Der berüchtigte ungarische Räubcrhaupimaun Rozsa Sandor hat sich, nachdem er vom Kaiser begnadigt worden ist, zum Si­cherheilskommissär aus dem Schanpkatz seiner früheren Thaten gemeldet.

Paris, 11. Mai. Der Kaiser machte gestern den Ans­slug nach Or.leans. Auf die Ansprache des Bürgermeisters der Stadt sagte der Kaiser: ich habe mich selbst von Ihren Fortschrit­ten unterrichten wollen, übcrzengt, daß dieselben in Mitte der allgemeinen Ruhe Europas sich mit Bertrauen entwickeln wer­den. Auf eine Ansprache des Bischofs sagte der Kaiser: An diesen Orten gedenkt man mit Freuden daran, was für das Heil und die Größe eines Landes religiöser Glaube und wahrer Pa­triotismus zu thun vermögen. Wir haben zum erstenmal in ver­alten Basilika unsere Kniee beugen und inmitten der großen Erin­nerungen der Vergangenheit Gott um seinen Schutz für die Zu­kunft anflehen wollen. (S.M.)

Am 1. Mai ist der Sohn Napoleons zum hl. Abendmahl gegangen, das ihm der Erzbischof von Paris in der Capelle der Tuilerien reichte. Der Prinz ist ein schüchternes Kind von gu­tem .Herzen und ruhig heiterem Charakter, seiner Begabung nach ein Durchschnittsmensch, nicht besser und befähigter, aber auch nicht schlechter als die Mehrzahl seiner Altersgenossen. Viele Frauen bitten den blutjungen Prinzen in Briefen seine schöne weiße Hand küssen zu dürfen, sein Erzieher aber, General Fros- sard, überhebt ihn dieser Versuchung, indem er alle diese Briefe abfängt und vernichtet.

London ist dermalen von 1,437,619 männlichen und 1,644,793 weiblichen, zusammen also von 2,082,372 Personen bewohnt, seit 1851 um 720,136 Seelen gewachsen, ohne daß eine Vergrößerung des Stadtgebietes stattgefunden hätte.

Konstantiopel, 11. Mai. Der sultan hielt eine höchst freisinnige Rede bei der Eröffnung des Ltaatsralhs. Energisch erklärte er die Nothwendigkeit des Bruches mir den alten Ge­wohnheiten und einer aufrichtigen Annäherung an die europäische Civilisation. Die Rede machte das größte Aufsehen.

Die geheimnißvolle Skizze.

(Schlup.)

Es wurden den Polizeidienern auf dem Gange die uoth- wendigen Befehle ertheilt. Dann kehrten die beiden Räche zu­rück und betrachteten die Wandzeichnung, wobei sic leise mit einan­der redeten. Meiner beispiellosen Aufregung folgte eine eben so große Schwäche ich konnte mich nicht mehr aufrecht erhalte» und sank erschöpft auf das Strohlager. Die beiden Beamten, an dergleichen Anblick gewöhnt, nahmen von mir nicht die min­deste Noriz, sondern fuhren in ihrer heimlichen Eonvcrsation fort. Diese erwartungsvolle Pause währte unerträglich lang. Zweifel, Furcht, Hoffnung wogten in meiner Seele auf und ab, und die Pein der Ungewißheit legte eiserne Klammern um mein Herz.

Endlich ließen sich Fußtritte aus der Treppe hören. Ich lauschte, in der thörichten Ueberzeugung, daß ich den Schritt des Mörders unter Hunderten von Personen heraus erkennen würde. Die Kommenden näherten sich. Mit erschrecklichem Gleichmuth richteten die beiden Räthe ihre Blicke auf die Thüre, als diese sich jedoch öffnete und der von mir Gezeichnete eintrat, waren Beide sichtlich frappirt über seine schlagende Aehnlichkeit mit mei­nem Portrait. Der Gefangene blickte scheu zur Erde. Sein Ge­sicht war in der Mundgegend krampfhaft zusammcngezogen, so daß die Muskeln bis zu den Ohren hin sichtbar wurden; seine heftige innere Unruhe verrieth sich durch das unstäte Auge, welches chon einer Stelle des Bodens zur andern flog, so als ob er emsig nach etwas suche, und durch die sich unter schweren und raschen Athemzügen hebende Brust.

Der Criminalrath von Dahlheim rief ihn an und befahl ihm, das Bild an der Wand zu betrachten. Der Gefangene hob feilte kleinen stechenden Augen empor und taumelte entsetzt, sich selbst und die gemordete Frau crkenneud, zurück. Dieser starke Mann zitterte an allen Gliedern wie Espenlaub und war blaß wie eine Leiche.

Plötzlich aber schien seine Verwegenheit wiederzukehren. Schnell wie ein entspringender Tiger warf er sich auf seine Wächter, stieß diese mit seinen Riesenfäusten so heftig an die Mauer, daß sie stürzten, und gewann die Thüre. Mit gellendem Tone rief von Dahlheim hinaus:Haltet den Mörder!" und vier Poli­

zeidiener warfen sich dem Flüchtigen entgegen. Aber auch diese vier halten Mühe, den kraftvollen, von Verzweiflung bis zum Wahnsinn aufgcstachelten Wüthenden zu überwältigen. Als sie endlich seiner Herr geworden und ihn an Händen und Füßen mit gewichtigen Ketten geschlossen hatten, brachten sie ihn in die Zelle zurück. Znr vollständigen Ohnmacht gezwungen, war der Gefangene nun gänzlich verändert. Jede Spannkraft schien von ihm gewichen, sein Kopf sank auf die Brust hinab und Knie und Hände flogen, als ob sie von unerträglicher Kälte geschüttelt würden. In stillem Grimm biß er in seine Unterlippe, dann richtete er sein Auge noch einmal auf die Wandzeichnung. Der Anblick schien seine Gedanken gänzlich zu verwirren, er vergaß, wo er sich befand, welche Zeugen auf jede seiner Aeußcrungen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit lauschten, und murmelte: Was für ein L>atan hat mich und die Alte denn sehen können, es geschah ja um die Mitternacht!" Er hatte gestanden.

Mir wurden die Fesseln abgenommen, ich war gerettet frei.

Meiner Schwester guter Rath.

Meine Schwester Cordula war eines der respectabclsten Frauenzimmer in der Welt, aber es ließ sich mit ihr auch nicht leichter leben, als mit manchen anderen respectablen Leuten. Es ist wahr, daß wir im Laufe der Zeit, während eines langen Beisammenseins dahin gekommen waren, uns leidlich zu verste­hen und ernstliche Störungen des Hausfriedens zu vermeiden.

Cordula war viel älter als ich und konnte es nicht unterlassen, mich zu Hofmeistern, was sie auch dann noch that, als ich das gewisse Aller erreicht hatte, in dem, wie ein althergebrachtes Sprüchwort behauptet, die Schwaben erst zu Verstand zu gelan­gen pflegen. Ich lernte ihr gehorchen, wie sehr ich mich auch anfänglich stränvte und offen gestanden, kam ich dabei nicht übel weg. Denn Verstand hatte meine Schwester, das mußte man ihr lassen, und ich hegte auch im Innersten meines Herzens, trotz aller Neigung zur Rebellion, die höchste Achtung vor ihrer Rechtschaffenheit, klaren Einsicht, unerschütterlichen Energie und geistigen wie körperlichen Kraft. Ich konnte ihre Ansichten über die besten Mittet, die Welt zu bessern und dem Pauperismus abzuhelfcn, nicht i,inner theilen, sagte es aber nicht und mar zu­frieden, daß sie ihrem Steckenpferde nachging, wenn sie in ihrem Spott über das meinige, welches die Liebe zum Studium der Nctturwissenfchasien war, nicht zu weit ging.

So standen die Sachen, als ich in ein unerwartetes Di­lemma gerieth. Es geschah, daß mir eine Verantwortlichkeit auferlegt wurde, welche abznlehnen mir ganz unmöglich schien und bei der sich mir zuvörderst die große Schwierigket bot, meine Schwester damit bekannt zu machen. Wie sollte ich es anfangen V Ich wartete und wartete aus eine passende Gelegen­heit, aber keine wollte sich zeigen, nur einmal beim Mittagessen, als das Gespräch zufällig auf verwaiste Kinder kam, faßte ich mir ein Herz und brach los, indem ich sagte:

Da wir von Waisen sprechen, Schwester, so fällt mir ein, daß der arme -Robert Erhard in Westindien gestorben ist. Du erinnerst Dich seiner?"

Robert Erhard war ein intimer Freund unserer Familie gewesen und überdies bestand eine, wenn auch weitläufige Ver­wandtschaft zwischen uns. Er war als junger Mensch nach West­indien gegangen, hatte sich dort verheirathet und war nun plötz­lich vom gelben Fieber hingerafft worden. Seine Frau War­schau vor ihm gestorben.

Ob ich mich seiner erinnere? Vollkommen, Bruder," ent- gegnere ineine Schwester in einem Tone, der unzweideutig zu erkennen gab, daß es nichts Gutes war, dessen sie sich von ihm erinnerte;also er ist todt, und hat gewiß einen Haufen Kinder hinterlassen, die Jemand Anderes versorgen soll? Das ist so die Art solcher Leute."

Es kostete mich einige Ueberwindnng, ruhig zu bleiben und es mir zu versagen, eine Lanze für das Andenken meines Freun­des zu brechen, aber ich wollte die Laune meiner Schwester nicht noch mehr verderben und sagte daher nur mit Würde:Er hat ein mutterloses Mädchen hinterlassen, das eigentlich von Nie­mand Anderem versorgt zu werden braucht und das nur eines einstweiligen Schutzes bedarf, bis es eine eigene Heimath findet."

_ (Forticzung folgt.) _

Redaktion, Druck und Verlag der G. W- Zaisersichen Buchhandlung.