zngestoßcn, das mich für immer von dem Gedanken heilte, meine Wohnung in den Wäldern auszuschlagen.
An einem Hellen Septembermorgen machte ich mich mit einem Kameraden nach einem zwei Stunden entfernten, sumpfigen Platze auf den Weg, den wir etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang erreichten.
Das Sumpfland zog sich am Fuße eines steilen, felsigen, mit Wald bewachsenen Hügels hin, den es von einem schönen klaren Sec trennte. Der Boden war hier so weich und schlammig, daß man sich an manchen Stellen sehr in Acht nehmen mußte, nicht zu versinken. Das Dickicht wimmelte von unzähligen Schnepfen und anderem kleinen Wild, das uns ohne besondere Mühe eine sebr ausgiebige Beute gewährte.
Ich wurde aber des Schießens sehr bald müde, denn es war ein bloßes Schlachten und keine Jagd. Es bedurfte keinerlei Geschicklichkeit dazu; man brauchte nur zu laden, das Gewehr auf die nächste Wolke Vögel zu richten, losdrücken und die Beute zu Dutzenden anfzuheben.
„Dies ist nichts für mich, Victor," sagte ich zu meinem Gefährten. „Wenn ich auf etwas schieße, will ich zuvor zielen, sei es auch nur, um Auge und Hand in Uebung zu erhalten. Vögel herunterzuschießen, die Einem in Schwärmen vor der Mündung des Gewehrs herumfliegen, ist ein bloßes Kinderspiel."
„Mein lieber Junge," erwiderte mein Gefährte, „es mag ein sehr angenehmes Jagdvergnügen für dich sein, in den Wäldern herumzustolpcru, und zuweilen aus einer Entfernung, die für einen schlechten Schützen wie ich, zu groß wäre, einen Schuß anzubringen; aber ich selbst Hube ein Vergnügen daran, recht oft zu schießen und jedesmal etwas zu erlegen. Und wo kann ich einen Platz finden, der besser für meine Geschicklichkeit und meinen Geschmack geeignet wäre als dieser?"
„Aber," sagte ich, „wir haben ja bereits mehr von diesen Vögeln erlegt, als wir tragen können. So laß uns gehen und nach anderm Jagdwild suchen, das eines französischen Offiziers würdiger ist."
„Und Alles nur deßhalb, weil du es für ruhmvoller hältst, auf dreißig Schritte zu schießen, als auf zwei. Unsinn! Laß mich hier meine Arbeiten thun, und gehe du auf jenen Hügel und schieße dort ganz nach Gefallen. Wir werden auf diese Weise beide zufrieden gestellt werden. Was sagst du dazu?"
„Ich bin cs zufrieden. Ich gebe dir noch zwei Stunden für deine Schlächterei, aber halte dich dann zum Heimgehen bereit, oder ich werde genöthigt fein, dich allein in deiner Herrlichkeit zurückzulassen."
„Ganz gut, ich werde Wunder thun in zwei Stunden."
Als ich den Sumpf verließ und den festen Boden am Fuße des Hügels betrat, ging ich in Gedanken verloren noch einige hundert Schritte fort. So kam ich an eine schöne Quelle mit kaltem klarem Wasser, welches unter den Wurzeln eines ungeheueren Baumes hervorsprudelte. Der ganze Platz hatte ein so heimliches Aussehen, daß ich stehen blieb, um ihn näher zu betrachten.
Bei dieser Gelegenheit wurde meine Aufmerksamkeit auf die frischen Fährten eines wilden Thieres gelenkt, die sich am Rande der Quelle in dem weichen lehmigen Boden ausgedrückt hatten. Bei näherer Untersuchung vermuthete ich, daß sie einem Panther angehörten, welcher an der Quelle noch nicht lange seinen Durst gelöscht hatte. Hier bot sich also eine Gelegenheit dar, die zwei Stunden, die ich vor mir hatte, auf eine angenehme Weise hinzubringen. Ich beschloß demnach, der Fährte nachzugehen, in der Hoffnung, daß es mir vielleicht gelingen werde, das Lager des Thieres in nicht großer Entfernung aufzuspüren.
Fünfzig Schritte weit lief die Spur am Rande des Sumpfes hin, dann ging sie den Hügel hinauf, wo sie sich auf dem harten Boden verlor. Da ich keine Hunde bei mir hatte, so hätte ich niemals daran gedacht, dem Thiere weiter nachzuspürcn, wenn ich etwas Besseres zu thun gewußt. So aber stieg ich den Hügel hinan, sah mich in dem dichten Unterholze überall vorsichtig um und untersuchte die Felsen, ob ich nicht irgendwo eine Spalte oder Höhle zu entdecken vermochte, wo das Thier seine Wohnung haben konnte.
So war eine Stunde vergangen, als ich auf der Spitze des Hügels anlangte, wo ich mich an den Stamm eines großen alten Baumes lehnte, dessen untere Aeste abgestorben waren.
Ich hatte jetzt mein Rachsuchen aufgegeben, und verweilte hier nur^ um auszuruhen und die unten liegende Scencrie mit dem glitzernden Sec und der weiten grünen Ebene zu überschauen. Wie ich so da saß, wanderten meine Gedanken nach der fernen Hcimath nach dem schönen Mainstrom, ivo ich meine glückliche Jugend verbracht, als ich auf einmal durch ein eigenthümliches Winseln, das ganz aus der Nähe kam, aus meinen Träumereien geweckt wurde. Ich blickte zu meinen Füßen nieder und sah nur harten, festen Boden, ich ging um den Baum herum, vermochte aber nicht die kleinste Höhlung zu entdecken, wo ein Thier sich verbergen konnte, ich besichtigte alle Aeste, über meinem Haupte fand ich aber nichts, wodurch das Räthsel aufgeklärt wurde. Woher waren die Töne gekommen und was hatte sie hervorgebracht? Ich lauschte eine Weile, aber Alles blieb still. War das ganze nur eine Täuschung meiner Einbildungskraft?
Wenigstens zehn Minuten stand ich da und suchte vergebens nach einer Erklärung; da ich aber nichts mehr hörte, so war ich bereits daran mich zu entfernen, um meinen Begleiter aufzusuchen, als ich auf einmal dieselben Töne wieder ganz in der Rühe vernahm. Wieder ging ich um den Baum herum und untersuchte oben und unten Alles genau, vermochte aber keinen einzigen Fleck zu entdecken, wo sich ein Thier, halb so groß wie meine Faust, verstecken konnte.
Da die unteren Aeste nicht höher als zehn bis zwölf Fuß von dem Boden entfernt waren, so beschloß ich, den Baum zu ersteigen und zu sehen, ob ich da oben den Schlüssel zu dem Ge- heimniß nicht aufsinden könnte. Ich legte deßhalb mein Gewehr flach auf den Boden nieder und war bald zwischen den Aesten. Hier entdeckte ich nun eine Höhle im Innern des Baumes, und unten in derselben, etwa drei Fuß tief, erblickte ich zwei glatte fette Thiere mit glänzenden Angen, die ich mit nichts Besserem als rothen Katzen von mittlerer Größe vergleichen konnte.
Als mich die kleinen Burschen sahen, legten sie Zeichen der Furcht und Abneigung an den Tag, indem sie sich, so weit sie konnten, znrückzogen, sich aufborsteten und nach Art der Katzen gegen mich bliesen. Neugierig, was es für Geschöpfe sein möchten, beobachtete ich sie eine Zeitlang, als ich auf einmal ein wildes Geheul hörte, das mir durch Mark und Bein ging, so daß ich beinahe meinen Halt auf dem Baume verloren hätte. Ein zweites wildes Geheul folgte dem ersten; aber es hatte nicht der Wiederholung bedurft, um mir anzuzeigen, was es war und in welcher Gefahr ich schwebte. Der Panther, dessen Fährten ich gefolgt, war die Mutter der jungen Thiere in der Höhlung unter mir und im Begriffe, zu seinen Jungen zurückznkehren. Bereits konnte ich seine gelbliche Gestalt, keine hundert Schritte entfernt, durch die Büsche gleiten sehen.
Jetzt war guter Rath theuer. Meine Flinte, nur mit leichten Schroten geladen, lag unten auf dem Boden. Wollte ich hinunter springen, um sie zu ergreifen, so konnte die wilde Bestie über mir her sein, noch ehe ich einen sicheren Platz erreicht hatte, und da die Ladung nicht stark genug war, um sie zu tödten, so blieb ich ganz in ihrer Gewalt. Wollte ich aber bleiben, wo ich war, nur mit einem Messer bewaffnet, so würde ich jedenfalls in wenigen Augenblicken in Stücken zerrissen werden. Unter gewöhnlichen Umständen entfernt von ihren Jungen würde ich die Bestie nicht besonders gefürchtet haben. So aber war ich überzeugt, daß sie mich sogleich angreifen und auf Leben und Tod kämpfen werde.
Doch was sollte ich beginnen? Zu bleiben, wo ich mich befand, war der sichere Tod, und das Hinunterspringen schien nichts Besseres zu versprechen. Tausend Ideen fuhren mir in einem Augenblicke durch den Sinn, bis ich endlich wie durch eine Art von Eingebung den Plan faßte, bis zu dem höchsten Gipfel des Baumes, wohin mir der schwere Panther nicht folgen konnte, emporzuklettern und mich dann durch die Umstände leiten zu lassen.
Sobald ich meinen Entschluß gefaßt hatte, suchte ich ihn auch auszuführen, aber noch hatte ich nicht die Hälfte der Entfernung bis zum Gipfel zurückgelegt, als ich unter mir einen schrecklichen Schrei vernahm und gleich darauf den Panther erblickte, welcher, so schnell er konnte, an dem Baum heraufkletterte. Ich brauche nicht zu sagen, daß ich alle meine Kräfte aufbot, deren die menschliche Natur fähig ist, wenn es gilt, einem furchtbaren Tode zu entgehen._ (Schluß f.)
Redaktion','Druck 'und Verlag der" G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.