daß man sich in dieser nnd durch diese gemeinsame Arbeit gegenseitig näher getreten ist, gelernt hat, sich gegenseitig als die zu einander gehörigen und sich ergänzenden Elemente des gemeinsamen theuren Vaterlandes zu betrachten und zu achten, so daß selbst die giftigsten Preußenfeinde aus Württemberg ihre schon im Voraus angekündigtcn Jnvektiven ungehalten gelassen haben. Wir rechnen dahin drittens die weite Perspektive, welche das Zollparlament nach allen Seiten eröffnet hat, eine Perspektive, die selbst dem eigensinnigsten Partikularsten keinen Zweifel darüber gelassen haben wird, daß er die Erhaltung der ihm lieb gewordenen Eigcn- thümlichkeiten nicht mehr aus dem Wege der politischen Zerreißung Deutschlands suchen darf. Wir züllleu dahin endlich den Schluß des Parlaments selbst, welcher darüber keinen Zweifel läßt, daß Preußen von den deutschen Staaten uichi mehr verlangen wird, als wozu sie sich bereits freiwillig verpflichtet haben oder sich demnächst noch freiwillig verpflichten werden., fflbstrcdcnd mit der Maßgabe, dag der Marscholl Niel dabei nicht mitzusprechen habe.
— 27. Mai. Der Bundesrath sowohl des Zollvereins wie des norddeutschen Bundes hat npch ein so umfassendes Material abzuwickeln, daß die Sitzungen theils in den Ausschüssen, theils im Plenum sich ununterbrochen in der nächsten Zeit folgen werden .uud die Mitglieder kaum auf einige Tage Pfingstfeier rechnen können. Heute tagte Seitens des Zollbundesrathes der Ausschuß für Zoll- und Steucrwesen und bericth über das Branntwein-, Bier- und Tabakssteucrgesetz für die dem Zollverein anzuschließenden Gebiete, so wie über Petitionen wegen Beseitigung des Floßzolles auf der Saale und auf Aenderung der bestehenden Branntweinsteuer. Der Rechnungs-Ausschuß des norddeutschen Bundes- rathes stellte heute den Bericht über den Etat der Einnahmen an Zoll- und Verbrauchssteuern fest, beschäftigte sich mit den Nach- weisungcn der Matricular-Beiträge uud mit dem Militär-Etat. Hoffentlich wird das Budget dem Reichstage gleich nach Pfingsten vorgelegt werden. Am Freitag findet im Weißen Saale des königlichen Schlosses eine große Galatafel statt, zu welcher auch die Mitglieder des Bundesrathes eingeladen sind. Der würtlem- bergische Minister Frhr. v. Varnbühler, welcher schon vor seiner Abreise zum Zollparlament unwohl war, ist hier nicht unbedeutend erkrankt und konnte bis jetzt Berlin noch nicht verlassen. Er wohnt bei dem würitembcrgischcn Gesandten Baron v. Spi- tzcnberg, der sein Verwandter ist.
Berlin, 29. Mai. Die Kreuzz. und die Nordd. A. Z. drucken in ihrer heutigen Nmner den 4. Artikel des Prager Friedens ab und leiten daraus, gegenüber den Ausführungen französischer Blätter, übereinstimmend ab, daß die beim Schlüsse des Zollparlaments gehaltene Thronrede keine offizielle Kundgebung in Betreff des Prager Friedens sei, sondern einen Hinweis auf die der Krone Preußen durch die Zoll- und Allianzvertrüge gewährten Rechte enthalte. Die Bestimmung des gedachten Act. 4 des Prager Friedens „über die nationale Verbindung des nordd. Bundes mit den Südstaatcn" sehe noch der Verwirklichung entgegen. (S. M.)
Breslau, 24. Mai. Vorgestern hat sich hier unter der Führung der Hrn. Dr. Elsner und Dr. Stein ein national-demokratischer Wahlverein konstitnirt und sülzendes Programm angenommen: „Der national-demokratische Wahlverein erachte: die nordd. Verfassung im Verein mit dem Zollparlamente als die Ausgangspunkte und die Grundlagen, ans denen bei friedlicher Entwicklung die Einheit Deutschlands erzielt werden kann und muß. Er betrachtet es demgemäß als politische Pflicht und und vorzugsweise als Aufgabe der Demokratie, diese in Folge der Ereignisse des Jahres 1866 geschaffenen nationalen Institutionen in jeder Weise zu fördern. Der Wahlverein steh! somit in prinzipiellem Gegensätze zu der Stellung, welche Dr. Johann Jacobp in der deutschen Frage genommen hat, wie nicht minder zu denjenigen Bestrebungen, welche darauf gerichtet sind, jene nationalen Institutionen zn vernichten, oder deren Werth und Bedeutung herabzusetzm. Getreu den Prinzipien der Demokratie, wird der Wahlverein in der inneren Verwaltung und Gesetzgebung die Grundsätze der Freiheit uud Gleichberechtigung in allen politischen, sozialen und religiösen Beziehungen verthei- digen und zu verwirklichen suchen."
Aus Oesterreich, 20. Mai. Die östreichische Presse beschäftigt sich mit einem Manifeste des Bischofs Rudigier von Linz gegen den Minister des Innern, Dr. Giskra und dessen
Kollegen. Dr. Giskra hatte bekanntlich ein Rundschreiben an die Statthalter erlassen, mit der Forderung an diese, den maßlosen, die Schranken der Gesetze überschreitenden Agitationen dcS Klerus entgegenzutretcn. Der Bischof antwortete darauf, daß er am Konkordat festhalten werde, möge man in Wien beschließen, was man wolle; er werde keinem Gesetze folgen, das im Widerspruche mit dem Dogma oder mit den Gesetzen Gottes sei, nnd als Maßstab zur Beurtheilung der Gesetze werde ihm allein die Lehre der katholischen Kirche dienen. Franz Josef I. habe im Jahre 1856 vor dem ganzen Episkopat die Durchführung und Aufrcchtcrhal- tung des Konkordats verbürgt mit der „Treue, die dem Manne und die dem Kaiser geziemt". Daran knüpft der Kirchenfürst folgenden Schluß: „Wenn unser katholisches Volk in den Zeiten so schwerer Lasten in seinem Kaiser nicht mehr den Beschützer seines Glaubens sehen darf und kann, wer wird sich dann verwundern, wenn es nachgerade dem preußischen Sirenengesänge sein Ohr zuwendet! Wer wird sich darüber besonders wundern, der bedenkt, daß es eine große Partei in Oestreich selbst gibt, die für Preußen arbeitet, freilich nicht, um unter Preußen zu bleiben, sondern um den preußischen König zum Pionier der großen deutchen Republik zu machen!"
Man sieht keinen glatthaarigen Oesterreicher mehr; seit dem 27. Mai, an welchem die Schulden Oesterreichs amtlich veröffentlicht wurden, stehen Allen die Haare zu Berg. Die Staatsschuld betrügt 3,029,319,890 fl., die Zinsen belaufen sich jährlich aus 127,718,000 fl. Von Ende Deeembcr 1860—67 hat sich die Staatsschuld um 109'r Mill. vermehrt.
Die Geistlichkeit in Wien hat ihrem Gegner, dem Rcichs- tagsabgeordneten v. Mühlfeld die Einsegnung nicht verweigert oder doch der Vermittlung des Kaisers Folge gegeben. Der Kopf Mühlfelds war der Napoleon I., eine überraschendere Aehulich- keit konnte man nicht treffen. Der Franzose Thiers rief auS, als er 1869 Mühlfeld in Wien begegnete: Siche Napoleon! Mühlfcld kam 1810 in Wien zur Welt.
In der letzten Sitzung der Wiener „Gesellschaft der Aerzte" hat Professor Skoda einen Vortrag über die Resultate des Wiener Findelhauses gehalten. In dem Zeitraum von 1784 bis 1866 wurden 444,087 Kinder in das Wiener Findelhaus aufgenommen, und davon starben 319,323, also 779 von je 1000 Kindern, oder ungefähr 78 Procent. In der neuesten Zeit ist das Sterblichkeilsverhältniß ein noch ungünstigeres; denn von 1893 bis 1860 ist die Aufnahme von 127,183 Kindern konsta- tirt und davon starben 101,992, also 802 von je 1000, oder mehr als 80 Proccnt. Man sollte die österreichischen Schulden ins Findlhans bringen.
Brünn, 30. Mai. Der Abg. S kene richtet einen Brief an den Tagesboten, um den „Wühlereien" eutgcgenzutreten. Bankerott, sagt er darin, sei auch der Negierungs- und der Minoritätsantrag. Die Majorität wolle nur jene Verpflichtungen, die sie anerkennt, Anhalten. Von jeher sei es in Oestreich Brauch der Minister, ihren Blick nach Oben zu wenden und sich um die Interessen der Völker wenig zu kümmern. Die Regierung wolle sich über die nächste Zukunft hiuaushelsen, während die Budgetausfchußauträge definitive Ordnung wollen. Der Erfolg werde lehren, wer für die Landesinteresscn eingetreten sei.
Paris, 1. Juni. Der Kaiser antwortete gestern in Ronen auf die Ansprache des Bürgermeisters: Ich fühle ganz, was Sie geiagt. Wir wissen, wie sehr Ihre gewerbliche und landbau- treibcnde Bevölkerung zu leiden hatte, und ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen, diese Leiden zu erleichtern, welche, wie wir hoffen, heute beendigt find. Auf die Ansprache des Kardinals antwortete der Kaiser: Wir trennen niemals die Liebe zu Gott von der Liebe zum Vatcrlande. — Abends 4',- Uhr fuhren die Majestäten zurück. (S. M.)
Paris, 29. Mai. Prinz Napoleon begibt sich am Montag über Karlsruhe, Stuttgart, München und Wien nach Konstantinopel. (S. M.)
Italien. Der Papst hat den Kardinal Andrea vor seinem Begräbniß, welchem Pius persönlich beiwohnte, seziren lassen, um durch ärztliche Coustatirnng einer Lungenkrankheit üblen Nachreden vorzubcugen.
Was hin ton, 20. Mai. Johnson ernannte Shofield zum Kriegs in i n i st e r. Der Senat har die Ernennung ratisizirt.
Redaktion, Druck und Vertag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung. (Hiezu eine Beilage, Holzpreise des Forstamts Altenstaig betr.)