warf Steine in die Fenster und rief: Er ivill uns zu Affen machen! — Sie wußte nicht, daß sie schon zum Affen geworden war, der den Römlingen die Kastanien aus den Kohlen holte.
Die Hamburger werden künftig nur mit den Preußen zusammen Buße thun; ihr eigener Buß- und Bettag ist aufgehoben.
Wien, 17. Rov. Die Petition der Wiener Studenten um Aufhebung des Konkordats und um Einführung unbeschränkter Lehrfreiheit an den östreichischen Universitäten hatte bis gestern 1500 Unterschriften erhalten, die Adresse der Wiener an den Reichstag um völlige Beseitigung des Konkordats zählte schon gestern Abend gegen 30,000 Unterschriften. Man hält es für nothwendig, die Agitation fortznsetzen, da Hr. v. Beust in seiner Rede vom 14. d. sehr diplomatisch über die mit dem Konkordate zusammenhängenden Fragen himvegglilt.
Wien, 20. Nov. Das Tagblatt will wissen, England habe Serbien in dessen Konflikte mit der Türkei seine Vermittlung angeboten, welche aber Serbien, hinweisend auf die bereits vorliegende russische Vermittlung dankend ubgelehnt habe.
Paris, 10. Nov. Im gesetzgebenden Körper hat die Opposition heute drei Interpellationen eingebracht, die erste betrifft die äußere, die zweite die innere Politik, die dritte die römische Expedition. — „Etendard": Die Türkei protestirt gegen den Gedanken, dem Kongreß die kretische Frage zu unterbreiten. — „Patrie": Frankreich wird ein neues Rundschreiben über die Konferenz ansgehen lassen. Alle Mächte werden im Princip den französischen Gesichtspunkten im Interesse der europäischen Ordnung beipflichten. (St.-A.)
London, 18. Nov. Einer Depesche ans New-Dork zufolge ist die Antilleninsel Tortola nicht untergegangen, aber sie war während eines furchtbaren Sturmes acht Stunden unter Wasser und sämmtliche lebende Wesen auf der Insel seien umgekommen. Dieselbe Depesche meldet, daß die Stadt Santo Domingo zerstört worden sei.
London, 19. Nov. Die englische Thronrede konstatirt, daß die Beziehungen zum Ausland die befriedigendsten seien. Sie drückt die Hoffnung auf friedlichen Ausgleich der römischen Frage aus, bezeichnet die abyssinische Expedition als eine Noth- wendigkeit und erwähnt die Fcniernmtriebe. Unter den angekündigten Gesetzentwürfen wird eine Resormbill für Schottland und Irland genannt.
Konstantinopel, 19. Nov. Der Sultan ist seit mehreren Tagen ernstlich krank. (S. M.)
Die Schleppe der Prinzessin von Montpensier.
(Fortsetzung.)
Und kaum hatten die Hofequipagen Saint-Jean-de-Lnz verlassen, als auch er in einfacher Civilkleidung seine Wohnung verließ, durch Hintergäßchen das Freie gewann und dem Garten der Fürstin Carignan zueilte.
Die Berge, die alle so hoch um mich steh'u,
Tie Berge, die hohe», sie müssen vergehn.
summte er im Näherkommen. - Das Pförtchen wurde geöffnet — und eine schlanke Gestalt im Anzuge der Bearner Bäuerinnen schlüpfte daraus hervor und im nächsten Augenblicke lag Avonne in seinen Armen.
Er drückte sie stürmisch an's Herz, aber nur einen Augenblick.
Laß uns eilen, sagte er dann, der Pater wartet in der Waldcupelle! — Mit diesen Worten zog er sie fort und Avonne ging stumm an seiner Seite. Ihr war zu Muth, als wäre dies Alles ein Traum und sie müßte plötzlich in den gewohnten Verhältnissen erwachen.
Es war auch ringsumher so traumhaft still! Brütende Mit- tagsgluth lag über den Feldern; kein lebendes Wesen ließ sich sehen. Die meisten Bewohner der Stadt und Umgegend waren nach der Bidassoa gewandert, um wenigstens vom Ufer aus die Herrlichkeiten der Fasaneninsel mit anzusehen, und die Wenigen, die zurückgeblieben waren, hielt die Hitze in den Häusern ftst.
Siehst Du, wir haben Glück, nicht ein Mensch ist uns begegnet! rief Henri, als sie den Wald erreichten.
Avonne schüttelte seufzend den Kopf.
Was hast Du? fuhr er fort. Sieh nicht so traurig aus — ich denke sonst, Du bereuest, daß Du mich glücklich machen wolltest.
O nein, nein, wie kannst Du daS glauben, sagte sie; nur die Heimlichkeit ist's, die mich quält. Meine Angst wird immer größer.
Aber warum, Avonne? fiel er ein. Wir thun ja nichts Böses! Dein Pater hat gewollt, daß wir uns heirathen. Und sichst Du nicht auf's Deutlichste, daß der Himmel selbst unser Vorhaben beschützt? Alles kommt uns zu Hülfe: daß Pater Martin, der so manches Almosen in Chavignp erhalten hat, gerade hier sein mußte; daß der Friede unterzeichnet wird; selbst daß Palhe Carignan durch ihren Slreit mit Mademoiselle zu sehr in Anspruch genommen war, um auf Dich zu achten. Mehr als einmal Hab' ich gefürchtet, daß uns dein ängstliches Wesen ver- rathen würde. Verstellen kannst Du Dich doch ein Bischen.
Ach nein, ich bin so ungeschickt! sagte sie kleinlaut. Aber bedenke, Pathe Carignan ist immer wie eine N butter mit mir gewesen . .. und nun ...
'Nun wird sie schelten, natürlich! Aber was ist's denn weiter? ries Henri mit übermüthigem Lächeln. Wir bitten so lange, bis sie verzeiht. — Willst Du nicht für das Glück unseres ganzen Lebens diese eine böse Stunde ans Dich nehmen?
Ja, ja, ich will es! sagte Avanue und hing sich fester an seinen Arm. In diesem Moment wußte sie selbst nicht mehr, ob ihr Herz in Furcht oder in Liebe so ungestüm klopfte.
Hastig stiegen sie auswärts; bald schimmerten die weißen Mauern der Capelle durch das Gesträuch — noch wenige Schritte und sie waren oben.
Komm, komm, Geliebte, in wenigen Minuten bist Du mein eigen, jauchzte Henri; aber als er die Thüre'des kleinen Gotteshauses anfmachte und in die kühle., weihraucherfüllte Dämmerung trat, wurde sein leichtsinniges Herz von der Bedeutung des Augenblicks ergriffen. Er preßte die zitternde Braut in die Arme und sagte mit einer Rührung, die dem heitern Gesichte einen seltsamen Ausdruck gab:
Avanue, wenn ich Deine Liebe, Dein Vertrauen je vergäße
— Dich nicht zur glücklichsten Frau auf Erden machte...
Da rauschte etwas hinter dem Pfeiler; eine Franengestalt trat hervor.
Also wirklich! rief eine bekannte Stimme und die schreckensstarren Augen des jungen Paares erkannten die Fürstin Earig- nan, die mit strengem, beinahe drohendem Blick vor ihnen stand
— Also wirklich! wiederholte sie nach einer Pause. Ich habe es noch immer nicht glauben wollen, obwohl es mir der da reumüt- hig gestanden hat. — Mit diesen Worten deniete sie auf Pater Martin, der im Hintergründe stand.
Hierher, Avonne! fuhr die Fürstin fort. Anfschluchzend trat das junge Mädchen an ihre Seite.
Frau Pathin, zürnt ihr nicht, sagte Henri; ich allein bin schuld.
Das weiß ich, siel ihm die Fürstin in's Wort. Avonne ist ein unvernünftiges Kind, das sich von Jedem, den sie lieb hat, leiten oder verleiten läßt. Schlimm für Euch, daß Ihr das Vertrauen des Kindes mißbrauchen konntet!
Frau Pathin — er hat es gut gemeint, stieß Avonne hervor ; es that ihm so leid, daß ich in's Kloster wollte ...
Und um das zu verhindern, macht er sich auf den geradesten Weg zur Bastille! rief die Fürstin. Ja, mein Herr Marquis, die Bastille war Euch gewiß, wenn diese Trauung ohne meine Bewilligung, ohne die des Cardinals vollzogen wurde. Und Du, unseliges Kind — nicht nach Wunsch und Laune, nein, auf immer hätte man Dich in's Kloster geschickt. Ans den Knieen mögt ihr es der armen Margot danken, daß sie Euch vor dem Unheil bewahrt hat. Freilich hätte sie früher sprechen können, dann wäre die Sache nicht erst so weit gekommen. Ich war eben im Begriff, in den Wagen zu steigen, als sie sich endlich ein Herz faßte, mir Eure Tollheit zu entdecken. Da blieb denn nichts übrig, als daß ich hierher kam. — Doch genug davon! Ich will zu vergessen suchen, was hier geschehen ist. Natürlich, so wie bisher kann ich Euch nicht mehr vertrauen, Herr Marquis. Euer Verkehr mit Avanue muß ein anderer werden.
Frau Pathin! riefen die Beiden wie aus einem Munde.
(Fortsetzung folgt.) .
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.