen Sie mir dieses Räthsel!"

Das hat eine ganz einfache Lösung, mein lieber Jean",, erwiderte der Pfarrer und rieb sich gemächlich die Hände;Ihr erinnert Euch ja wohl noch, was Panlinens Mutter ans ihrem Sterbebette sagte:die Demüthigen können steigen und uns mit sich emporheben, während die Hohen fallen und uns in ihrem Sturze erdrücken können!" Ihr seht also, daß der liebe Gott seine besondere Freude an der Demuth hat. Im klebrigen aber predi­gen diese Ereignisse uns eben auch wieder jene hehre Lehre des Christenlhnms:Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das Uebrige alles zufallen."

Amen!" sagte Marie.

bllraklwn, Druck und Vertag der G. W. Zaijer'schen Buchhandlung.