Verträge war. Das Papstthum und die italienische Regierung reagirten gegen revolutionäre Excesse, die in ihrer Weitcrver- breitung für die Halbinsel traurige Folgen gehabt hätte. Alle Mächte sind eingeladen, durch ihre moralische Autorität und ihren gemeinschaftlichen Rath das Versöhnungswerk zu erleichtern. Die Regierung hofft, daß die Erfahrung den praktischen Werth ihrer Vorschläge bewähre.
Paris, 3. Jan. Die „France" glaubt, daß Menabrea gezwungen sein werde, das Parlament aufzulösen. Dasselbe Blatt meldet, daß die Demission des portugiesischen Ministeriums in Folge der durch Steuerverweigcrung entstandenen Tumulte statt- gesunden habe.
Paris, 4. Jan. Die Patrie sagt, in Folge der letzten Vorbesprechungen seien die über den Konferenzplan eingelcitetcn Verhandlungen allgemeinem Einverständniß zu Folge vertagt worden. sS' M.s
Am Wcihnachtsfeste hat der Papst wie alljährlich einen Sammthut und einen Degen geweiht. Es soll damit derjenige katholische Fürst beschenkt werden, der am besten die Kirche verteidigt hat. Ohne Zweifel wird dießmal der treueste Sohn der Kirche der Kaiser Napoleon sein.
Neulich besuchte die Kaiserin eine Mädchen-Pension in Petersburg und fand die Frisur der Mädchen zu kokett. Die erschrockene Vorsteherin ließ die Zöpfe der Mädchen kurzweg > abschneiden. Als sie Abends das Conversationszimmer betrat, ! warfen die Schülerinnen ihr ein großes Tuch über den Kopf, rissen sie nieder und mißhandelten sie so furchtbar, daß sic in der Nacht starb. Als das Tuch von der Unglücklichen abgenommen wurde, war es nicht die Vorsteherin, sondern ihre junge Gehülfin, welche mit der Aufsicht an diesem Abend beauftragt worden war.
Der zerquetschte Hut.
(Fortsetzung.)
Unruhig und gespannt ging ich im Zimmer auf und ab und trat bei jedem heranrollenden Wagen an's Fenster, um zu sehen, ob er vor dem Hause hielte, — aber vergeblich.
Punkt neun Uhr trat das Mädchen ein.
„Sie müssen nun aus der Stelle kommen," meinte sie und zündete die Gaskrone an, „ich habe die Locomotive pfeifen gehört."
Minute auf Minute verging, Rosette brachte die dampfende Thcemaschine, stellte einige Sessel um den Tisch und Schemel vor zwei derselben, — kurz, sie that Alles, um einem jeden etwaigen Wunsch heimkehrender Reisender zu begegnen.
„Mlin Gott, am Ende kommen sie nicht, sie könnten längst hier sein," sagte sie.
„Sie werden zu Fuß kommen," entgcgnete ich.
Und wenn auch, es ist fast schon zu spät."
Meine Uhr zeigte ein Viertel nach neun Uhr. Ich wartete noch bis halb Zehn, aber als auch bis dahin Niemand erschien, da war es eine feststehende Thatsache, daß ich ferner Niemanden zu erwarten brauchte.
Das Empfangen meiner Wirthe würde mir Spaß gemacht haben, und trotz meiner Spannung war ich heiter gestimmt gewesen. Dies Fehlschlagen aber brachte mich ein wenig außer Fassung, ich fühlte mich mit einem Male so einsam und verlassen in der fremden großen Stadt, ein tiefes Heiniweh kam über mich und ich gedachte mit nicht zu leugnender Sehnsucht des einzigen Beschützers, den ich etwa hier hatte. Die harmlose Thcemaschine schien mich ordentlich auszuzischen, mir ward ganz traurig zu Muthe, ich hatte Mühe, die Thronen zurückzudrängen und wollte mich ohne Weiteres zu Bette begeben.
Da trat aber Rosette in energischer und doch herzlicher Weise dazwischen, ich müsse durchaus Etwas genießen, es sei gewiß traurig, daß ich von Niemandem sei empfangen worden, als von ihr, aber die Speisen feien alle so vortrefflich, die Köchin ganz ausgezeichnet, die Hähnchen solle ich nur einmal kosten, eine Tasse guten Thee dazu trinken u. s. w., und damit hatte sie mir schon eingeschenkt und ich mußte ihr zu Gefallen schon etwas nehmen.
So aß ich denn und trank, und, sonderbar, es war, als ob es mir immer besser schmeckte, je mehr ich genoß. Ich merkte nun wohl, daß ich ungeheuer hungrig gewesen war, und daß nur
die Spannung und Aufregung des Tages mich verhindert hatten, etwas davon wahrzunchmcn.
Ich machte eine Pause und lehnte mich in den riesigen, schön geschnitzten Sessel zurück, in dem ich saß. — War cs nicht wie ein Märchen, daß ich mich hier nun befand wie eine Prinzessin in dem brillant erleuchteten Zimmer, vor den köstlichsten Speisen und funkelnden Geschirren? An den Wänden hingen herrliche Kupferstiche, tropische Blattpflanzen waren an den Fenstern gruppirt, und durch die geöffneten Scheiben fiel Mond- und Sternenlicht. Ich fand es mit einem Male wieder überaus traulich hier.
„Ach, was .Heimweh!" dachte ich. Du bist ja nur zum Besuche hier und kannst zu jeder Zeit zu Mutter und Schwester zurückkehren. Was fehlt Dir hier? Nichts, gar nichts. Sogar meine Lieblingsspeise steht dort, ein köstliches blane-nmnZer, und wer hält mich ab, davon zu nehmen? Gewiß Niemand; es wäre nur schade, es unberührt zu lassen, und so schob ich denn meine Thcetasse zur Seite und bediente mich.
In der angenehmen Stimmung eines gesättigten Menschen stand ich endlich auf und schellte Rosetten. Fast schämte ich mich, denn ich hatte wahrhaftig nicht gegessen wie ein enthaltsames, gebildetes junges Fräulein, sondern ivie eine derbe Bauerndirne, die schwere Arbeit verrichtet. So fand ich mich denn auch noth- ! gedrungen, Rosetten nachträglich zu erklären, daß ich nicht zu ! Mittag gespeist hätte, damit sie sich nicht zu sehr verwundern und nicht glauben möge, daß die Köchin die Portionen künftig immer auf doppeltes Mas; cinrichten müsse.
„Sie armes Fräulein!" rief sie aus, „nicht zu Mittag gespeist! Wie wird Madame mit mir schelten, wenn sie das hört; o, bitte, sagen Sie nichts davon."
Ich versprach ihr das lachend, und ging nun mit der ganzen Welt zufrieden zu Bett.
In dem Himmelbett schlief sich's ganz vorzüglich, und trotz des Hellen Sonnenscheins erwachte ich so spät am andern Morgen, daß ich erschreckt aussprang. „Aber du frühstückst ja allein," dachte ich, denn vor zehn Uhr konnten Monsieur und Madame Martineau heule nicht hier sein.
Ich wählte mein allerniedlichstes Negligee, denn es lag mir daran, einen möglichst guten Eindruck zu machen. Natürlich mußte mir der große Toilettenspiegel dabei behülflich sein, und sich so von oben bis unten betrachten zu können, fand ich außerordentlich angenehm.
Da es sich nicht schickt', von sich selbst zn sagen, daß man hübsch sei, so will ich nur bemerken, daß ich meiner Mutter sprechend ähnlich sah, und daß ich meinen Vater hundert- und hundertmal habe sagen hören, sie fei eine bildschöne Frau. Offenbar stand mir auch der einfache Obcrrock von Hellem Pcrkal mit dem kleinen umgeschlagencn weißen Kragen sehr gut, und als ich mein liebes Bouqet betrachtete, da wählte ich mir ein paar dunkelrothe Nelken aus und steckte sie als Schmuck in meinen Gürtel. Nun ging ich hinunter.
Rosette begegnete mir an der Thüre des Wohnzimmers, sie hatte mich kommen hören und gleich den Kaffee gebracht. Indem ich meinen Sitz in dem großen Sessel wieder einnahm bemerkte ich, daß für zwei Personen gedeckt war.
„Sonderbar," dachte ich, „für zwei — wenn's noch drei wären." Aber ich reflectirte eben nicht darüber, ich hielt es füs eine bedeutungslose Unachtsamkeit, bediente mich ruhig mit Kaffee, nahm eines der großen, leckcrn Brode, Pistolets genannt, die man dort zum Frühstück zu genießen pflegt.
Da ging die Thüre auf, und — wer stand vor mir?
Der Fremde von gestern.
Es ist unmöglich, bestürzter, erschrockener, verminderter zu sein als ich es in dem Augenblick mar, und was die Ueber- raschung betrifft, so schien der Ausdruck in der Miene des Herrn vollkommen dem meinen zu entsprechen. Er stand da ein paar Sekunden und hielt die weit offene Thüre wie versteinert in seiner Hand, ich war aufgesprungen und hielt mich krampfhaft an dem Sessel fest.
Uallemniselle, guel bonlieur!" rief er zuerst und ein glückliches Lächeln überflog keine Züge.
(Fortsetzung folgt)
Redaktion, Druck und Verlag der G- W. Zaiser'schen Buchhandlung.