Wie man seiner Familie am besten eine Erbschaft sichern kann.
Äu» tcr wahrer l'ttustrirten
Zwischen Licht und Dunkel saßen eines Abends im Bären zu Gundelfingcn hinter einem Schoppen Achter der Rathsschrci- ber und der Bärenmirth. So lauge man noch lesen konnte, hatte der Rathsschreiber aus der Zeitung von einer großmüchtigen Erbschaft in Ostindien vorgelesen, auf die mehr als ein Dutzend Familien in Schwaben und Frauken Anwartschaft machten, aber die Erben könnten nicht zu dem Ihrigen kommen. Wie es immer dunkler wurde, legte der Rathsschreiber das Blatt weg und dann kamen die zwei Männer auf's Erbkapitel überhaupt zu sprechen, und wie es eben gut sei, wenn ein Familienvater, der von den deinen weg in's Jenseits abgerufen werde, diesen ein Vermögen hüuerlassen könne. Sparen sei wohl recht, meinte der Rathsschreiber, nur führe es gar langsam zum Ziele. Er kenne aber noch ein anderes Mittel, das oft schon schneller als man eigentlich wünschen müsse, geholfen Hube und das so sehr erlaubt sei, daß es sogar von der Regierung concessionirt sei. Der Hinkende weiß ganz genau: es gibt Manchen, der gerne einen Kroiicil- thaler und mehr daran rückte, wenn er eia probates Erbrecept bekommen könnte. Deshalb will er den Diskurs der Beiden, dem er von der Ofenbank aus zuhörte, von A bis Z und notabene ganz umsonst mittheilen. Die Nutzanwendung soll dann der geneigte Leser selbst machen.
Der Bärenwirth hatte einen neuen Schoppen vor dem Naths- schreiber ausgestellt und Licht hereiugebracht. Der Rathsschreiber aber nahm einen Fidibus, zündete seine Pfeife an, dampfte ein paarmal und fragte dann: „Wo ist denn heute Eure Frau, Bärenwirth, daß sie sich gar nicht sehen läßt?
Bärenmirt h. Sie kann jeden Augenblick kommen. Den ganzen Tag war sie drüben bei dem Fuchsenbauer. Da wird heute Alles versteigert, Güter, Vieh und Fahrnisse.
Rathsschreiber. So! Warum bleibt denn die Fuchsen- bäuerin nicht ans ihrem Anwesen?
Bärenwirth. Ja, die blieb gerne. Aber wie ihr Mann vor einigen Wochen so schnell weggestorben ist, haben sich mehr Schulden als Vermögen herausgestellt — jetzt muß Alles verkauft werden. Mein Weib ist nun hinüber, um ihrer Base in dein Jammer beizustehen. Auch wollen wir eins von den Kindern zu uns nehmen. Die Bäuerin zieht mit den drei anderen zu ihrer Mutter. — Da kommt die Wirthin ja angefahren und richtig hat sie auch ein Kind — cs wird wohl 's Lisbethle sein
— bei sich.
Aus der Straße hörte man ein Fuhrwerk gegen das Haus herfahren und halten. Gleich daraus trat die Bärenwirthin in die Stube und führte an der Hand ihr Dötle. Der Ralhsschrei- ber sah das Lisbethle, die halb neugierig, halb erschrocken drcin- schanre, mitleidig an und sagte: Respekt vor der Bärenwirthin
— Da hat sie ihr gutes Herz wieder am rechten Ort walten lassen.
Bärenwirthin. O, Herr Rathsschreiber, mau müßte ja ein Herz von Stein haben, wenn man da nicht helfen wollte. Wer hätte aber auch an das gedacht, daß der baumstarke Fuch- senbaucr so unverhofft wegstcrbe! Meine Bas hat so gut mit ihrem seligen Mann gehaust, sie haben mit einander gearbeitet und gespart und wenn der Fuchsenbauer auch nur noch 10 Jahre gelebi hätte, so hätte er sein Anwesen schuldenfrei gehabt — so aber konnte sein Weib cs nicht behaupten. Um ein Spottgeld ist heute Alles weggegangen. Das Herz hat mir blutet, wie ich das Hab' mit mischen müssen.
Raths schrei der. Daß aber die Psundgläubizcr ihr Geld nicht stehen ließen- — Die Versicherung kann doch keine schlechte sein?
Bärenwirthin. Drum hat der Hauptgläubiger die Schuld gekündigt — halb aus Augst, das Anwesen möchte herunter kommen, halb, wie die Leute sagen, weil er darauf spekuliere, es für sich selbst billig zu bekommen und durch Wiederverkauf, wenn einmal die Güter wieder mehr gelten, einen schönen Prosit zu machen.
Raths schrei der. Da hat freilich der Jörg auf dem Engelbcrgerhof eine feinere Nase gehabt. Wie der gestorben ist, wurden seiner Wittwe fünftausend baare Gulden von der Lebensversicherung ausbezahlt und damit war ihr geholfen — denn
sonst hätte cs ihr ungefähr auch so gehen können, wie der Fuch- senbäuerin.
Bärenwirthin. Bei unserer Bas hätten cs zweitausend Gulden gethan.
Bärenwirth. Ja — wie ist denn das mit der Lebensversicherung? Im Blättle liest man wohl als Empfehlungen, aber was es eigentlich für eine Bewandtniß damit hat, verstehe ich einmal noch nicht. (Schluß f.)
^ t l c r l c i.
— Der Lahrer Hinkende Bote für 1868, der an die schönsten Zeiten des rheinländischen Hausfreundes von Hebel erinnert, gehört unstreitig zu den bedeutendsten Erscheinungen der jetzigen Kalender-Literatur. Der „Hinkende Bote" hat in Herrn Bürk- lin einen Mitarbeiter gesunden, der dem unvergeßlichen Hebel würdig zur Seite steht und schon seit Jahren sowohl belehrende Aussätze in vortrefflichem, ächr populärem Style liefert — wir erinnern nur an die wahrhaft klassische Arbeit über die Telegraphie im Kalender 1863 als auch durch seine Erzählungen voll des kernigsten und edelsten Humors und des frischesten Duftes der Poesie viele tausend Herzen erfreut und erquickt hat. Und so sind auch in dem diesjährigen Kalender die „Erzählungen in der Bahnhofs-Restauration" ?in Blüthenstrauß, den der achteste Humor und die reinste und wahrste Poesie gcwnnden haden. Besonders ansprechend meisterhaft dargeftellt ist die Erzählung: „Das stählerne Herz", die um so ergreifender wirkt, wenn mau weiß, daß die Hauptpersonen in derselben keine erdichteten sind, sondern daß dieselben wirklich so waren, lebten und litten wie der Dichter cs schildert. Die ganze Haltung des Kalenders ist eine edle und freisinnige und dazu maßvolle und wird in jedem braven Hanse und Herzen, sei cs in der Stadt oder auf dem Lande, einen wohlthuenden Eindruck zurücklassen, wie der ist, den wir empfinden, wenn wir so glücklich waren, eine Stunde mit einem Biedermann von ächtem Schrot und Korn zugebracht zu haben. Wir wünschen daher nnserm Hinkenden alles Glück und eine recht freundliche Aufnahme, die ihm in jedem deutschen Hause und Herzen seit Jahren nicht gefehlt hat und auch für das Jahr 1868 sicher nicht fehlen wird.
— Bidet nno Geologie. Widersprechen sie einander oder nichts ->Hj L. Von I. Al. Gärliier, Schultheiß in Sulz. Stuttgart bei Betser. 1867. Während man in dem Versuch, die Aussagen der evchrisl über die Schöpfung mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften in Einklang zu bringen, häufig davon ansging, in den pchs Schöpsungstagen lange Perioden zu erblicken, in welchen die Schichten der Versteinerungen, wie wir sie aufeinander liegend antressen, sich atl- mähltg gebildet hätten, (so auch z. B. in der sebr interessanten «christ des englischen Gekehrten Hugh Miller, tl«- 'l'«-t!i„on^ »l tlm ttuck«) sieht der Verfasser der oben angeführten Schrift in den 6 Schvpfungs- tage» Tage von 21 Stunden und verlegt den ganzen Proceß der Petre- salten-Bildung in die Zeit vor der mosaischen Schöpfungsgeschichte. Er nimmt an, baß die jetzige Weltzeit 7000 Jahre dauern werde, und daß der durch Mose erzählten Bildung der Erde 4-0 gleiche «chöpsungs- perivden, also 23-42,000 Jahre vorhergegangen seien. Der erste Theil der Schrift beschreibt die vorinenschlichen Zustände der Erde, ihre Geschichte von ihrem seuerslüssigen Zustande an durch die verschiedenen Gebilde hindurch bis zu der Tertiärzeit. Hiebei folgt der Berf. meistens den neueren Autoritäten, wie Ouenstedt, zeigt eine seltene Bekanntschaft mit naturwissenschaftlichen Werken und gibt ein reiches, wissenschaftliches Material und treffliche Gedanken, die für Jeden, welche Ansicht er auch über die Schöpfungsgeschichte haben mag, von hohem Interesse sind. Der zweite Theil schildert die mosaische Schöpfungsgeschichte. Da werben die Worte: „Gott sprach: es werde Licht" so erklärt: „der Lichtäther begann seine Schwingungen wieder zu entfalten" (nämlich nachdem in der Tertiärzeit schon Licht ans Erde gewesen und dieses mit der Zerstörung der Produkte der Tertiärzeit wieder verschwunden warj. Der dritte Theil bespricht die Wechsel in der Menschheit und Natur während unserer Zeit, der vierte beit Feuerfluß und die Neuschaffung unserer Erde und Sonnenwelt am Ende dieser Zeit. Der Versuch des Vers., den Gegensatz zwischen den beiden Wissenschaften der Theologie und Geologie auszugleichen, ist gewiß höchst interessant, und Niemand wird das Buch ohne reichliche Belehrung und sehr befriedigende Ausschlüsse lese». Ob dieser Versuch in allen einzelnen Theiten gelungen ist, dürfte sich noch nicht zur Entscheidung bringen lasse», da, wie der Vers, selbst hervvrhebt, die Nesultate der bisherigen Naturforschnng noch nicht als unumstößlich zu betrachten sind. Das Buch kann Akten, die den immer wieder behaupteten Gegensatz zwischen Bibel und Naturwissenschaft ausgeglichen sehen möchte», dringend empfohlen werden, wie auch des gleichen Verfassers treffliches Buch über die Offenbarung. Prälat Kapff.
Nedatllvn, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.